Das Jahr 1968 war ein Wendepunkt in Johnny Cashs Leben. Seit Mitte der 50er Jahre ging es mit seiner Karriere steil bergauf, doch der weltweite Ruhm hatte auch Schattenseiten. Seine Tablettenabhängigkeit führte zur Scheidung von Vivian Liberto, zu Konzertabsagen und Gewaltausbrüchen. Er sagte selbst, dass er sich 1967 in eine Höhle zurückgezogen hat, um dort zu sterben. Zum Glück standen ihm noch einige erfolgreiche Jahrzehnte bevor. Er nahm 1968 die Country-Sängerin June Carter zur Frau und schaffte mit dem legendären Gefängnisauftritt “At Folsom Prison” eine Nummer 1 in den US-Country-Charts, später im Jahr erschien das ebenso ikonische Livealbum “At San Quentin”. 1969 spielte Cash vor 21.000 Zuschauern im Madison Square Garden.
Fotocredit: Ralph Willsey
Zwischen den Prison-Alben wurde am 24.4.1968 das vorliegende Konzert “At The Carousel Ballroom” mitgeschnitten, das nun fast 54 Jahre später auf CD und im Vinylformat erscheint. Ein kleines Juwel! Es markiert den letzten Neuzugang im Rahmen der “Bear’s Sonic Journals”-Reihe, die von der Owsley Stanley Foundation herausgebracht wurde. Sie umfasst darüber hinaus bereits Stanleys Live-Aufnahmen von The Allman Brothers Band, Tim Buckley, Commander Cody and His Lost Planet Airmen, Doc & Merle Watson und viele mehr.
Der Mitschnitt zeigt den Mann in Schwarz auf dem Höhepunkt seiner charismatischen Kräfte, im spielerischen und kraftvollen Dialog mit seiner neuen Braut June Carter und seinen langjährigen Musikern – dem Gitarristen Luther Perkins, dem Bassisten Marshall Grant und dem Schlagzeuger W.S. Holland.
64 Minuten werden in akzeptabler Soundqualität geboten. Das Publikum ist bisweilen deutlich und enthusiastisch hörbar. Die Setlist bietet genügend Besonderheiten, wie ein Cover von Bob Dylans “One too many Mornings”, um den Release von anderen Livealben abzuheben.
Ganz besonders gefällt mir aber die Aufmachung als Hardcove-Digipack mit June & Johnny in trauter Zweisamkeit auf dem Cover. Das Booklet bietet umfangreiche Infos zur Owsley Stanley Foundation, biografische Liner Notes von Bob Weir, Dave Schools und John Carter Cash.
Das französische Label Atypeek Music überrascht immer wieder mit Auskopplungen, die so gar nicht zusammenpassen und trotzdem auch so typisch für Atypeek. So auch das neue Album von Miles Oliver mit dem Namen “Between The Woods”.
Miles Oliver ist ein Pariser Songwriter, der zwischen elektrische und akustische Gitarre, Klavier und Loops schwingt. Eine Alchemie zwischen Lo-Fi-Rock, Folk und Poesie, die den Hörer an Violent Femmes, Nick Cave, Leonard Cohen und Johnny Cash in eng zusammenliegenden Momenten denken lässt. Einerseits sind die Songs zerbrechlich wie zartestes Porzellan und andereseits wieder voller Energie, dass man nur noch Schreien möchte.
Nach seiner Rückkehr von einer dreiwöchigen Tour durch die USA kamen Miles neue Worte, Bilder und Lieder in den Sinn. Zuerst schrieb er all diese Gefühle im Buch “Between The Words”, das er im Jahr 2019 schrieb. Miles arbeitete an einigen Songs und all diese Bilder fügten sich zu seinem vierten Album mit dem Titel “Between The Woods” zusammen. Sowohl Buch als auch Musik leben zusammen durch eine Geschichte von 12 Musikstücken und Geschichten.
“Between The Woods ist meine US-Vision, die amerikanische Kultur, die ich für mich selbst geschaffen habe: von den Wurzeln des Acapella-Blues in ‘Save Me’ und den entfremdeten Köpfen in ‘Deamontia’ bis zur 3/8 Tarot-Esoterik und dem crunchigen Schamanismus des Verlusts eines Freundes in ‘June 66’, durch die Rache der Frauen an ihren Unterdrückern in dem lauten ‘The Song I Hate’ und dem klagenden Lied für Kurt Cobains Geist in ‘Myberdeen’ bis zum melancholischen Tanz von ‘This Is A Lie’ ist jeder Track ein individuelles Porträt, eine lebendige Figur in unserer Gegenwart.”
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Manchmal gibt es solche Neuaufnahmen, deren Sinn sich nicht sofort erschließt. Im vorliegenden Fall hat man Klassiker der Country-Legende mit einem aktuellen orchestralen Sound unterlegt. Nun gut. Das passt bei manchen Songs ganz gut, mich stört aber, dass The Royal Philharmonic Orchestra kaum zur Geltung kommt. Meist ist es so, dass die sanften Streicher und ähnlich dezente Klangelemente nur in den Pausen in voller Stärke zum Einsatz kommen. Das ist schade.
Die ungewöhnliche Kollektion vereint unsterbliche Klassiker wie “Man In Black”, “I Walk The Line” und “Ring Of Fire” oder Duette mit seiner Frau June Carter (“The Loving Gift”), mit Bob Dylan (“Girl From The North Country”), dem legendären Highwaymen-Quartett und dem inzwischen 82jährigen Gitarristen Duane Eddy, der für die aktuelle Version von “Farther Along” nochmals famos in die Saiten griff.
Aus dem reichhaltigen Song-Fundus seines Vaters wählte John Carter Cash für dieses Projekt die Gesangsparts von zwölf tatsächlich Karriere-umspannenden Titeln aus. “Die tiefe Stimme meines Vaters hatte in gewisser Weise selbst immer etwas Orchestrales an sich. In seinem Timbre schwingen etwa vergleichbar Cello und Horn mit“, schreibt er in den Liner Notes zum Album. “Wäre er heute noch unter uns und sollte ein Orchester auswählen müssen, es wäre mit Sicherheit das RPO gewesen. Er kannte dessen Arbeit und respektierte sie Zeit seines Lebens. Ich weiß, dass mein Vater extrem erfreut darüber wäre, dieses neue Album in dieser Form Realität werden zu lassen. Und auch ich selbst bin äußerst stolz darauf.”
Wenigstens ist die Soundqualität der originalen Tracks sehr gut und hebt sich nicht allzu sehr von den glasklaren Momenten ab, die das Orchester zu bieten hat. Somit ist die 40minütige Zusammenstellung am Ende doch ganz homogen und stimmig. Ich hätte mir aber mehr Mut gewünscht, die akustischen Arrangements stärker zu umspielen und zu überlagern.
Es ist schon Wahnsinn, wen Sheryl Crow hier alles mit an Bord genommen hat, um das neue Album “Threads” aufzunehmen. Ob das auch den Titel erklärt? Hat sie alle Fäden gezogen, um hier die Meisterklasse von Folk und Country zusammen zu bringen? Es kann einem schon Angst machen, wenn eine Ausnahmekünstlerin offen darüber nachdenkt, in Zukunft keine Alben mehr aufzunehmen sondern nur noch einzelne Songs. Und diese Zusammenstellung an Kollaborationen scheint irgendwie zu bestätigen, dass sie tatsächlich neue Wege gehen will.
Stars wie Keith Richards, Don Henley, Stevie Nicks, Bonnie Riatt und Joe Walsh sind mit dabei und verfeinern die Melange aus Country, Rock und Blues. Für “Redemption Day” gibt es ein posthumes Duett mit dem legendären Johnny Cash. Eric Clapton und Sting wirken bei “Beware Of Darkness” mit – so könnte man das Namedropping immer weiter treiben.
Highlights gibt es viele – von emotional und ruhig bis hin zu vorwärtstreibend rockig. Die neunfache Grammy-Gewinnerin hat fast alle Tracks selbst geschrieben. Ausnahmen wie Bob Dylans “Everything Is Broken”, das sie gemeinsam mit Jason Isbell covert, bestätigen die Regel. “The Good Old Days” erinnert tatsächlich an die guten alten Zeiten, “Cross Creek Road” wird mit Neil Young zur kongenialen Country-Ballade, “Prove You Wrong” featuring Stevie Nicks vereint wundervolle Rockstimmen und “The Story Of Everything” bringt moderne Rap-Klänge in Sheryls Musik. Experimentell und frisch.
Sheryl Crow bleibt ein kreativer Geist, der die Menschen zusammenbringt und begeistert. Und die 17 Songs beweisen, dass es das Albumformat braucht, um alle Stücke zu würdigen. Verschiedene Fäden verwebt zu gutem Stoff.
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Liveaufnahmen des 2003 verstorbenen Künstlers aus Nashville sind momentan wieder sehr gefragt. Nachdem bereits am 8. Januar von Johnny Cash das Album „Man In Black – Live In Denmark“ erschien, veröffentlichte Sony Music am 5. Februar das programmatische Livealbum „Koncert V Praze (In Prague Live)“. Dieser Livemitschnitt entstand während Johnny Cashs Tournee durch die Tschechoslowakei im April 1978.
„Koncert v Praze (In Prague Live)“ wurde am 11. April 1978 in der „Sportovní hala“ in Prag aufgezeichnet. Johnny Cash war auf Einladung der tschechoslowakischen Regierung angereist. Der „Man In Black“ fuhr damals mit gemischten Gefühlen nach Prag. Es war ihm nicht klar, wie das Publikum auf seine Musik reagieren würde. Kannte man seine Songs? Konnten die Menschen eigentlich etwas mit Countrymusik anfangen?
Die Vorbehalte erwiesen sich als unbegründet, denn selbstverständlich hatte Radio Freies Europa seine Hits im Programm. Für diese Fans war Johnny Cash ein Symbol des gewaltfreien Widerstandes und der westlichen Demokratie. Nun hatten sie die einmalige Möglichkeit ihren Helden auf der Bühne zu erleben. Innerhalb von zwei Tagen waren sämtliche Shows ausverkauft und 40.000 Zuschauer kamen, um dem Sänger zu sehen. Über den Effekt von Johnnys Live-Shows sagte der damalige US-Botschafter später, sie hätten mehr für die amerikanisch-tschechischen Beziehungen getan als er selbst in vier Jahren seiner Amtszeit.
Der Livemitschnitt wurde ursprünglich (und ausschließlich) 1983 in der Tschechoslowakei als Schallplatte über das einheimische Label Supraphon veröffentlicht. Erst 2012 kam es zum ersten „West-Release“ des Albums als Bestandteil des Deluxe-Box-Sets Johnny Cash: „The Complete Columbia Album Collection“.
Anlässlich des Record Store Day wurde es im April 2015 als limitiertes 180g-Vinylalbum in transparentem Rot aufgelegt und erschien nun am 5.Februar 2016 erstmals außerhalb der Deluxe Box auf CD. Zu hören sind 11 Songs eingespielt mit den Tennessee Three und der Carter Family, darunter Hits wie „Ring Of Fire”, „Big River” oder „Hey Porter”.
Die Aufnahme ist etwas höhenlastig aber altersgemäß okay. Das Publikum ist im Hintergrund zu vernehmen und 45 Minuten Konzertlänge geben zumindest einen Eindruck von der Begeisterung, die mit diesem Auftritt verbunden war. Stimmungsvoll kommen Cashs Ansagen rüber. Das CD-Cover gefällt mir ausgesprochen gut – ein echtes Booklet ist aber leider nicht vorhanden. Nur ein gefaltetes Blatt mit Titelangaben. Nun ja.
Am 6.Oktober 2015 erhielt Johnny Cash einen Stern auf dem „Music City Walk of Fame“ in Nashville. Dort werden in einem eigens angelegten Park Künstler aller Genres geehrt, die sich in der Hauptstadt von Tennessee um die Musikindustrie verdient gemacht haben. Hat er sich verdient.
Um ihren Fans zu gefallen ist jede Band, die etwas auf sich hält, auf der Suche nach der perfekten Setlist. Und alle haben die gleichen Probleme: Zunächst einmal setzt sich die treue Gemeinde meist aus verschiedenen Generationen zusammen, die je nach Alter mit unterschiedlichen Songs groß geworden sind und andere Favoriten haben. Zum anderen haben die meisten Bands auch das kommerzielle Interesse, ihre aktuellen Stücke vorzustellen, um die Albumverkäufe anzukurbeln. Und man hat häufig keine Lust, immer die gleiche Show abzuspulen.
So gibt es denn auch Live-CDs unterschiedlichster Art, die mal essentiell zu nennen sind, mal unter “ferner liefen” abgestellt werden können. Die Reihe von Sony Music “Setlist – The Very Best Of” will dem nun Abhilfe schaffen. Die Liveaufnahmen der einzelnen CDs wurden aus unterschiedlichen Konzerten zusammengestellt und neu digital überarbeitet. Dabei bieten die Alben neben den jeweils größten Hits auch Live-Favoriten der Künstler und teilweise bisher unveröffentlichte Aufnahmen.
Die Tracks folgen – manchmal mit passenden Ansagen – ohne Pause hintereinander. Durch das Remastering hat man das Gefühl, einem homogenen Konzertmitschnitt zu lauschen. Und natürlich ertappe ich mich selbst dabei, wie ich die Tracklist als erstes nach meinem jeweiligen Lieblingssong absuche: Loverboy mit “Turn Me Loose”, REO Speedwagon und “Can’t Fight This Feeling”, Judas Priest – egal, da haut alles rein. Gerade Priest sind das perfekte Beispiel dafür, dass diese Compilation auch funktioniert, wenn sich die verwendeten Konzerte zeitlich zwischen 1979 und 2008 bewegen.
Insgesamt sind es 16 Livealben von populären Rockbands und Interpreten. Folgende Künstler werden mit jeweils einem Livealbum gewürdigt: Alabama, Blue Öyster Cult, Cheap Trick, Elvis Presley, Jefferson Airplane, Johnny Cash, Johnny Winter, Judas Priest, Kansas, Loverboy, Molly Hatchet, Mountain, Quiet Riot, REO Speedwagon, Ted Nugent und Willy Nelson. In jedem Silberling gibt es ein zwölfseitiges Booklet, das zunächst die Geschichte der Band erzählt und dann wichtige Infos zu den einzelnen Tracks gibt. Eine fette Zusammenstellung für Nostalgiker.
In dem Jahrzehnt seit Bandgründung (2001) haben Volbeat es ganz nach oben auf den Rock-Olymp geschafft. So haben die Vier mit ihrem letzten Album “Beyond Hell/Above Heaven” diverse Preise abgeräumt. Neben Platin in Dänemark sowie Gold in Finnland und Schweden gab es auch hierzulande einen edelmetallenen Gold-Award für 100.000 verkaufte Einheiten. Die Mischung aus Rockabilly und Heavy Metal scheint bestens anzukommen. Wer Volbeat bis 2011 noch nicht im Repertoire hatte, konnte bei Rock am Ring sein Aha-Erlebnis erfahren. Am hellen Nachmittag stürmte die komplette Zuschauermeute zur Hauptbühne, um die Dänen in Aktion zu erleben. Da konnte man wahrlich Platzangst bekommen.
Der Sound der Dänen trifft nun mal den Nerv bei den Fans: Die Mischung aus aggressiven Metal-Riffs, Mitsing-Refrains und klassischem Sixties-Flair geht sofort ins Ohr. Diese Stil-Kombination – ein Mix aus Johnny Cash, Elvis Presley und Metallica – funktioniert nicht nur auf Platte bestens, sondern auch live. Und so gehört das fünfte Album mit dem ominösen Titel “Outlaw Gentlemen & Shady Ladies” zu den ganz heiß erwarteten Neuheiten im Jahr 2013. Viel Input gab es im Vorfeld nicht, so kann man nun ganz unverkrampft an das neue Werk heran gehen. Das Desperado-Gesicht auf dem Albumcover ist zumindest sehr aussagekräftig, was die musikalische Ausrichtung angeht.
Und tatsächlich: Schon bei den ersten Hördurchläufen klingt das Album für mich sehr gut durchkomponiert. Wie ein starker Kinofilm, sei er von Tarantino oder Robert Rodriguez produziert. Ein kurzes Intro, ein Spannungsaufbau, der gerade am Anfang und am Ende sehr thematische Songs mit einem Flair von Italo-Western oder mexikanischer Sonne bereit hält, dazwischen ordentlichen Heavy Metal bietet und in der Mitte mit “Room 24” und “The Hangman’s Body Count” zwei krasse Highlights zu bieten hat. So mag ich Rockalben – als Erzählungen, die am Stück funktionieren und dabei nicht unbedingt eine konzeptionelle Geschichte erzählen, aber doch wie musikalische Puzzleteile ineinander greifen.
Die Mischung stimmt, wenn auch manch einer bemängeln mag, dass Volbeat mainstreamiger geworden sind und ab und zu den Weichspüler auspacken. Das ist ganz okay, denn auch der Metalfan freut sich, mal einen Song im Radio zu hören. Im Gegenzug wird an anderen Stellen der Härtegrad ganz hoch gefahren. Dazu trägt vor allem Rob Caggiano bei, der als neuer Gitarrero in Songs wie “The Hangman’s Body Count” den Thrash-Metal von Anthrax ganz hoch hält.
Beginnen wir aber mit dem Rock’n’Roll von “Pearl Hart”. Volbeat sind um einiges melodischer geworden, mischen klassische und moderne Rock-Elemente. Bei solchen Songs sind sie ganz nahe an Bands wie Royal Republic, die diese Gratwanderung ebenfalls wagen. Mit “The Nameless One” und “Dead But Rising” geht es hingegen ganz in die Richtung, die Vorbilder wie Metallica einst eingeschlagen haben. Und für “Room 24” wurde gar King Diamond himself verpflichtet. So bilden harte Metalriffs und Growls das Aushängeschild, das zeigt, was alles möglich ist.
“Lola Montez” ist wieder sehr melodisch gehalten und man nähert sich nach der harten Klimax wieder dem Thema des Albums an. “Black Bart” ist noch ein Power-Titel mit schnellen Passagen, gewidmet dem Outlaw. Doch sogleich folgt “Lonesome Rider”, das als Feature die betörende Stimme von Sarah Blackwood (Walk Off The Earth) mit sich bringt. Mit dieser Rockabilly-Idee sind die musikalischen Gäste King Diamond und Sarah zugleich auch die musikalischen Extreme des Albums in ihrer jeweiligen Richtung. Ein kluger Schachzug.
“Doc Holiday” fährt das Country & Western-Thema rhythmisch versiert weiter und ganz zum Schluss gibt es quasi zum Abspann die Ballade “Our Loved Ones” mit einer harmonischen, schönen Melodielinie. Selten habe ich ein Metal-Album in seiner Gesamtheit so schnell ins Herz geschlossen. Vielleicht ein Zeichen dafür, dass es Puristen am Ende zu seicht erscheinen wird. Mir zumindest gefallen der Facettenreichtum und der durchdachte Aufbau. Volbeat sollen ruhig weiter Geschichte(n) schreiben.
Mit “Sound City” feiert Grammy-Preisträger Dave Grohl, der mit den Foo Fighters und Nirvana in den vergangenen zwanzig Jahren Musikgeschichte geschrieben hat, sein Debüt als Regisseur. Es ist die Dokumentation über eines der legendärsten Studios der Vereinigten Staaten. Wer sich nun fragt, was daran spannend sein soll, der sollte einfach mal einen Blick auf die Liste der Künstler werfen, die dort zwischen 1969 und 2011 zum Teil wegweisende Alben aufnahmen: Tom Petty & The Heartbreakers, Fleetwood Mac, Neil Young, Cheap Trick, Red Hot Chili Peppers, Rob Halford, Kansas, Guns N’Roses, Pat Benatar, Foreigner, Slayer, REO Speedwagon, Kyuss, Weezer und und und… Das Besondere: In Sound City, das in Van Nuys, einem Stadtteil von Los Angeles beheimatet war, wurde bis zum Schluß analog aufgenommen. Das Studio besaß eines von weltweit vier in Handarbeit hergestellten Neve 8028-Mischpulten, für viele das Kronjuwel des analogen Studio-Equipments.
Auf die Idee für seinen Film kam Dave Grohl, als er eben diese Neve-Konsole im November 2011 kaufte und in sein eigenes Studio 606 verpflanzen ließ. 1972 hatten die beiden Sound City-Besitzer Tom Skeeter und der 1992 verstorbene Joe Gottfried dafür exakt 75.175 $ bezahlt. “Es sah aus wie ein altes Modell des Raumschiff Enterprise auf Anabolika”, erinnert sich Neil Young an das Meer aus Knöpfen, Kabeln und Reglern. Nach der Premiere auf dem Sundance Film Festival am 18. Januar erscheint “Sound City” jetzt als DVD und BluRay.
Nach einer genialen Eingangsszene aus dem Foo Fighters-Studio (man beachte das Ölgemälde an der Wand!) tauchen wir ein in die beeindruckende Geschichte von Sound City. Glaubt man den beteiligten Musikern, so war es nicht nur das legendärste, sondern auch das versiffteste Studio in den USA. “Man konnte dort eine Platte aufnehmen und wenn man fünfzehn Jahre später wiederkam, sah alles noch genauso aus wie beim letzten Mal”, sagt Shivaun O’Brien, die von 1991 bis 2011 in Van Nuys als Studio-Managerin arbeitete. Aber egal, wen Dave Grohl für seinen Film interviewt hat – Rick Rubin, Josh Homme, Nick Raskulinecz, Trent Reznor, Butch Vig oder Robert Neve himself, dem er dämlich grinsend gegenübersitzt -, sie alle sprechen mit grossem Respekt und tiefer Zuneigung von Sound City. Darin liegt die eigentliche Intention der Doku: Die Suche nach der Menschlichkeit hinter der Technik. Wie schafft man es, dass Musik nach Menschen klingt? Dass sie eine Seele hat? Shivaun O’Brien bringt es auf den Punkt: “Sound City war ein Ort, an dem echte Männer Platten machten”.
Dafür hat Dave Grohl tief in den Archiven gewühlt. Mit Buckingham Nicks, aus denen später Fleetwood Mac wurden, und “Crying In The Nights” fing es an. Ihnen folgten zahllose weitere Alben, die die Welt veränderten. Für einige, etwa für Rick Springfield, entwickelte sich die Sound City-Crew gar zu einer Art Ersatzfamilie. Als in den 80er Jahren die CD eingeführt wurde und mit ihr der Siegeszug der digitalen Technik begann, konnte Sound City jedoch nicht mehr mithalten. Bis 1991 Nirvana auftauchten und dort “Nevermind” aufnahmen, jenes bahnbrechende Album, das sich schließlich über 30 Millionen Mal verkaufen sollte und – wie Butch Vig nebenbei verrät – lächerliche 60.000 $ kostete. Ohne diese Platte hätte das Studio nicht überlebt. Frank Black, Rage Against The Machine, Johnny Cash oder die Queens Of The Stone Age entdeckten Sound City anschließend neu. Trotzdem war es irgendwann finanziell am Ende. Der endgültige Todesstoß hieß letztlich “Pro Tools”, ein Programm, das es jedem noch so minderbemittelten Musiker ermöglichte Musik (oder was man dafür hielt) am heimischen Computer aufzunehmen. Dennoch verteufelt der Film die digitale Technik nicht. Josh Homme fasst es so zusammen: “Für manche Dinge ist das Internet klasse. Aber wie mit so vielem, ist es kein Ersatz für echte Buchhandlungen, Plattenläden oder Sound City”.
Die Geschichte von Sound City zu erzählen, ist die eine Sache. Die Instrumente tatsächlich nochmal einzustöpseln, sie mit dem Neve-Pult zu verkabeln und wieder auf Zwei-Zoll-Band aufzunehmen, die andere. Genau das tat Dave Grohl mit vielen der alten und neuen Recken, von Stevie Nicks, Black Rebel Motorcycle Club über Slipknot, Rage Against The Machine oder den Foo Fighters bis hin zum auch mit 63 Jahren noch völlig durchgeknallten Lee Ving. Elf der dabei exklusiv für diesen Film entstandenen Songs sind übrigens auf dem bereits vor zwei Wochen veröffentlichten Soundtrack zu finden (dessen Review gibt es hier). Man sieht und hört ihnen den immensen Spaß, die Begeisterung und vor allem den Stolz an, den die Musiker bei den Aufnahmen hatten. Sogar Dave Grohl erstarrt fast in Ehrfurcht, als Paul McCartney sein Studio betritt. Der Zuschauer hat das Gefühl, als würde er daneben stehen und ihnen über die Schulter schauen.
“Sound City” ist mehr als die bloße Hommage an ein Studio. Es ist eine fesselnde Dokumentation über Handwerk, Integrität und Leidenschaft sowie das Plädoyer für eine Musik, die handgemacht ist. Dave Grohl hat der Neve 8028-Konsole damit ein Denkmal gesetzt und ihren besonderen Zauber in 108 Minuten Film verewigt. Sie ist zweifellos ein wichtiger Teil der Rock’n’Roll-Geschichte. Man erlebt hautnah, mit wieviel Herzblut alle, die jemals dort arbeiteten, an ihr und “ihrem” Studio hingen und bis heute hängen. Oder um es mit Tom Petty auszudrücken: “Es war als würde man einen Blitz in eine Flasche packen”.
Die TV-Sendung “Musikladen” war ein wichtiger Teil deutscher Musik- und Fernsehgeschichte. Die von Radio Bremen inszenierte Sendung lief in der ARD von Dezember 1972 bis Ende November 1984 mit insgesamt 90 Folgen. Hinzu kamen noch 59 Folgen “Musikladen extra”. Im Mittelpunkt der legendären Sendung stand die Live-Musik. Als Nachfolger des “Beat Clubs” präsentierte man neben Top Stars auch viele Newcomer, die durch ihre Auftritte in der TV-Show populär wurden. Viele Künstler, die zur damaligen Zeit neue Wege beschritten, oder sich gerade erst künstlerisch etablierten, hatten hier ihren ersten Auftritt. Unterschiedliche musikalische Stile und Moden – von Glam Rock, Prog Rock, Punk, New Wave oder Disco – wurden dort erstmals einem breiteren Publikum im TV präsentiert. Die Liste der Künstler, die in der Sendung auftraten, liest sich wie die Namen in einem Pop- und Rocklexikon: Rod Stewart, Tina Turner, Johnny Cash, Blondie, Meat Loaf, Roxy Music, The Jacksons und viele andere.
Für Nostalgiker und die interessierten Jugendlichen von heute, die gerne wissen wollen, was Mama und Papa anstelle von VIVA und The Dome angeschaut haben, öffnet Sony Music den “Musikladen” neu mit der Veröffentlichung von vier Doppel-CDs und einem 3-DVD-Set. Die CDs sind in unterschiedliche Genres oder Dekaden aufgeteilt. Der Titel steht dabei als Programm. “Musikladen – Die legendären Rock Hits” bietet 40 Klassiker darunter zum Beispiel Heart: “Barracuda”, Thin Lizzy: “Whiskey In The Jar”, BTO: “You Ain´t Seen Nothing Yet”, Ike & Tina Turner: “Nutbush City Limits” oder T. Rex: “20th Century Boy”. Das poppige Pendant dazu: “Musikladen – Die legendären Pop Hits” präsentiert ebenfalls 40 Erfolge, darunter Albert Hammond “It Never Rains In Southern California”, Sony & Cher: “I´ve Got You Babe”, Pat Benatar: “Love Is A Battlefield”, Blondie: “Denis” oder Culture Club “Do You Realy Want To Hurt Me”. Die anderen beiden Doppel-CDs “Musikladen – Die Hits der legendären 70er” und “Musikladen – Die Hits der legendären 80er” bieten dem Titel entsprechend Songs aus dem jeweiligen Jahrzehnt.
Die drei DVDs schließlich bieten einen Best-of-Set durch die Sendungen der 70er und 80er Jahre. Das Ergebnis kommt in ordentlicher TV-Qualität. Leider sind die Songs ziemlich bunt durcheinander gewürfelt und folgen nicht gerade der chronologischen Reihenfolge. Macht aber nix. Der historische Wert entschädigt für vieles. Meine Highlights sind Meat Loaf, Frankie Goes To Hollywood, natürlich die legendären Village People und Bonnie Tylers “Holding Out For A Hero”. So wird jeder in den 476 Minuten Gesamtspielzeit seine eigenen Favoriten ausmachen können. Und das ist gut so.
Das Cover der aktuellen CD von Diana Krall zeigt eine Frau, der man ihr Geburtsjahr (1964) einfach nicht ansehen will. Zeitlos schön – wie die Musik, die sie darauf präsentiert. Die Jazzpianistin und Sängerin aus Kanada hat sich in ihrer Karriere verschiedenen Musikrichtungen verschrieben. Neben den Anfängen in der klassischen Musik herrschte lange Zeit die Lust am Interpretieren bekannter Jazzstandards, bevor sie gar den Weg zum Bossa Nova fand. In dieses Bild passt das neue Album “Glad Rag Doll”, auch wenn es wieder in eine ganz andere Richtung geht.
Diana Krall hat anscheinend großen Spaß daran, Klassiker neu zu interpretieren, ja auf ganz eigene Art wieder zu beleben. Hier ist es nun die Musik der 20er und 30er Jahre. Die Songs entsprechen ganz dem Bild, das man von der Künstlerin auf dem Coverfoto bekommt: verrucht, verführerisch, lasziv. Ihre Stimme klingt, als sei sie direkt aus der rauchigen Pianobar quer durch die Zeit zu uns teleportiert. Eine wundervolle Illusion, die noch dadurch verstärkt wird, dass man die Instrumentalbegleitung sehr antiquiert und authentisch klingen lässt.
Aber keine Angst – das Album ist hervorragend produziert und schafft den Spagat zwischen historischem Klangerlebnis und hörenswerter Interpretation locker. Diana Krall wirkt für eine Jazz-Sängerin ungewohnt locker und geht die Musik mit dem für die 20er Jahre typischen Humor an. Die Vielzahl hochkarätiger Gäste passt sich da perfekt ein. Ganz besonders hervorzuheben sind hier Gitarrist Marc Ribot (Tom Waits, Madeleine Peyroux, The Lounge Lizards, John Zorn, The Black Keys), Keyboarder Keefus Green (Red Hot Chili Peppers, Pearl Jam, Primus, Fishbone, Macy Gray), Bassist Dennis Crouch (Steve Earle, John Mellencamp, Johnny Cash, Alison Krauss, Elton John, Gregg Allman) und Schlagzeuger Jay Bellerose (Curtis Stigers, Bonnie Raitt, Regina Spektor, Joe Henry, Salif Keïta).
Diana Krall selbst spielt ein Steinway-Klavier aus dem zu Ende gehenden 19. Jahrhundert. Auch wer nicht unbedingt ein Freund solcher Musik ist, könnte Freude daran Empfinden, der rauchigen und stellenweise erstaunlich tiefe Stimme zuzuhören. Sie versteht es einfach, die Menschen auf eine Zeitreise mitzunehmen.
Johnny Cash gehört ohne Zweifel zu den wichtigsten Persönlichkeiten der amerikanischen Musikgeschichte. Doch es war ein steiniger Weg von seiner Kindheit in Arkansas bis zu seinem Status als Superstar in Nashville. Über Jahrzehnte hinweg konnte er die Menschen begeistern – und was viele alternde Künstler nicht schaffen: Er erschloss sich eine neue Bewegung an jungen Fans. Dazwischen lagen Drogenprobleme auf der einen und sein unerschütterlicher Glaube auf der anderen Seite. Wer könnte besser darüber erzählen als der Protagonist selbst?
Biographien gibt es viele, doch nur eine namens “Cash” – autobiografisch und in eigenen Worten erzählt, unterstützt von Co-Autor Patrick Carr. “Dieses Buch ist meine eigene Geschichte – was ich fühle, was ich liebe, was geschah, so, wie ich es erinnere…”. Am 26. Februar 2012 wäre Johnny Cash 80 Jahre alt geworden. Der richtige Zeitpunkt, um die deutsche Übersetzung dieses Standardwerks mehr als acht Jahre nach dem Tod der Ikone wieder auf den Markt zu bringen.
Das Buch war Grundlage für den preisgekrönten Kinofilm “Walk The Line”. Es erzählt nicht immer chronologisch die Geschichte Cashs, startet aber nach einer ausführlichen und thematisch umfassenden Einleitung mit der Kindheit als Sohn eines Baumwollpflückers, berichtet von den traumatischen Ereignissen um den Tod des Bruders Jack, gibt aber auch Hinweise, wie Cash die Liebe zur Musik entdeckte. Die Nähe zu Jamaika ist schon früh ein Thema und steht als Gegenpol zur Heimat Arkansas. Und als weiteres tragisches Ereignis wird der Überfall auf Cashs Wohnhaus Jahrzehnte später geschildert.
Dann aber die Liebe zur Musik. Der Karrierestart und der stetige Aufstieg. Die Tablettensucht und Drogenabhängigkeit, geplatzte Träume, die Dämonen, von denen nur der Betroffene wirklich berichten kann. Das Privatleben wird natürlich zum Thema: die erste Ehe, die Kinder und das Verhältnis zu June Carter. Johnny Cash ist dabei schonungslos offen und bietet einen perfekten Blick auf den Menschen hinter dem Künstler. Zum Ende hin wird es etwas ermüdend, wenn Cash bei den Episoden aus seinem Leben munter durch die Zeitebenen streift. Trotzdem lässt sich der Wälzer gut lesen. Und er gibt einen Einblick in die Seele des schwarzen Mannes, den dieser nur selbst gestatten kann.