Das Lumpenpack in Saarbrücken: vom Kleinkunst-Duo zur veritablen Punkband

Begonnen haben Maximilian Kennel und Jonas Frömming ihre Karriere mit Poetry Slam und als Duo auf deutschen Kleinkunstbühnen. Mit einer Mischung aus Singer-Songwriter-Pop, brachialem Humor und feinem Hintersinn gewann das Lumpenpack in den letzten Jahren diverse Contests und Preise. Den kultigen Umgang mit Wortwitz und bedeutungsschwangeren Texten merkt man den beiden bis heute noch in ihren Lyrics und Ansagen an, doch inzwischen haben sie sich mit ihren Mitstreiter*innen zu einer veritablen Punkband gemausert, die am gestrigen Abend die Garage in Saarbrücken dezent zum Kochen brachte. Es war eine grandiose Show zwischen Klamauk und ernsthaften Themen.

Schon früh ging’s um 19 Uhr los und ELL aus dem Odenwald machten den Anfang. Das Duo besteht aus Lisa-Anna und Lennart, sie selbst nennen ihre Musik Krach-Pop. Schon hier wurde im halbstündigen Set schwungvoll der Circle Pit geübt. Nach dem Support ging es zur Einstimmung umgehend mit ausgewählter Musik vom Band weiter, wobei Kollegen wie Die Ärzte, Farin Urlaubs Racing Team, Kraftklub und Billy Talent zu Wort kamen. Den Abschluss machte aber – ganz ohne Punk – die „Bohemian Rhapsody“, vom Publikum grandios mitgeschmettert und pünktlich um 20 Uhr beendet, damit die Band sekundengenau die Bühne betreten konnte.

Mit 800 Zuschauer*innen war die Garage gut gefüllt – und dabei waren viele Generationen vertreten, worauf ich gleich noch zurück kommen werde. „Gibt Schlimmeres“ machte den Anfang und mit „Guacamole“ ging es gleich in die Vollen. Wobei – man war sehr wohl auf das Wohlergehen der Fans bedacht und legte gleich zu Beginn Regeln für die immer wieder entstehenden Circle Pits und Walls of Death fest: Die Ellbogen bleiben unten und die Hände werden nicht wild auf fremde Körper gelegt. Ein schönes Zeichen von Awareness, damit alle sich wohlfühlen können.

„Kann es sein, dass du dumm bist?“ war die erste Mitsing-Hymne des Abends. „Gisela“ wurde ausführlich gewürdigt, aber auch die Gilde der „Heilpraktiker“, wobei man aus dem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen und von Krankheiten in der Kita erzählen konnte. Das Publikum vom Lumpenpack ist immer für eine Überraschung gut, so warf eine Zuschauerin ihre Krankenversicherungskarte (!) auf die Bühne und die Band erfreute sich gemeinschaftlich am kultigen Namen Antonia Trinkaus.

In der ersten Reihe befand sich eine große Schar an – zum Teil noch ziemlich kleinen – Kindern, schätzungsweise im Grundschulalter. „Habt ihr Ferien?“, kam die Frage von der Bühne. „Ja, aber ihr zum Glück nicht“, kam die schlagfertige Antwort von Aaron, der ganz vorne stand. Zugleich meldete sich ein weiterer Aaron zu Wort und ein Mädel verkündete, dass sie eine Klassenkameradin von Aaron sein. Das kleine Publikum hatte die Band zeitweise fest im Griff.

Im Gegenzug gab es dann eine Lehrstunde in Sachen deftiger Wortwahl: 800 Kehlen brüllten „Ich scheiß mich ein“, als der Song „Unverträglichkeiten“ erklang. Und ein Roadie mit riesigem Kochlöffel bat die Menge zum riesigen Circle Pit und rührte kräftig um.

Ganz nach dem Motto „Die Geister, die ich rief“ gingen Dutzende Hände hoch, als die Frage nach anwesenden Pädagog*innen gestellt wurde. Logisch, gehört doch „Pädagogen“ zu den kultigsten Songs aus den Duo-Zeiten. Zu „Ford Fiesta“ begab man sich später in ein viel zu großes Schlauchboot in Form eines Autos und bereiste die Garage auf den Händen der Fans, während die Band die Vocals übernahm.

Neben diesen Klassikern gab es aber vor allem Songs des neuen Albums „Wach“, das erst Ende August erschienen ist und fast komplett gespielt wurde. Dass viele Anwesende trotzdem äußerst textsicher waren, beweist den Kultcharakter, den das Lumpenpack seit langem hat. Nach 100 Konzertminuten begann der Zugabenblock mit drei Songs: Für „Danke, liebe Leber“ musste das Publikum komplett auf die Knie gehen, um diesem wichtigen Organ zu huldigen. „Mein Hass“ wandte sich gegen alle Idioten dieser Welt und der Mottosong „Frieden durch Lärm“ beendete pünktlich nach zwei Stunden das Konzert.

Yes! Das Lumpenpack kann mehr als Kleinkunst, denn ihre Konzerte werden immer größer. Vor der deutschen Punk-Elite muss man sich schon lange nicht mehr verstecken. Und das Gleichgewicht zwischen Comedy und den großen politischen Themen haben sie längst gefunden. Auf die nächsten zwölf Jahre!