Arch Enemy, 14.12.2019, Oberhausen
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An diesem lauen Sommernachmittag erwartet die Freunde des Heavy Metal zwischen der Oberhausener König-Pilsener-Arena und dem Gasometer ein riesiges Open-Air Gelände. Iron Maiden geben ihr einziges NRW-Konzert und kein Wunder: es ist ausverkauft. Die Sonne scheint, das Bier läuft in Strömen, es ist gute Stimmung – Festivalatmosphäre für die Dauer von immerhin vier Bands!
Die Engländer von Voodoo Six eröffnen gegen 17.30 Uhr mit „Falling Knives” das Set. Außerhalb der Insel in Europa noch recht unbekannt, hofft die Band um Sänger Luke Purdie als Support von Iron Maiden mehr Bekanntheit auf dem Festland zu bekommen. Das dürfte der Band nicht schwer fallen – die druckvollen Gitarren und der charakteristische Gibson Sound, der rockig-rauchige Gesang gepaart mit viel Spielfreude, lässt den Stoner Rock gut ankommen. Eine gute halbe Stunde hat die Band Zeit das Publikum zu überzeugen u.a. auch mit neuem Material der CD „Songs to Invade Countries To” „Sinkor Swim”. Passenderweise beenden sie das Set mit „Long wayfrom Home” und geben die Bühne frei für Ghost. Irgendwie bin ich sehr gespannt auf die Band, die in aller Munde ist und kann es mir nicht verkneifen, die Augen zu rollen, als die fünf Namenlosen Schweden im schwarzen Habitem und Kapuze und Star Wars ähnlicher Maske begleitet von Kirchengesang und Geigensound die Bühne betreten. Als der Sänger in seinem schwarzen Papstkostüm auf die Bühne kommt und seinen wenig anspruchsvollen, schiefen Gesang darbietet, habe ich mein Urteil für den Abend bereits gefällt: die Band passt nicht in das Vorprogramm von Iron Maiden und der Meinung sind die restlichen Fans auch, denn es hagelt Buh-Rufe nach den Songs. Die Show ist wenig anspruchsvoll, Songs wie „Night of the Witch” und „Prime Mover” mögen das Publikum nicht begeistern und das Konzept „mehr Schein als Sein” rächt sich: wenig Applaus von den Maiden-Fans.
Umso besser, dass Sabaton dieses Fiasko retten können. Wüsste ich nicht, dass Iron Maiden der Headliner des Abends ist, könnte ich meinen, alle sind wegen Sabaton gekommen. Die Band mit den Tarnhosen wird umjubelt, beklatscht, lauthals umsungen und nach jedem Song ertönen scharenweise Sabaton-Rufe im Takt aus dem Publikum. Die Schweden bedanken sich mit einer tollen Show gemischt aus ehrlicher Spielfreude, Wirbelwindakrobatik des Sängers Joakim auf der Bühne (kaum eine Minute, die er nicht springt oder über die Bühne hin-und herläuft – kein Wunder in seinen sportlichen Fivefinger-Schuhen!) und witzigen Ansagen (teils sogar auf Deutsch) zwischen den Songs. Zwei Mal wird Joakim vom Publikum mit Rufen überredet, Flaschenbier auf Ex auszutrinken und mit neuen „Noch ein Bier”-Rufen zu noch mehr Trinken aufgefordert. Unter anderem gibt die Band„Into The Fire”, „Swedish Pagans”, das schwedische „KarolinensBön” des neuen „Carolus Rex”-Albums. und das beliebte „Primo Victoria”zum Besten, um mit „Metal Crew” das Seit zu beenden. Joakim hat sich zumindest für den letzten Song von seiner Sonnenbrille entledigt – wohl auf den Anblick eines Mädels im Publikum, das ihm ihre nur noch vom BH bedeckten Busen entgegenstreckt. Immerhin wirft er seine Brille zum Abschied ins Publikum. Erstaunlich: etliche Zugaberufe, die jedoch leider unerhört bleiben müssen. Schade!
Die Bühnenumbauten für Iron Maiden machen klar: die Band hat eine neue Bühnendeko dabei – mitten im Sommer hält auf der Bühne die Eiszeit ein. Um 20.45 Uhr startet „DoctorDoctor” als Opener vom Band und bevor die Engländer die Bühne stürmen, wird die Bühnendeko von zwei Roadies komplett enthüllt. Die Show startet mit „Moonchild” und führt gut 1 Stunden 45 Minuten als gelungene Mischung zwischengroßen Klassikern. Feuerfontänen, Pyrothechnik, zu den Songs ständig wechselnde Backdrops, fünf riesige über der Bühne auf- und abfahrende Lichtformationen und ein gewaltiger Laufsteg für Bruce auf der Bühne machen das Konzert zum Augenschmaus. Gitarrist Janick wirbelt seineFendergitarren akrobatisch auf der Bühne herum und tänzelt in leichten Schritten gitarrespielend auf und ab. Immer wieder lehnt er sich locker und kippelnd in eine Box, schwingt sein Bein drauf und zeigt wie agil er noch in seinem Alter ist. Auch der Rest der Band scheint nicht spielmüde zu werden, auch wenn seit gut drei Jahren noch kein neues Studiomaterialerschienen ist. Bruce Dickinson ist wie ein junger Teenager, springt in die Luft, über Lautsprecherboxen, läuft in wechselnder Kleidung passend zu den Songs von einer Bühnenseite zur anderen. Und immer wieder taucht Maskottchen Eddie auf: als laufende, überlebensgroße Puppe zu „Run to the Hills” (mit der Band ständig in Interaktion)oder wird hinter Drummer Nicko in unterschiedlichen Ausführungen hochgefahren. Eine routinierte, sehr professionelle Live-Show mit drei Zugaben – leider um 22.30 Uhr zu Ende. Das Outro „Always look on the bright Side ofLife” tröstet uns Metalfans trällernd und pfeifend beim Verlassen des Geländes darüber hinweg, dass es keine weiteren Zugaben gibt.
Setlist Maiden in Oberhausen:
Maiden England Tour 2013
11.800 Fans haben dafür gesorgt, dass die Arena komplett ausverkauft ist. Jetzt warten sie alle auf die Show der amerikanischen Lady. Ein bisschen Geduld ist noch angesagt. Damit es kurzweilig wird, hat Pink die Band Churchill mitgebracht. Ebenfalls aus Amerika. Sie begleiten Pink bei ihrer Deutschlandtour. Sie sorgen schon vorab für Begeisterung. Nach etwa einer halben Stunde tritt Ruhe ein. Doch auf einmal hört man Gelächter. Ein Clown geht durchs Publikum und macht Faxen. Er hält später auch die Vorrede. Die Bühnenszene: Links und rechts auf der Bühne 2 Treppen. In der Mitte eine Empore. Dahinter Backdrops, die das Thema der Tour in etwa widerspiegeln. Dann ist es soweit …
Die Band: Schlagzeuger, Keyboarder, Gitarrist, Bassistin und eine Gitarristin, die Pink im Gesang unterstützt. Als Opener erklingt “Raise your Glass” und auf einmal schießt Pink aus dem Boden; gehalten von Bungee-Seilen sowie starken Männerarmen. Sie zeigt neben ihrer phänomenalen Stimme, dass sie auch richtig topfit ist. Der erste Teil ihrer Show ist eher durch Lieder mit viel Power , wie “Just like a pill” oder “U+Ur hand” getragen. Aber auch bei “Try” hängt sie wieder in den Seilen, natürlich, dem Song entsprechend, etwas tragischer. Gespannt war ich ein bisschen auf “Just give me a Reason”. Ist Nate Ruess dabei? Nein, er ist nur auf der Leinwand zu sehen und seine Stimme erklingt vom Band. In den Übergängen zu den einzelnen Teilen der Show zeigen ihre Begleiterinnen und Begleiter fantastische Tanzeinlagen, wobei Pink dabei unbedingt mithalten kann. Nicht nur Action findet auf der Bühne statt, es gibt auch noch die gefühlvolle, melancholische Pink. Ihren Song “Who knew” singt sie in Begleitung einer Akustikgitarre, gespielt von ihrem hervorragenden Gitarristen.
Eine fantastische, energiegeladene Frau, die ihre Songs stimmungsvoll darbietet. Sie hat Klasse, sie freut sich über die Geschenke, die ihr gereicht werden. Sie schüttelt Hände. Sie wirkt nett und sehr symphatisch. Ihre Fans danken es ihr, in dem sie mitsingen, applaudieren, richtig mitgehen. 19 Songs leistet sie mit ihrem “Team” ab. Pink, die Band, zwei hervorragende Background-Sängerinnen, 5 Tänzerinnen, 3 Tänzer sowie der Komiker verabschieden sich kurz vor 23.00 Uhr bei den Fans.
Die Bilder zur Show gibts hier: Pink Fotos aus Oberhausen
Die Setlist:
1. Raise your glass
2. Walk of shame
3. Just like a pill
4. U+Ur hand
5. Leave me alone
6. Try
7. Wicked game
8. Just give me a reason
9. Trouble
10. Are we all we are
11. How come you’re not here
12. Sober
13. The great escape
14. Who knew
15. Fuckin’ perfect
16. Most girls
17. Slut like you
18. Blow me
19. So what
Krawall und RemmiDemmi!
Oberhausen, Freitagabend, Elektromusik auf großer Leinwand, in Müllsäcken gehüllte Menschen, das ist ein Deichkind-Konzert: Leider Geil!
Weit sind sie schon rumgekommen, Deichkind auf ihrer Tour „Befehl von ganz unten”; eine Show die vor aberwitzigen Ideen, tanzfreudiger Musik und gewitzten Texten nur so strotzt. Eine irre Bühnenshow mit einer großen Portion Trash gepaart dazu aufwendige Kulissen und verrückte Kostüme die dieses Spektakel perfekt machen.
So eben auch an diesem Abend in Oberhausen, als Deichkind die König-Pilsener-Arena in eine neonfarbene Ufo-Landebasis verwandelt. Ein gelungener Mix aus neuen Songs und den alten Klassikern bedient so ziemlich jeden Deichkind-Fan im Saal.
Wer kann schon widerstehen, wenn bei „Roll das Fass rein” ein riesig großes Fass reingerollt wird, in dem die gesamte Band singt und tanzt und Faxen macht, nur um es danach an Stahlseile zu hängen und eine Figur im Anzug darauf „The Power of Love” schmettern zu lassen.
Eine Freakshow, ein Zirkus, eine riesen große Party: Deichkind feiern das Fest ihres Lebens und lassen uns alle mitfeiern.
Eine blitzende und blinkende Sonnenbank, Laser, Schwarz-Weiße Täuschungsmanöver und jede Menge bunte Farben lassen ihre Konzerte im besten Lichte erscheinen, sind aber auch weniger geeignet für Epileptiker; nichtsdestotrotz, nichts dürfte anders laufen.
Erst recht nicht die Songs, die Deichkind einst so bekannt gemacht haben: „Bon Voyage”, „Komm Schon!” oder „Limit”. Diese gab es natürlich auch, und nicht nur das, man durfte ebenfalls zu „Aufstand im Schlaraffenland”, „Voodoo”, und „Hoverkraft” das Tanzbein schwingen.
Dass Deichkind nicht viel von Youtube-Gema-Sperren halten dürften die Fans natürlich schon wissen, allerdings lassen sie sich nicht nehmen, das auch auf ihren Konzerten kund zu tun, so gab es dann auch „Illegale Fans”, gegen das System „Arbeit nervt” und „Bück dich hoch”.
Schade war, dass sie es sich haben nehmen lassen, unsere Herzen mit Hack zu füllen, sodass es in Oberhausen keine Hackherzen für das geneigte Publikum gab, und auch ansonsten die Akustik ein wenig hinten anstehen musste.
Dennoch ist es immer wieder ein wahres Vergnügen und ein kleines Spektakel, sich die Hip-Hop-Elektro Super Dance Band anzusehen, mitgerissen zu werden und sich die ein oder andere verrückte Idee in die Warnweste zu stecken um Zuhause selbst ein bisschen Deichkind zu sein.
Wisst ihr also wie die Band heißt, die die Party rockt?
DEICHKIND!
Bekannt wurde Peter Gabriel in den frühen 70er Jahren als Gründungsmitglied und Frontmann von Genesis. Nach seinem Ausstieg 1975 startete er eine erfolgreiche Solokarriere. In seinen Videos, etwa in “Sledgehammer” oder “Big Time”, verwendete er völlig neue Animationen und Spezialeffekte. 1992 erschien sein Album “Us”, dem eine Welttournee folgte, die ebenfalls neue Maßstäbe setzte. Die Show wurde auf einer eckigen und einer runden Bühne aufgeführt, die mittels eines Stegs miteinander verbunden waren, und glänzte mit einigen, für die damalige Zeit ausgefallenen Requisiten.
Am 16. und 17. November 1993 trat Peter Gabriel im Rahmen seiner “Us”-Tour in Modena auf. Der dabei entstandene Film “Secret World Live” wurde mit einem Grammy Award ausgezeichnet und war lange nur auf VHS und CD erhältlich. 2003 folgte eine erste DVD-Veröffentlichung, jedoch in eher bescheidener Qualität. Nun erscheint “Secret World Live” erneut auf DVD (sowie parallel als Blu-Ray), zur Freude der Fans allerdings mit der gegenwärtig modernsten Technik restauriert und remastert. Einmal mehr wird deutlich, welch überaus charismatischer Bühnenmusiker Peter Gabriel war und bis heute ist, wovon ich mich zuletzt erst bei seinem Auftritt in der Oberhausener König Pilsener Arena überzeugen konnte. “Secret World Live” bietet das komplette 16 Songs lange Set aus beiden Abenden.
Die italienischen Fans empfangen Peter Gabriel mit einem Meer aus Feuerzeugen. Gabriel wird zum Opener “Come Talk To Me” in einer dieser alten englischen Telefonzellen aus dem Boden gefahren. Er singt das Stück im Duett mit Paula Cole, deren wunderbare Stimme ihn noch des öfteren unterstützt, besonders während “Blood Of Eden”. Nachdem er das Publikum in dessen Muttersprache begrüßt hat, künden weiße Dampfsäulen von “Steam”, dem “Across The River” folgt. Die Band wechselt an das Kopfende des Stegs indem sie mit einem imaginären Boot, an dessen Ruder Peter Gabriel steht, über die Bühne “fährt”. Ein beeindruckendes Bild! In einer Mischung aus La Ola-Welle und Polonaise zelebriert das Sextett “Shaking The Tree”. Sogar der passende Baum fehlt nicht. Gabriel rennt und tänzelt von rechts nach links, von vorne nach hinten und wird dabei erneut von Tausenden Feuerzeugen (keinen Handy-Displays!) illuminiert. So vital ist er heutzutage nicht mehr.
Weitere Höhepunkte der insgesamt 102 Minuten langen Show sind der Klassiker “Solsbury Hill” oder “Digging In The Dirt” mit einer am Kopf von Gabriel befestigten Gesichtskamera. Auch zu diesem Song drehte er damals ein aufwändiges Video. Bei “Secret World” erscheint ein Koffer auf der Bühne, in dem die Musiker nach und nach verschwinden. Peter Gabriel wird von einer Art überdimensionalem UFO verschluckt, aus dem dann alle wieder auftauchen und das tränenfeuchte “Don’t Give Up” performen. Zum Equipment gehört auch eine Kamera oberhalb der Bühne sowie eine riesige rotierende Leinwand. Auf der Bühne herrscht eine fast schon familiäre Atmosphäre und die Protagonisten haben sichtlich Spass an dem was sie da tun. Jeder Song für sich ist absolut grossartig und die Gänsehaut ein ständiger Begleiter. Der kanadische Theaterregisseur Robert Lepage und Francois Girard als verantwortlicher Regisseur des Films haben all dies wunderbar in Szene gesetzt und ein zeitloses Dokument höchster musikalischer Klasse geschaffen.
Hinzu kommen ein fettes Booklet mit jeder Menge Fotos und vor allem noch einiges an Bonusmaterial. Zum ersten ein 15-minütiges “Behind The Scenes” inklusive eines Interviews mit Peter Gabriel, in dem er über das ausgefeilte Bühnenkonzept und die Umsetzung der Special Effects spricht. Desweiteren zeigt eine Timelapse vom Set Up in Berlin in drei Minuten den Bühnenaufbau, den Einlaß, das Konzert und den Abbau im Zeitraffer. Schräge Idee! Ebenfalls als Bonus gibt es eine neu restaurierte Foto-Slideshow zur remixten Orchesterversion von “Steam” und last but not least “The Rhythm Of The Heat” von der “New Blood: Live In London”-Show 2011. Hier merkt man in Bild und Ton dann doch einen deutlichen Unterschied zum älteren Material von Modena, auch wenn das qualitativ tatsächlich um Längen besser ist als 2003.
Fazit: Peter Gabriel verfügte schon immer über die besondere Fähigkeit, seine Fans in das Treiben auf der Bühne einzubeziehen. Selten zuvor wurde dies besser dokumentiert als auf “Secret World Live”. Und dafür gibt es auch 19 Jahre später noch die Höchstwertung!
Oberhausen trägt schwarz! Das die Ärzte am Samstag in der Stadt sind, ist in Oberhausen leicht zu erraten. Das nah an der König-Pilsener Arena gelegene CentrO, sowie die Promenade, sind voller Fans in DÄ Shirts. So viele schwarze Shirts wurden auf der Promenade wohl lang nicht mehr gesichtet. Das Wetter ist super sonnig und die Fans machen es sich gemütlich vor der Arena. Schade, dass es sich hierbei nicht um ein Open Air Konzert handelt, das wäre bei dem Wetter perfekt gewesen, Sonne, Bier und die Ärzte. Die Stimmung scheint gut und ein Hauch Aufgeregtheit liegt in der Luft, als es für die Meute heißt, das es nun endlich rein geht. Fix füllt sich die Halle und die Gastrobetreiber erfreuen sich an dem reichlichen Bierfluss an diesem Abend. Das Publikum ist, wie oft bei der besten Band der Welt, bunt gemischt. Vom Kleinkind bis zum Großvater ist hier alles vertreten. Für die lieben Kleinen war die Vorband allerdings nichts. Pünktlich um 19.30 Uhr stehen K.I.Z., eine Hip-Hop Gruppe, ebenfalls aus Berlin, auf der Bühne und versuchen ihr bestes dem Publikum einzuheizen. Da die Formation wohl weiß, wie ihre Texte wirken, fangen sie mit seichteren Texten an und starten Pogo-Versuche und weitere Einheizungsversuche. Texte wie ‚Riesenglied‘, angelehnt an den Song der Absoluten Beginner ‚Liebeslied‘, kommen nicht bei allen Besuchern an. Buhrufe hört man des Öfteren. Ob man die zynischen, sexistischen und sehr provokanten Songs mag, bleibt jedem selbst überlassen, aber muss man es wirklich so übertreiben? Über Geschmack lässt sich hier sicherlich bestens Streiten.
Zum Glück betritt dann auch bald die Band des Abends die Bühne, die beste Band der Welt, die Ärzte aus? Aus? Aus Berliiiin! Nach der halbstündigen Umbauphase ertönt aus den Boxen eine Stimme die die Ärzte ankündigt, witzig und spannungsfördernd zugleich. Dann beginnen die Ärzte auch schon ihr Set, alle hübsch in schwarz gekleidet und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Das erste Lied des Abends ist ‚Punkrock‘. Die Fans singen mit, klatschen und kreischen ihre Götter an, so soll es sein. Die Ärzte sind für ihre geladene und lange Show bekannt, und das Publikum wird auch diesmal nicht enttäuscht. Die Jungs sind gut drauf und ‚reißen ständig Witze‘, auch wenn Bela B. Farin oft ermahnt, nicht so viel zu reden. Egal, lass ihn reden, wir wollen hören, was er zu erzählen hat! Wortgewandt wie immer entertaint die beste Band der Welt die Massen. Die obligatorischen Laola-Wellen dürfen da natürlich nicht fehlen und werden vom Publikum in Perfektion ausgeführt. So gefällt es Farin, dem kleinen Dikatator sehr gut. Aber man soll die Götter ja auch zufrieden stellen. Mission des Publikums erfüllt. Dafür belohnen die Ärzte uns mit einer tollen Show und einer guten Setlist, Songs wie ‚Hurra‘, ‚Deine Schuld‘, Schrei nach Liebe‘ und ‚Ist das Alles‘, dürfen da nicht fehlen. Als die Lieben ankündigen ihr letztes Lied zu spielen, reagiert das Publikum so: nämlich gar nicht. Spielend empören sich die Ärzte und kommen nach dem letzten Lied wieder auf die Bühne. Netterweise spielen sie drei weitere Songs, unter anderem ‚Unrockbar‘, das erfreut das Ärzte-Fan-Herz. Unter tosendem Applaus verlassen Bela, Farin, Rod die Bühne, um dann nach kurzer Teepause wieder auf der Bühne aufzutauchen. Überraschung. Wer keine DÄ-Konzert-Jungfrau ist, weiß das die Show immer so schön lange dauert und hofft auf ein weiteres zurückkommen der Jungs. Enttäuscht wird man nicht, denn schwupps, sie sind wieder da! Mit dem letzten Lied des Abends ‚Zu Spät ‘ verabschieden sich die Götter in schwarz, nach 35 1/2 Songs, in die Nacht. Schunkelnd verlassen die Fans mit einem zufriedenen Gesicht die Arena, und das ist doch das, was zählt.
Zugegeben, Peter Gabriel war zwischenzeitlich etwas von meinem Radar verschwunden. Die letzte meßbare Ortung dürfte sein elftes Studioalbum “Up” von 2002 gewesen sein. Dabei hat er mit “Solsbury Hill”, “Games Without Frontiers” oder “Sledgehammer” entscheidend zu meiner musikalischen Sozialisation beigetragen. Im vergangenen Jahr wurde ich wieder auf ihn aufmerksam, als er mit “New Blood” einige seiner Songs in orchestralen Versionen neu interpretierte. Selten ist die Kombination zwischen Pop und Klassik so souverän gelungen wie dort.
Ein weiteres Merkmal Peter Gabriel’s sind seit jeher seine spektakulären Live-Shows. Ich erinnere nur an die bewegliche Rundbühne der “Growing Up”-Tour, als er sich in einen durchsichtigen Riesenball quetschte, mit dem Fahrrad über die Bühne fuhr oder kopfüber an der Deckenkonstruktion entlang lief. Auf ähnliche Turnübungen müssen die Zuschauer heute Abend in der König Pilsener Arena allerdings verzichten. Da Gabriel mit dem fast 50-köpfigen New Blood Orchestra unterwegs ist, wäre dafür auch gar kein Platz. Außerdem ist der Mann im Februar 62 Jahre alt geworden. Und so mag er es – ebenso wie sein Publikum – mittlerweile eher gediegen.
Dafür spricht, dass die fast ausverkaufte Oberhausener Arena komplett bestuhlt ist. Die Fans sind ganz offensichtlich mit ihrem Idol alt geworden, einige von ihnen haben sich sogar richtig in Schale geworfen und dem Anlaß entsprechend Anzug und Abendkleid angelegt. Im Innenraum wird Sekt aus Plastik-Piccolos ausgeschenkt. Ich komme mir in meinem “Toronto Rock City”-Pulli leicht deplatziert vor, was sich jedoch schnell legt, als Peter Gabriel pünktlich um 20 Uhr die Szenerie betritt und wir alle im freudigen Applaus vereint sind. Charmanterweise begrüsst er uns auf (von Zetteln sicher abgelesenem) Deutsch und kündigt mit Rosie Doonan den Support-Act selbst an. Rosie Doonan sieht sehr zerbrechlich aus, wie sie da barfuß am Bühnenrand steht und zur Pianobegleitung zwei elfenhafte Lieder singt, bevor sie nach nur zehn Minuten ebenso schnell wieder verschwindet wie sie gekommen ist.
Nach fünf weiteren Minuten sehen wir sie aber schon wieder, denn sie ist gleichzeitig eine der beiden Backgroundsängerinnen von Peter Gabriel. Das heißt, erstmal sehen wir garnichts. Gabriel ist ebenso wie das Orchester nur zu hören. Unser Blick wird von einer roten LCD-Wand versperrt, auf der wir im Verlaufe des Konzertes noch zahlreiche Videoinstallationen bewundern dürfen. Schließlich gleitet sie nach oben und mit dem David Bowie-Cover “Heroes” beginnen 120 opulente Minuten für Auge und Ohr. Der Orchestersound ist bombastisch und erzeugt im Gleichklang mit dieser schon aus alten Genesis-Tagen wohlvertrauten Stimme ein solides Gänsehautgefühl. Zwei Leinwände rechts und links der Bühne sowie eine weitere in deren Hintergrund sorgen für beste Sicht bis in die letzte Reihe. Nach “Wallflower” und “Après Moi” (im Original von Regina Spektor) kramt Gabriel erneut in seinen Deutsch-Zetteln, was er noch häufiger machen wird, um die Stücke mit kurzen Geschichten einzuleiten.
Der Einstieg gerät etwas zäh. Es ist halt wenig Bewegung auf der Bühne, obwohl Dirigent Ben Foster und seine Musiker einen grossartigen Job machen. Gabriel stellt sie während des Konzertes bestimmt zehnmal vor und lässt ihnen immer wieder Raum und Zeit zu Instrumentalpassagen, während derer er die Bühne verlässt. Das wirkt für jemanden von seinem Status durchaus sympathisch, fast schon bescheiden. Ab “Secret World” springt der Funke dann endlich auch auf die Halle über. “Digging In The Dirt”, das im klassischen Gewand kaum wiederzuerkennen ist, erntet begeisterte Ovationen, ebenso wie das schon in der Ursprungsversion wunderschöne “Mercy Street” oder “Red Rain”, bei dem die Videowände alles hergeben, was sie an visuellen Effekten haben. Dann folgt “Solsbury Hill” und spätestens jetzt hält es niemanden mehr auf den Sitzen. Zu “Biko”, das sehr zu meiner persönlichen Freude gespielt wird, recken alle die Fäuste. Ein emotionaler und krönender Abschluß des Mainsets!
Die Zugaben halten mit “In Your Eyes” und besonders der Kloß-im-Hals-Nummer “Don’t Give Up” noch zwei weitere Höhepunkte bereit. Letzteres leider nicht im Duett mit Kate Bush, aber Rosie Doonan vertritt die britische Sängerin mehr als würdig. Das Instrumental “The Nest That Sailed The Sky” (mit dem Meister am Piano) schickt uns dann “nach Hause und ins Bett” (O-Ton Gabriel). Während die restlos begeisterten Fans dazu offenbar noch keine Lust haben und lautstark nach weiteren Zugaben verlangen, hüllt sich Peter Gabriel beim Abgang von der Bühne in einen weißen Bademantel und verschwindet durch den Hinterausgang. Er hinterlässt ein verzaubertes Oberhausen.