„Ich, Birgit, Autistin und Psychotherapeutin“ – eine andere Sicht der Welt

Das alte Klischee: Wenn man von Autismus hört, denken viele Menschen an den Film „Rainman“. Er hat es zumindest geschafft, diese Entwicklungsstörung ins Blickfeld der Menschen zu holen. Doch wer Autisten kennenlernt, wird erfahren, wie vielfältig die Ausprägungen dieser Behinderung sind und welche unterschiedlichen Formen es gibt. Die Psychologin und Verhaltenstherapeutin Birgit Saalfrank hat beispielsweise erst sehr spät in ihrem Leben erfahren, dass sie das Asperger-Syndrom hat, das Schwächen in der sozialen Interaktion mit sich bringt. Was diese Diagnose mit ihr gemacht hat und wie sie ihren Weg im Leben weiter ging, beschreibt diese Autobiographie.

Anhand von Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen zeichnet die Autorin ein umfassendes und chronologisches Bild ihrer Lebensgeschichte. Wir erfahren viel von ihrer Kindheit und Jugend, den Schwierigkeiten, Freunde zu finden, den Problemen in der Schule, der Unfähigkeit, sich Gesichter zu merken, die man nicht ständig sieht. Als Leser kann man sehr gut in die fremden Erfahrungswelten eintauchen und ein Verständnis entwickeln.

Offen und ehrlich schildert Birgit Saalfrank ihr Leben, berichtet von Beziehungsproblemen und der ständigen Überforderung im Beruf. Krankheitsbilder und Therapieformen – der Sinn und Unsinn einer Suche nach Ursachen. Das alles wird lebendig durch ihre Erzählung. Bis hin zum Wendepunkt: der Autismus-Diagnose. Es ist nicht einfach, sich in die Welt einer Autistin rein zu denken. Birgit Saalfrank vermittelt uns mit ihren Worten einen hervorragenden Eindruck. Das Buch liest sich wie ein spannender Roman – auch wenn man die Ecpunkte schon kennt uns es keine überraschende Wendung gibt. Die Autorin hat gelernt, sich so zu akzeptieren, wie sie ist, und dabei ein glückliches Leben zu führen. Das Buch ist vermutlich ein nächster wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Im Anhang gibt es einen kritischen Blick auf die psychoanalytische Behandlung, die Birgit Saalfrank (vor der Asperger-Diagnose) erfuhr. Ein weiterer fachlicher Teil stellt die autistischen Auffälligkeiten dar, die die Autorin betreffen. Sie bietet eine gute Zusammenfassung um die Gefühlswelt von Autisten zu beschreiben. Und der abschließende Epilog nimmt uns auf wenigen Seiten mit in die Gegenwart. Es ist Birgit Saalfrank ein Anliegen, den Lesern zu berichten, wie es ihr nach Abschluss des Buches (im Januar 2018) geht. Ich finde die Autobiografie sehr lesenswert und nützlich, um einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus zu wagen.