Remasterte Neuauflage des dritten Soloalbums

Wenn man die Professionen des großen Brian May aufzählen will, gerät man schnell in die Superlative. Schließlich ist er nicht nur Gitarrist einer der größten Rockbands des Planeten, sondern auch Sänger, Komponist, Sachbuchautor, Astrophysiker und engagierter Tierschützer. Wow. 74 Jahre alt und immer noch in allen Ecken aktiv. Erst kürzlich erschien sein Stereoskopie-Buch „Queen in 3D“ aus dem Jahr 2017 als deutsche Neuauflage. Ein weiteres Faible des Tausendsassas aus Hampton.

Jetzt geht es aber um Musik – nämlich Brians drittes Soloalbum. Das erste erschien bereits 1982 und war eine Art Mini-LP. Mehr ein Projekt mit befreundeten Künstlern, das aus improvisierten Sessions bestand. Das zweite Solowerk „Back to the Light“ erschien zwar erst nach dem Tod von Freddie Mercury, allerdings hatte der Gitarrist bereits 1987 mit der Arbeit daran begonnen. Herzstück ist sicher “Too much love will kill you”, das Queen schon 1980 aufgenommen aber bis dahin nicht veröffentlicht haben (HIER findet ihr unsere komplette Review).

„Another World“ erscheint nun im Rahmen der sogenannten „Brian May Gold Series“ in vielen Formaten. Wer dazu einen Überblick haben will, liest am besten unseren Newsartikel vom 1. März, den ihr HIER finden könnt. Mir liegt jetzt zur Review die 2CD-Edition vor. Für den Die-hard-Fan sicher zu wenig, für den Nostalgiker klassischer Rockmusik allerdings genau richtig.

CD 1 enthält das remasterte Album in einem sehr klaren Mix vom sphärischen Opener „Space“ bin hin zum melancholischen Ende mit dem Pianostück „Being On My Own“, das ursprünglich ein Hidden Track hinter dem Titelsong „Another World“ war. Die Entstehungsgeschichte des Albums ist schon kurios, denn eigentlich war „Another World“ als Coveralbum mit Mays persönlichen Lieblingssongs geplant. Davon sind noch „Slow Down“ des R&B-Sängers Larry Williams, „One Rainy Wish“ von Gitarrengott Jimi Hendrix und „All The Way From Memphis“ des Mott the Hoople-Leadsängers Ian Hunter übrig geblieben. Mit diesen Tracks konnte Brian sich enthusiastisch an der Gitarre auslassen und sie klingen auch heute noch fantastisch.

Immer wenn May seine Gitarre in elegische Solos abdriften lässt, wird es ganz groß. Die Songs des Albums sind allesamt solide bis megastark. Ausfälle gibt es nicht wirklich. Vor allem die Bluesnummer „China Belle“, das soulige „On My Way Up“ und der hymnische Titelsong mit balladesken Popvocals stechen hervor. In der Band gibt es den famosen Drummer Cozy Powell, der bei einem Autounfall starb noch bevor das Album beendet war. Als Gäste sind eine illustre Schar wie Jeff Beck, das London Metropolitan Orchestra dirigiert von Michael Kamen sowie der famose Keyboarder Spike Edney an Bord. An den Drums von „Cyborg“ findet sich Foo Fighter Taylor Hawkins – Gott hab ihn selig.

Dieses geniale Rockalbum sollte ohnehin zu jeder Sammlung gehören. Spannend wird es also mit CD 2. Zunächst spricht Brian sehr bewegend über Cozy Powell, gefolgt von einer speziellen Version des Songs „The Business“ im „Rock On Cozy Mix“, der die Drums hart rockend in den Vordergrund stellt. Mit „Hot Patootie“ aus der „Rocky Horror Picture Show“ und „F.B.I.“ gibt es zwei Albumsongs, die nur auf der japanischen Edition vertreten waren.

Als weitere Coverversionen finden sich „Maybe Baby“ von Buddy Holly und „It’s Only Make Believe“ des Countrystars Conway Twitty. Etwas strange wird es mit „Otro Lugar“ als spanische Version des Titeltracks. „Cyborg“ wird als Instrumental dargeboten und „On My Way Up“ findet sich erst als Gitarrenstück und dann in einer Liveaufnahme aus Paris (Juni 1998). Von eben diesem Konzert gibt es dann auch eine absolute Kracherversion von „Hammer To Fall“, gewidmet „for absent friends“, die sich sehr langsam und episch entwickelt. Das melancholische „Oh Boy“ schließt die gelungene Bonus-Disc ab.

In seinen neuen Liner Notes für 2022 merkt Brian an, wie weit wir alle seit der Veröffentlichung des Albums im Jahr 1998 gereist sind, aber auch, dass die Erkundung zu diesem Zeitpunkt passt. „Es scheint vielleicht, dass wir im Jahr 2022 tatsächlich in einer anderen Welt sind“, schreibt er, „aber wenn wir nicht nach der ganzen Welt streben, dann können wir vielleicht immer noch diese perfekte Welt erreichen … in unseren Träumen. KOMMT MIT!!!” Voller kraftvoller Rockhymnen, offenherziger Sehnsucht, üppigen Melodien und mitreißenden Gitarren ist „Another World“ eine Einladung, genau das zu tun. Und man kann ihr kaum widerstehen.