Klaus Hoffmann wachsen neue „Flügel“
Selbst der große Chansonnier unter den deutschen Liedermachern wird nicht jünger. 72 Jahre hat der Berliner Klaus Hoffmann schon auf dem Buckel. Und wie ein guter Wein wird er von Jahr zu Jahr besser. Seit Jahrzehnten irgendwie auf dem schmalen Grat zwischen Geheimtipp und Star. Die Alben nie so ganz weit vorn in den Charts, aber immer im Auge der Medien. Er singt Lieder von Jacques Brel, spielt mit Wortwitz und seiner Berliner Schnauze. Doch seit einigen Jahren schon werden die Alben schwermütiger und sehnsuchtsvoller. Man nehme das melancholische „Aquamarin“ aus dem Jahr 2018 und die wundervolle Magie von „Septemberherz“ im Jahr 2020.
Auch das neue Album „Flügel“ bietet eine eigene musikalische Mixtur aus Pop, Jazz und akustischem Folk, gepaart mit feinen Streicherarrangements. Da findet sich eine Reihe von sanften Juwelen im Songwriting, mal mit akustischer Gitarre, mal am Piano begleitet. Die Texte folgen dem Puls der Zeit. „Neuer Morgen“ versprüht noch Optimismus und „Kinder“ baut auf die nachfolgende Generation, doch „Bin nicht Meer, bin nicht Strand“ liefert Erinnerungen an die Nachkriegszeit und einen verzweifelten Blick auf den Krieg in der Ukraine.
Für Hoffmannsche Verhältnisse ist es ein lautes Album. Laut auch in den Texten. Texte die sich, selbst wenn sie Unterschiedliches benennen, aufeinander beziehen, ergänzen und verstärken – wie Ying und Yang. „Kein Held“ liefert ein beschwingtes Arrangement zu bedrückenden lyrischen Zeilen. Der Protagonist weiß, was es heißt, fremdbestimmt in Konflikte geschickt zu werden, welche nicht die eigenen sind.
Da ist der Jüngere, 20-Jährige, der sich naiv und arrogant eine Welt erfand („Ich versuch’s“), und den dennoch oder gerade deshalb so viel mit dem fragenden und vertrauenden Älteren („Was machst Du mit dem Rest dieser Zeit“) eint. Einem Älteren, dem aller vergeblichen Sehnsucht zum Trotz, gerade deshalb die Hoffnung innewohnt („Im nächsten Sommer sehen wir uns wieder“). Und dennoch steht über allem der Klaus Hoffmann der Gegenwart. Hoffmann, der spürt, wenn eine zweite Singstimme der atmosphärischen Tiefe eines Liedes dienlich ist: Caroline von Brünken auf „Oh mein Gott ist weit“.
Hoffmann hatte sich immer stilistisch dem Chanson verschrieben. Auch hier stehen zwei Songs von Charles Aznavour und Michel Legrand Pate, denen er einen deutschen Text verliehen hat. So klingt er meist wie der Barpianist von nebenan. Doch es gibt auch südländische Klänge wie bei „Was dir dein Herz erzählt“. Und die Streicherarrangements in vielen Stücken klingen lieblich und durchdringend zugleich.
„Flügel“ wird im Promotext als 50. Album des Berliners beworben. Müde klingt er jedenfalls nicht. Vielmehr erweist Klaus Hoffmann sich als großer Geschichtenerzähler und feinsinniger Beobachter. Die Welt zeigt ihren verstörenden Charakter – seine Lieder aber tragen immer einen Hauch Zuversicht in sich. Bleibt zu hoffen, dass er Recht hat und uns noch lange mit solch schönen Alben beglückt.