AnnenMayKantereit: Lustiges Studentenleben in der Arena Trier
Der Sänger klingt heiser wie einstmals Rio Reiser. Das Konzert ist mit 90 Minuten recht kurz – aber dafür sehr intensiv. Henning May hat das junge Publikum fest im Griff. Aber hätte man sich vor wenigen Jahren vorstellen können, dass diese Band fast 6.000 Leute in die Arena Trier lockt?
Okay. Die Voraussetzungen waren bestens: Obwohl Henning May bereits auf die 30 zugeht (was man ihm aber keineswegs ansieht) spielt er die Rolle des ewigen Studenten im Zwiespalt der Gefühle perfekt. Daher funktioniert die Musik in den Studentenstädten so gut und fasziniert Schüler wie Studierende. Und nicht nur die! Die markante, raue Stimme zieht viele Zuhörer in ihren Bann.
Die Show startete pünktlich um 21 Uhr. So pünktlich, dass einige im Vorraum Feiernde erschrocken in den Innenraum stürmten, um den ersten Song „Marie“ zu hören. Und es war beeindruckend, wie AnnenMayKantereit das Flair eines kleinen Clubkonzerts auf die große Bühne brachten, ohne Fans in der letzten Reihe zu verprellen. Mit Schrammelgitarre und Country-Einschlag gab es Titel wie „Nur wegen dir“ und „Wohin gehst du“. Fasziniert konnte man bemerken, wie das junge Publikum auch ohne Elektro-Spielereien und Rap in den Bann der Musik gezogen wurde.
AMK waren zum ersten Mal in Trier – und das gleich vor dieser Kulisse. Eigentlich vermisste keiner die große Show, denn die verlebte Singstimme und das Flair eines kleinen Klubs reichten zum Abfeiern völlig aus. Trotzdem war klar, dass da mehr kommen würde. Und nach „Es geht mir gut“ öffnete sich die große Showbühne. Der Aufbau war großartig: Keine der inzwischen üblichen LCD-Leinwände, sondern viele Blätter in gefühlter DIN A4-Größe, wie an Wäscheleinen aufgereiht. Schon Wind- und Lichtspiele sorgten für coole Effekte. Und später sollte diese flattrige Wand auch noch als Projektionsfläche dienen. Extrem geil.
Auch auf der großen Bühne blieb die Band meist im Vordergrund. Das Gründungstrio verstärkt um einen Bassisten und einen Trompeter als ständigen Gastmusiker. „Jenny Jenny“ wurde gehuldigt und Henning interpretierte „Hinter klugen Sätzen“ allein am Klavier. Dann aber machte er den Fehler, die Leute in den VIP-Lounges zu grüßen. Sofort startete im Innenraum der sattsam bekannte Sprechchor: „Scheiß Tribüne“. Man machte aus der Not eine Tugend und forderte die komplette Arena zum Tanzen auf. Mit dem rockigen „21, 22, 23“ gelang das hervorragend und auch die Tribüne bewegte sich mit.
Alles fand im ständigen Wechsel zwischen Melancholie und Ausgelassenheit statt. „Oft gefragt“ spielte sich wieder am Piano ab – dann folgte der Knaller zum Abschluss des regulären Konzertteils: „Pocahontas“, der wider Willen zum Karnevalshit avancierte Klassiker, beendet mit einem frenetisch singenden Publikum nach 80 Minuten die Show. Andere Bands hätte ein solcher Erfolgshit vielleicht verändert. „Fetenhits“ und „Après Ski“ verleiten gern zu Scheißegal-Mentalität im Songwriting. Nicht aber bei AMK. Die Band bleibt authentisch und lässt sich nicht in den Hit-Strudel reißen. Gut so!
Für die Zugabe begaben sich die Bandmitglieder ganz nach hinten auf die Tribüne und es gab „Ozean“ im Lichtblitzgewitter. Für „Barfuß am Klavier“ musste Henning wieder nach vorne ans Piano. Und „Ich geh heut nicht mehr tanzen“ brachte nicht nur eine Ukulele mit ins Spiel, sondern zum Abschluss auch noch energische rhythmische und vor allem elektronische Elemente. Um 22.30 Uhr endete das Konzert recht abrupt, doch es war alles gesagt. Die Studioalben wirken manchmal etwas eintönig, da die Reibeisenstimme sehr homogen klingt, doch live sind AMK definitiv eine Wucht.