Florian Silbereisen: Da geben sich die Stars die Klinke in die Hand
Wenn Florian Silbereisen zum Schlagerfest XXL ruft, dann kommen sie alle. 4500 Zuschauer in der ausverkauften Arena Trier – das Aufgebot an Schlagerstars aller Generationen war enorm. Und die Kulisse wirklich groß aufgezogen. Mit einer Showbühne, die weit in das Publikum hinein ragte, mit pyrotechnischen Effekten, mit fahrbaren Bühnenelementen und einer großen LCD Leinwand, auf die nicht nur Aufnahmen der Künstler sondern auch die Songtexte zum Mitsingen projiziert wurde. Eine große Karaoke-Show also, an der auch das Publikum mit beteiligt war: Die Musik kam vom Band, die Stars sangen live.
Das anfängliche Bühnenbild war in Form einer Boxengasse aufgebaut und Florian Silbereisen tat etwas für seinen Coolness-Faktor, indem er mit einem Motorrad über die Szenerie bretterte. Inmitten einer Flammenshow intonierte er „Pure Lust“ von Geier Sturzflug und hatte die Trierer schon auf seiner Seite. Allerdings fand ich es sehr skurril, dass selbst der wortlose Mitsingteil von „Tränen lügen nicht“ mit einem „AAAAAAAAA“ auf der Leinwand beschrieben wurde, damit ja keiner seinen Text vergisst.
Erste Gäste waren die Draufgänger, eine österreichische Volksmusik- und Schlagertruppe mit herzlich viel Biergefühl. Im stilechten Ambiente aus Strohballen schmetterten sie Roland Kaisers „Schachmatt“ und dann ihren Überhit „Cordula Grün“ (eigentlich ein Cover ihres Landsmanns Josh.) mit Stampf-Choreografie.
Ein Handylichtermeer begrüßte Oli P. Der inzwischen auch schon 41jährige Berufsjugendliche ließ sich zunächst im Schlauchboot zu „Nachts wenn alles schläft“ durch die Menge tragen und sang dann vor einem riesigen Gummi-Düsenflieger seinen Hit „Flugzeuge im Bauch“, den er gemeinsam mit Florian Silbereisen rappte.
Neben massenhaft Showgirls, die im stetig wechselnden Outfit für die nötige Tanz-Performance sorgten, war auch die DDC Breakdance Company wieder mit dabei. Die Jungs tauchten zwischendurch immer mal wieder auf, hatten aber auch ihre ureigene Präsenzzeit, die sie im ersten Teil mit einem ausgiebigen Boygroup-Medley füllten.
Mein erstes Highlight war Ross Antony. Der Paradiesvogel ist einfach ein Garant für gute Laune. Als Entertainer par excellence liebt er es, sein Publikum zu unterhalten. Singend und tanzend versprühte der gebürtige Engländer jede Menge Spaß und Emotionen mit „1001 Nacht“ und „Que Sera“. Dafür wurde er gebührend gefeiert. Im Anschluss präsentierte Christin Stark ihren aktuellen Hit „Komm nie wieder“.
Wie Ross sang auch Giovanni Zarella einmal in der Casting-Band Bro’Sis. Und er hat inzwischen ebenso musikalisch die Seite gewechselt. Auf seinem aktuellen Album gibt es bekannte Schlagerhits in italienischer Sprache. Diese präsentierte der sympathische Künstler auch in Trier und durfte dank Leinwand-Karaoke auf ein textsicheres Publikum bauen.
Ganz frisch an Bord im Schlagerzirkus ist Sonia Liebing. Die 30jährige Kölnerin hat im vergangenen Jahr ihr erstes Album veröffentlicht – und sie tritt ebenso geerdet und rockig auf wie ihre Kolleginnen Vanessa Mai oder Christin Stark. So funktioniert der moderne Schlager. Zum Einstieg vor der Performance gab es einen sympathischen Videogruß, den Sonia gemeinsam mit ihrem Mann und den beiden Töchtern eingespielt hatte.
Dann die große Frage: Wie inszeniert man einen König? Jürgen Drews kam, sah und siegte mit einem großen Hit-Medley, mit allerlei Glitter, Showgirls und riesigen Luftballons – und mit einem stimmgewaltig von verschiedenen Künstlern und dem Publikum mitgesungenen „Bett im Kornfeld“, das nach 100 Minuten Dauerparty die halbstündige Pause einläutete.
Danach ein Moment, auf den viele gewartet hatten: Marianne Rosenberg ist eine Kultfigur der Schlagerszene. Der Auftritt der 64jährigen war aber – ich kann es nicht anders sagen – ziemlich durchwachsen. Da hat ihr der zehn Jahre ältere Drews doch einiges voraus. Klar, Marianne hat einen Hit (der erst später im Programm folgen sollte), aber ohne ihren Hit ist sie mit zeitweise recht piepsiger Stimme und seltsamen Bewegungen nicht so der Hit.
Die Breakdancer hatten inzwischen ihre Lederhosen angezogen und gaben eine Art Alpen-Medley zum Besten. Unglaublich, was für akrobatische Übungen sie dabei zeigten. Mit dem ursprünglichen Breakdance hat diese Performance schon lange nichts mehr zu tun. Es ist eine perfekte artistische Tanzshow, die hier geboten wurde.
Mein persönliches Highlight war der Auftritt von Matthias Reim. Ganz authentisch und lässig gab er eine formidable Show zum Besten und sang bestens aufgelegt zwei aktuelle Hits, bevor er Vergangenheitsbewältigung auf höchstem Niveau betrieb. Matze ist live einfach eine Wucht – und wenn dann alle „Verdammt ich lieb dich“ mitschmettern, sieht man ihm seine Freude deutlich an. Es gibt kaum einen Musiker, der das Genre Schlager/Deutschrock in den vergangenen drei Jahrzehnten so entscheidend mitgeprägt hat wie er – und besagter Hit hält mit 16 Wochen an der Chartspitze immer noch einen einsamen Rekord im wiedervereinten Deutschland.
Thomas Anders versucht sich ja inzwischen auch am Schlager. So verwunderte es nicht, dass Florian ihn mit in die Show genommen hatte. Doch mehr noch: Nach deutschen Titeln von Thomas gab Florian den Dieter und beide zusammen sangen ein Medley aus den Modern Talking-Klassikern „Cheri, Cheri Lady“, „Brother Louie“ und „You’re My Heart, You’re My Soul“. Was fand ich jetzt erschreckender? Diese sogenannten Hits live hören zu müssen, die auf meiner No-go-Liste seit Jahrzehnten die Spitzenposition einnehmen? Dass man absolut nicht merkte, wenn einer der Songs in einen anderen überging? Die Tatsache, dass die ganze Arena quasi Kopf stand und jede Zeile enthusiastisch mitsang? Oder die Ankündigung, dass Thomas Anders und Florian Silbereisen in wenigen Tagen ein brandneues Duett-Album auf den Markt bringen werden?
Zum Finale durfte Marianne endlich ihren Schlager-Klassiker „Er gehört zu mir“ intonieren und man merkte förmlich, wie sie sich auf sicherem Terrain äußerst souverän bewegte. Es ging schon gut auf 23 Uhr hin und ein großes Schlagerfest nahm mit dem Zugabenblock aus „Griechischer Wein“ und „Gute Nacht, Freunde“ sein Ende. Florian hatte mal wieder alle Register gezogen und die Revue zum Mega-Ereignis für Schlagerfreunde aller Generationen gemacht. Eine junge Damen auf dem Platz neben mir feierte mit dem Einsammeln von Luftballons und der stetigen Wiederverwendung des gestreuten Konfettis ihre ganz eigene Party – doch auch das gehört dazu. Man muss die (Schlager-)Feste feiern, wie sie fallen. Bis zum nächsten Mal in Trier!