Johannes Oerding beim Zeltfestival Saar in Lebach

Eigentlich hätte Johannes Oerding schon vor zwei Jahren beim Zeltfestival im saarländischen Lebach auftreten sollen, aber da hat die Pandemie den berühmten Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt war es endlich soweit und das große Zirkuszelt auf der Pferderennbahn in Lebach war zwar nicht ausverkauft, aber bis in die hinteren Reihen sehr gut gefüllt. Die Location ist absolut cool auf der großen Wiese etwas abseits des Stadtgebiets. Es gibt genügend Parkplätze, An- und Abfahrt laufen reibungslos. Die Versorgung mit Imbiss- und Getränkeständen vor dem Zelt und drinnen ist hervorragend.

Auch der Zeitplan war ziemlich lässig. Schon um 19 Uhr trat die junge Sängerin revelle auf. Die 24jährige Wahlberlinerin ist mittlerweile fester Bestandteil der Deutschpop-Playlisten. Sehr quirlig, sympathisch und frisch nahm sie das Publikum mit auf eine 30minütige Reise durch luftige, meist fröhliche Popsongs, die sie sehr reduziert zu Klavierbegleitung interpretierte. Man sah ihr die Freude über den Auftritt merklich an und die halbe Stunde verging wie im Flug. revelle hat an diesem Abend sicher einige neue Fans in Lebach gewonnen.

Schon um 19.50 Uhr stand dann der heiß ersehnte Johannes Oerding auf der Bühne. Natürlich mit Hut, mit großer Lightshow und einer fantastischen Band. Als Ouvertüre gab es ein instrumentales Intro, aus dem man schon einige Songfetzen raushören konnte – wie bei einem grandiosen Opernabend. Und so wirkte auch das komplette Konzert, das weit über zwei Stunden dauerte, wie aus einem Guss.

Von Beginn an hatte Johannes die Menge mit „Leuchtschrift“ und „Plan A“ ganz auf seiner Seite. Letztgenannter Ohrwurm wurde zum Dauerbrenner bei der letzten Staffel von „Sing meinen Song“. Dem kann keiner entkommen. Eigentlich ist Johannes ja noch auf „Konturen“-Tour, wobei besagtes Nummer-1-Album bereits 2019 erschien. Inzwischen hat er „Plan A“ für November als nächsten Longplayer angekündigt. Es geht also Schlag auf Schlag.

Bewundernswert ist Oerdings Publikumsnähe. Als stünde er im kleinen Club, hat er ganz schnell Kontakt zu einzelnen Menschen im Zelt aufgebaut, sodass sich ihm jeder nahe fühlte. Da sah er seinen Fan Gabi in der ersten Reihe, die ihm seit zwölf Jahren von Konzert zu Konzert folgt. „Älter siehst du aus“, meint er zum Gejohle des Publikums. „Da sieht man, was die Zeit aus uns beiden macht“, schiebt er direkt relativierend hinterher.

Johnannes Oerding will eine Wohlfühl-Show. Also sollte sich jeder erstmal mittels Faustschlag (coronakonform) bei den Nachbarn vor, hinter und neben sich vorstellen. Das gehört schon zum guten Ton bei seinen Konzerten. Aber er suchte auch Personen, die nicht freiwillig da waren, und fand Olli in Begleitung von Suse. Beide waren vor zwei Jahren noch ein Paar. Jetzt nicht mehr, aber weil die Karten nun mal am Kühlschrank hingen, mussten sie zusammen hin. Johannes wollte gleich den Beziehungsretter spielen und meinte: „Da geht noch was. Wenn ihr irgendwann heiratet, ruft mich an. Ich spiele auf der Hochzeit.“ Ein Argument, dass manch anderes Pärchen im Zelt vielleicht zu einem spontanen Heiratsantrag bewegt hätte.

Im Set gab es jedenfalls „So schön“, mit dem sich Frauen und Männer gegenseitig anschmachteten, während der Sänger den Chorleiter gab. Es folgte „Nie wieder Alkohol“ mit Auszügen von „Rehab“ (Amy Winehouse). Der Song „Anfassen“ war das unfreiwillige Statement zur Pandemie. Obwohl schon 2018 geschrieben, wurde er aufgrund der hellseherisch aktuellen Thematik viel im Radio gespielt. Und durchaus passend, da es schon damals darum ging, dass man sich mit Smartphone und sozialen Medien immer mehr vom realen Leben entfernt.

Ein gefeierter Lieblingssong vieler Fans war das hymnische „Kreise“ mit jubelnden Chören. Zu „Wo wir sind ist oben“ lieferte die Band ein hinreißendes und überaus rockiges Gitarrenduell, wobei sich der Song mit Bob Marleys „Could You Be Loved“ durchmischte. Zwischenzeitlich hatte sich der Frontmann zum Bad in die Menge begeben und lernte dort den siebenjährigen Martin kennen. Dessen Mutter wünschte sich „Jemanden wie dich“ als spontanes Ständchen und tatsächlich bot Johannes den lange nicht mehr gespielten Song vom zweiten Album solo an der Gitarre dar.

Herzzerreißend gab es „Blinde Passagiere“ zu Pianobegleitung und die Stimmung wurde romantisch und melancholisch. Dazu passte auch „Hundert Leben“, das Oerding dem jungen Martin auf seinem Weg zur Pubertät widmete. Und mit „Ketten“ folgte ein echter Lockdown-Song, den Johannes auch tatsächlich erst in der ruhigen Zeit geschrieben hat.

Auf den Tourshirts stand „Endlich wieder live!“ und das wurde vor allem im feierwütigen Abschluss-Triple des regulären Sets ausgiebig zelebriert. Da gab es das eindringliche „Heimat“ als Lovesong an Land und Leute, das rockige „Alles brennt“ mit formidabler Lightshow und schließlich die Hymne „An guten Tagen“.

Gut zwei Konzertstunden von Johannes Oerding waren inzwischen vergangen, doch von Müdigkeit keine Spur. Im Zugabenblock kamen allerdings keine Gassenhauer mehr, sondern Songs wie die ganz aktuelle Single „Kaleidoskop“ und „Ich will noch nicht nach Hause“. Irgendwann musste man aber doch gehen und ein beseeltes Publikum machte sich auf den Heimweg. Das Konzert war eine Wucht und in sich durchgehend stimmig – mit einem roten Faden, wie man ihn nur selten bei Livekonzerten erlebt. Bald erscheint das siebte Album und die nächste Tour ist ebenfalls schon geplant. Auf ein Neues!