Kurt Krömer in Trier: Von Kackbratzen und rechten Pocken
Kurt Krömer – die Berliner Kultschnauze – war mit seinem Programm „Stresssituation“ in der Europahalle Trier. Schon der Start seiner Show begann mit einer umfassenden Publikumsbeschimpfung. Man weiß, worauf man sich einlässt – vor allem wenn man in der ersten Reihe sitzt.
Alexander Bojcan, der Berliner aus Neukölln, entlieh seinen Künstlernamen Kurt Krömer der Sage nach von seinem Deutschlehrer. Ob dieser genau so cholerisch war wie die Bühnenfigur? Zumindest heißt es, dass der Schüler ihn sehr mochte. Inzwischen jedenfalls ist Kurt Krömer das Sinnbild für das Großmaul im konservativen Anzug, das auf der Bühne vollkommen ausrastet und sich gerne mal in Publikumsbeschimpfungen verliert. Dabei ist eine optische Ähnlichkeit zu Jens Spahn nicht von der Hand zu weisen.
„Stresssituation“ ist das mittlerweile sechste Stand-up-Comedy Programm, mit dem Krömer seit Anfang 2018 überaus erfolgreich durch Deutschland reist. Eine garantierte Stresssituation für Tränensäcke, Lachmuskeln und ein tatsächlich ungewohnt provokantes Programm, mit dem Krömer selten ein gutes Haar an Politik, Gesellschaft und dem anwesenden Publikum lässt. Hier kommt keiner ungeschoren davon: weder Omas Couchtisch noch Krömer selbst.
Viel braucht es dazu nicht, wenn Kurt Krömer auf der Bühne sitzt: Tisch, Stuhl und Kiste – dann kann es los gehen. Er regt sich über das hässliche Publikum auf, berichtet von seinen Erlebnissen als Föhnmutti in der Kita, zieht über Lehrer her, bei denen als Qualifikation das Seepferdchen reicht, sinniert übers Rauchen im Auto – und auch die rechten Pocken von der AFD bekommen ihr Fett weg.
Manchmal muss auch ein Raunen durchs Publikum gehen, wenn er davon berichtet, dass in vielen Städten neue Schulen nach Vororten von Aleppo benannt werden. Oder wenn er typisch deutsche Eigenschaften aufzählt: „AFD wählen und zum Ficken nach Thailand“.
Vor allem der Dialog mit dem Publikum ist ein Genuss. Wer ihm Widerworte gibt oder einen unbedachten Zuruf wagt, wird mit der hohen Kunst der Improvisation bedacht und kann sich kaum noch retten vor überschäumenden Beschimpfungen. Auch Security und Fotografen bleiben nicht von seinen Tiraden verschont. Als er eine Zuschauerin höflich aus dem Saal eskortierte, kamen fünf wieder rein. Das waren Momente, in denen selbst Krömer die Welt nicht mehr verstand. Und Björn aus Weiskirchen wurde aufgrund seiner weiten Anreise (30 km) zu umfassenden Liebkosungen auf die Bühne geholt. Die Lachtränen bei den übrigen Zuschauern waren vorprogrammiert – Schadenfreude ist ja bekanntlich die schönste.
Im zweiten Teil ging es um das Unverständnis für Körperkult („Mein Körper stößt Sport ab“), um aggressive Meerschweinchen und Streiche mit der Alexa-Box. Ein Programmhöhepunkt war sicherlich Kurts Spiel mit seiner Zahnprothese. Und man nimmt es ihm ab, wenn er kurz aus der Rolle fällt: „Eigentlich sollen da ja schon seit Monaten Implantate rein, aber die Nummer mit dem Provisorium gefällt mir so gut. Das muss ich noch bis Dezember durchhalten“. Im Gegensatz zu anderen Komikern macht Krömer auch keinen Hehl aus seinem richtigen Namen – und er spielt damit, dass Krömer ja nur eine Figur ist. Wenn er dann aber brüllt: „Ich bin Schauspieler, versteht ihr?“ bekommt man Zweifel, ob der echte Alexander nicht ebenso cholerisch ist wie die Figur.
Im Zugabenblock ging es (natürlich) um den Corona Virus und um Baden im Bidet – sportliche Vorführübungen inklusive. Dann kam er nochmal zum Rauchen in die Kulisse, weil man das ja in der Garderobe nicht darf. Krömer amüsierte sich über die bereit stehenden Feuerwehrleute rechts und links und gab zum krönenden Abschluss einen Notfallpatienten, der mit akrobatischen Verrenkungen erklärte, wie die Kugelschreibermine zufällig in seinen Pullermann geraten ist.
Das Publikum stand Kopf und der Comedian erntete stehende Ovationen, bis er die Zuschauer förmlich nach zwei Stunden Dauerfeuer aus dem Saal jagte. Kurt Krömer ist ein schrulliger, gnadenloser Kabarettist mit eigenwilligem Modebewusstsein und Berliner Schnauze: ein Punk im Körper eines Sparkassenangestellten. Sein Auftritt in Trier war der Hit – viel besser noch als im Fernsehen: Schadenfreude live.