Nach drei Studio-Alben und einer ausverkauften Headliner-Tour zum letzten Album „Wir waren nie hier“, haben Emma6 Ende Januar eine neue 4-Songs-EP mit dem Titel „Möglichkeiten“ veröffentlicht. Darauf klingt das Trio abgespeckt, mehr nach Akustikgitarre und doch erkennt man den unverwechselbaren Emma6-Sound wieder. Nach vierzehn Bandjahren und drei Alben hat die Band offensichtlich Lust in kleineren Sinneinheiten zu fühlen und zu denken. So gibt es passend zur EP auch noch eine Video-Tetralogie. Grund genug für Musicheadquarter-Redakteurin Hannah Kröll bei Emma6-Schlagzeuger Henrik Trevisan nachzufragen.
Ihr habt euch für das Schreiben eurer neuen Songs in eine Hütte im Schwarzwald eingeschlossen. Klingt sehr idyllisch! Wie seid ihr auf diese Idee gekommen und warum ausgerechnet der Schwarzwald?
Henrik Trevisan: Das hat sowohl pragmatische als auch romantische Gründe. Wir leben mittlerweile alle am Rhein zwischen Köln und Karlsruhe. Dadurch gibt es nicht mehr zwangsläufig einen einzelnen naheliegenden Ort, an dem wir uns treffen. Hinzu kommt, dass der Schwarzwald eine wirklich schöne Gegend ist und man dort Plätze findet, die sehr abgelegen sind, was sehr inspirierend ist.
Wieso habt ihr euch denn dazu entschieden die Songs über einen längeren Zeitraum einzeln zu veröffentlichen und nicht, wie sonst ja oft üblich, alle auf einen Schlag in einer EP?
Henrik Trevisan: Wir haben festgestellt, dass die Zeiträume zwischen zwei Alben bei uns immer recht lang sind. Es gibt Songs, die sehr früh in dieser kreativen Phase zwischen den Veröffentlichungen entstehen, und andere, die erst spät dazukommen. Wir wollten den Zeitpunkt zwischen Entstehung und Veröffentlichung gerne verkürzen, daher die Entscheidung zur EP. Zusätzlich hatten wir die Idee eines Kurzfilms, der die Songs begleitet und zunächst nur Stück für Stück veröffentlicht wird. Das fanden wir sehr passend.
Bei „Möglichkeiten“ beschreibt ihr nach meiner Lesart den Konflikt zwischen den tausenden Möglichkeiten, die sich auftun und der damit zusammenhängenden Überforderungsproblematik. Hattet ihr beim Schreiben von „Möglichkeiten“ ein bestimmtes Dilemma im Kopf oder geht es bei dem Song mehr um etwas Generelles?
Henrik Trevisan: Deine Lesart trifft die Idee des Songs. Es geht einerseits um die großen Möglichkeiten im Leben, also Fragen wie: Wo möchte ich leben? Wie möchte ich leben? Was ist mir eigentlich wichtig, was nicht? Andererseits sind aber auch die Kleinigkeiten gemeint, bei denen man jeden Tag die Wahl hat und auch dort nicht immer klar ist welche Auswirkungen diese kleinen Entscheidungen haben. Daher kann es durchaus sinnvoll sein sich Gedanken darüber zu machen, was man wählt. Denkt man aber zu viel nach, kann es wiederum sein, dass man Dinge versäumt.
Bei „Nirgendwo“ hat mich der Teil „Nichts passiert hier im Nirgendwo, wo du warst ist es seltsam leer. Nichts passiert, das war schon immer so, aber mit dir weniger schwer“ sehr an „Seit du weg bist, ist hier nichts mehr wie es war. Nur ich bin noch da“ aus „Köln – Wien“ von eurem Album „Passen“ erinnert. Hängen die Songs irgendwie zusammen?
Henrik Trevisan: Das Grundgefühl der beiden Songs ist ähnlich, es gibt auf jeden Fall gewisse Parallelen. Bei „Nirgendwo“ geht es aber um eine Freundschaft, während „Köln – Wien“ eine Fernbeziehung thematisiert.
In Bezug auf „Nirgendwo“ würde ich natürlich auch gern noch wissen, ob mein Tipp aus dem Review (hier zum Nachlesen) stimmt und ihr euch mit der Line „Doch irgendwer Schlaues hat einmal gesagt ‚Irgendwann ist auch nur ein anderes Wort für nie!‘“ wirklich auf Kettcars „Benzin und Kartoffelchips“ bezieht oder ob ich mir diese Verbindung nur einbilde?
Henrik Trevisan: Diese Verbindung bildest du dir definitiv nicht nur ein. Große Schreiber wie Kettcar darf und sollte man auch mal zitieren. Vor allem, wenn einem selbst keine bessere Zeile einfällt (grinst).
Die neue Emma6-EP „Möglichkeiten“ wurde am 24.01.2020 beim Label Ferryhouse Productions veröffentlicht.
Hattet ihr beim Schreiben von „Meine Wege deinetwegen“ eine bestimmte Person im Kopf und wenn ja, war es dann bei euch allen drei dieselbe?
Henrik Trevisan: Der Text ist von Peter (Trevisan, Sänger von Emma6, d.Red.). Er ist letztes Jahr Vater geworden und der Song war das Geschenk an seine Frau zur Geburt.
„Überwintern“ ist für mich ein ganz spezieller Song, weil der Text und die Musik sehr aufmunternd wirken und fast schon fröhlich, eigentlich ist das Thema des Songs ja aber auch etwas Trauriges, nämlich Niedergeschlagen-Sein und eben das Fehlen des Gedankens, dass es besser wird, zumindest bei denjenigen, die ihr ansprecht. Warum habt ihr euch für einen solchen „Kontrast“ entschieden? Oder würdest du es gar nicht als einen solchen Kontrast ansehen?
Henrik Trevisan: Wir haben das Gefühl, dass gute Zeiten nur deshalb so gut sind, weil es auch weniger gute gibt. Wenn ich nur mein Umfeld betrachte, dann stelle ich fest, dass viele Menschen unzufrieden sind, obwohl sie objektiv betrachtet wohl alles haben, was sie brauchen und damit meine ich nicht nur materielle Dinge. Ganz persönlich gibt es unsere Band nun schon wirklich sehr lange und jeder von uns hat in dieser Zeit Gutes und weniger Gutes erlebt. Oft waren die schwierigsten Zeiten die, in denen wir uns am besten kennengelernt und etwas für die guten Zeiten mitgenommen haben.
Eure Songs wirken so persönlich, aber ich konnte sowohl bei „Möglichkeiten“ als auch bei „Überwintern“ auch Zusammenhänge zu großen Themen gesellschaftlichen Zusammenlebens erkennen. Wie viel gesellschaftliche Kritik steckt denn in den neuen Liedern?
Henrik Trevisan: Wir sind wie alle anderen auch Teil einer Gesellschaft. Ich denke persönliche und gesellschaftliche Dinge bedingen sich daher gegenseitig. In den allermeisten persönlichen Songs gibt es daher auch eine gesellschaftlichen Komponente.
Woher kam eigentlich die Idee eine Video-Tetralogie zu den Songs aufzunehmen?
Henrik Trevisan: Das Format der EP, also einer Veröffentlichung mit in unserem Fall nur vier Songs, war für uns neu. Zwar haben wir am Anfang der Bandgeschichte schon selber Songs aufgenommen und diese dann auf CDs gebrannt, die vier bis fünf Songs enthielten, aber das liegt schon länger zurück. Nun hatten wir das Gefühl, dass die Songs, die als Paket entstanden sind, auch visuell als Paket präsentiert werden sollten. Damit war die Idee geboren, dass wir in den Videos eine zusammenhängende Geschichte erzählen wollen. Das Drehbuch hat schließlich Dominik (Republik, spielt Bass bei Emma6, d.Red.) geschrieben.
Und zu guter Letzt noch die Frage, die uns wohl allen unter den Nägeln brennt: Wird die EP der Anstoß für eine erneute Tour sein?
Henrik Trevisan: Wir werden Ende des Jahres einige Konzerte spielen. In welchen Städten wir einen Stopp machen werden, kann ich leider noch nicht sagen, aber es wird Konzerte geben. Wir freuen uns jetzt schon und machen uns bereits Gedanken wie wir die neuen Songs live präsentieren möchten.
Das ist doch ein schönes Schlusswort. Wir bedanken uns vielmals für deine Zeit und freuen uns auch schon darauf euch wieder live sehen zu können.
Ein Dankeschön geht ebenfalls an Jenny Gottstein von ferryhouse productions für die nette Vermittlung des Interviews!