Dittsche bringt die Welt in Ordnung: Tourstart am 29.3.2022 in Neunkirchen
Mit dreißig (!) Staffeln seit dem Jahr 2004 ist die Comedy-Sendung „Dittsche“ absoluter Kult. Mit Bademantel und Schumilette läuft der arbeitslose Verlierertyp zur Höchstform auf und sinniert am Tresen eines Hamburger Imbisses über aktuelle Ereignisse, das Leben, Gott und die Welt. Dafür gab es verdientermaßen den deutschen Fernsehpreis.
Aber funktioniert die Show auch als Stand-up eines einzelnen Mannes auf der großen Showbühne, bewaffnet nur mit einem Mikro und einer Tüte voll Bierflaschen? Und ob! Schließlich entstand das Konzept ursprünglich im „Quatsch Comedy Club“ und führte über „Gottschalk Late Night“ zuerst ins ZDF und dann zum WDR. Olli Dittrich braucht nur langsam von der Seite zur Bühnenmitte zu schlurfen und schon tobt der Saal – in diesem Fall die voll besetzte Neue Gebläsehalle im saarländischen Neunkirchen.
Bereits zum zweiten Mal ist Dittsche mit dem Programm „Chefvisite“ auf Solo-Tour. Der Auftritt im Saarland war der Opener für eine groß angelegte Reihe von Terminen – und der Ort war perfekt gewählt. Vielleicht mag das daran liegen, dass der Saarländer im Allgemeinen den Humor eines Heinz Becker zu lieben gelernt hat, der ebenso wie Dittsche gern über seine Nachbarn und Bekannten lästert und aus jeder kleinen handwerklichen Tätigkeit ein Großevent macht.
Dittsche kommt also mit FFP2-Maske und darüber drapiertem Kaffeefilterhalter auf die Bühne und erläutert zunächst einmal, wie man mit seine Maske noch sicherer machen kann, wie man damit Unmengen an Kaffee kocht und wie man aus zwei Paar Stiefeln, Alufolie sowie dem überschüssigen Kaffee prima warme Füße und „Coffee to go“ bekommt. Ein köstliches Vergnügen!
Dann geht es gedanklich in den Imbiss und Ingos Salatbar muss ebenso für einige Kalauer herhalten wie Dittsches Nachbar Herr Karger. Tatsächlich fällt Olli Dittrich manchmal aus der Bühnenrolle und amüsiert sich über das Publikum, das mit Zwischenrufen und Heiterkeitsausbrüchen nicht geizt. „Besser als in Hamburg“ sagt er. Und nimmt sich dann selbst auf die Schippe: „Manchmal, wenn ich mir diesen Scheiß ausdenke, gacker ich auch so rum“.
Die Idee des Bierbrauens in einer Trockenschleuder sorgt ebenso für Chaos und Kopfkino wie der Wechsel einer Glühbirne in Kargers Wohnung. Nach einer Stunde Dauerfeuer brauchen Publikum und Comedian erst einmal 20 Minuten Pause.
Die zweite Stunde der Show wird sehr philosophisch. Dittsche versucht, eine Vorstellung von der Unendlichkeit des Universums und der Winzigkeit des Mikroversums zu bekommen. Solch eine essentielle Frage wird ebenso in hochkarätige Merksätze gefasst wie die Überlegung, was zuerst da war – und damit meint er nicht Huhn oder Ei sondern Kronkorken oder Flaschenöffner.
Zum Ende hin wird es gar politisch, wenn Merkels Multifunktionsjacke erklärt wird und die Frage, ob Karl Lauterbach plötzlich deswegen so schlau ist, weil ihm früher die Fliege das Gehirn mittels verringerter Sauerstoffzufuhr abgeregelt hat. Auch RKI-Wieler bekommt sein Fett weg, fast im gleichen Atemzug wie Dieter Bohlen und Florian Silbereisen mit ihren Varianten von DSDS.
Im Zugabenblock darf die Kunstfigur Dittsche auch eine Lebensgefährtin haben, die dann nochmal neuen Schwung in die Erzählung bringt. Nach zwei Stunden Power enden eine fulminante Show und ein gelungener Tourauftakt. Dittsche ist sichtlich erleichtert und man nimmt ihm gerne ab, dass er in Zukunft öfter den Liveclub in Neunkirchen für seine „Probevorlesung“ nutzen wird. Olli Dittrich ist einfach ein gestandener Komiker mit Sinn für die Feinheiten des Genres. Er sprüht vor Ideen und setzt diese jovial und mit großer Freude um. Bitte mehr davon!