Eine Jugend in Berlin

Spätestens seit ihrem zweiten Album ist LEA als Sängerin der leisen Töne bekannt. Das hat sie erst kürzlich wieder beim Tauschkonzert „Sing meinen Song“ bewiesen. Sie legt eine unglaubliche Fülle an Emotionen in ihre Lyrics und ihre Stimme. Manchen mag das gar zu viel werden, doch ich persönlich kann mich an ihren authentischen Songs einfach nicht satt hören. Die Songs aus den letzten Alben haben zwar nicht die absolute Chartspitze erreicht, aber sie haben sich ins Gedächtnis eingebrannt und wurden langfristig zu Ohrwürmern. Das ist eine Kunst, die LEA aus dem Effeff beherrscht.

Ob ihr irgendwann die Ideen ausgehen? Könnte man meinen, wenn man die ewigen Herzschmerz-Lieder hört. Alle verflossenen Beziehungen und bewegenden Momente sollten irgendwann ausgereizt sein. Doch weit gefehlt: LEA hat sich für das fünfte Album etwas einfallen lassen, das wirklich Seltenheitswert hat. Sie hat ein Konzeptalbum über eine Gruppe von Jugendlichen in Berlin geschrieben und erzählt eine Geschichte – in Dialogen und Songs. Solcherlei kennt man meistens von Progressive Rockbands. Auch einige Rapper bedienen sich gerne lustiger Skits zwischen den Songs. Selbst Sängerin LINA hat kürzlich mit „24/1“ einen fiktiven Tag in ihrem Leben vertont.

Doch LEA packt das noch viel stärker an. Die Story ergibt im Gesamten einen Sinn und kommt wie eine „Coming of age“ Erzählung im Hörspielformat daher. Dazu hat sie hervorragende Sprecher*innen vom GRIPS Theater engagiert, die die Figuren zum Leben erwecken. Nichts wirkt aufgesetzt, nichts affektiert. Die Dialoge sind lebendig und authentisch. Ein Erzähler ist gar nicht nötig, denn die Geschichte steht für sich. Selbst in den Songs finden sich quasi innere Monologe der Protagonistin oder Gespräche in Duett-Form.

Zur Story: Die Berliner Bülowstrasse wirkt auf den ersten Blick unspektakulär. Ein typischer Schmelztiegel in der Großstadt, irgendwo zwischen Kreuzberg, Charlottenburg und Schöneberg. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau inmitten der Irrungen und Wirrungen der eigenen Jugend und der Großstadt. „Sich ändern, bis man allen gefällt, außer sich selbst“, singt LEA stellvertretend und zeigt damit auf, wozu sie nicht bereit ist.

Die Songs können dabei durchaus für sich allein stehen, auch wenn sie fest in die Geschichte eingebettet sind. „Pass auf mich auf“ mit Rapper Luvre47 und das wundervolle „Nieselregen“ mit Lina Maly bieten den emotionalen Einstieg. Introvertiert erklingt „Mutprobe“, ganz melancholisch „Würde uns jemand vermissen“. Allein bei „Aperol im Glas“ kann es auch mal Uptempo zugehen, ansonsten herrschen die leisen Töne, die man an LEA so liebt.

Die Hörspieltracks sind jeweils einzeln als „Skit“ gekennzeichnet. So wird man sie irgendwann, wenn man der Erzählung überdrüssig ist, leicht überspringen und das Album wie eine normale Songzusammenstellung hören können. Bisher hatte ich aber noch nicht das Bedürfnis dazu, weil sie perfekt als Einleitung zu den Songs passen.

Das Album gefällt mir vom ersten Satz bis zur letzten Songzeile. Ein großartiges Gesamtkunstwerk, das mal wieder den Wert echter Alben deutlich macht und LEA als führende Songpoetin etabliert. Einfach großartig!

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