Sarah Lesch in Trier – Vom Erzählen der wahren Begebenheiten
Neben dem Arena Open Air Sommer in Trier und den Picknick Konzerten im saarländischen Losheim am See haben Popp Concerts noch einen dritten Schauplatz für diesen seltsamen Konzertsommer 2021 eröffnet: vom 6. bis 14. August findet im Brunnenhof direkt neben der altehrwürdigen Porta Nigra ein Festival mit Singer/Songwriter Acoustic-Shows statt. Den Anfang machte gestern Sarah Lesch. Tim Vantol, Matze Rossi und Marthonmann werden folgen.
Das Ambiente ist einfach wundervoll: Eine große Bühne, Sitzplätze mit kleinen Tischen, der Brunnenhof umgeben von den Mauern des Stadtmuseums Simeonstift. Man sitzt inmitten der Touristenmetropole, aber abgeschottet in einem beschaulichen, atmosphärisch einzigartigen Bereich. Das Ambiente für das Konzert einer Liedermacherin könnte nicht besser sein.
Sarah Lesch, die aus Altenburg stammt und inzwischen in Leipzig lebt, eröffnete gleich zu Beginn, dass sie ihr drittes Album „Da Draussen“ (2017) zum größten Teil in Trier geschrieben hat, wo es sie damals der Liebe wegen hin verschlug. Man kann es sich trefflich vorstellen, wie sie das Feeling des Hauptmarkts aufsaugt, nur jedes neunte Wort versteht und – wie sie selbst sagt – sich vor lauter Genießen gar nichts von den historischen Gebäuden anschaut. So geht es vermutlich allen, die sich längere Zeit in der ältesten Stadt Deutschlands aufhalten.
Die Instrumentierung für das Konzert sieht meist Sarah an Ukulele, Gitarre oder Banjo mit zwei Mitstreitern unter anderem am Kontrabass und einer Backgroundsängerin vor. Der Sound schwankt zwischen Indiefolk, Balladen und großer Liedermacherkunst. Vor allem in der zweiten Konzerthälfte gibt es auch tanzbare Songs.
Sarah beginnt mit einer Lust auf Leichtigkeit. Sie spielt Stücke vom neuen Album „Triggerwarnung“, das am 19. November erscheinen wird und bereits HIER vorbestellt werden kann. Das erste Lied handelt vom Gefühl, sich treiben zu lassen, und „Ich trag dich nach Haus“ erzählt mit getragener Melancholie vom Corona-Sommer 2020.
Besonders wichtig sind Sarah aber die Lieder von starken Frauen, wie in „Die Löwin“, das sie für alle weiblichen Vorbilder in ihrem Leben singt. „Licht“ gibt Einblick in ihr Seelenleben während der konzertlosen Zeit und zeigt die Freude, endlich wieder Lieder singen zu können „weil jemand zuhört“. Und das ältere Stück „Der rosa Elefant“ handelt von einem Phänomen, das viele kennen: den unausgesprochenen Dingen im Leben.
Dieser energische Kabarett-Song führt zu neuen, durchaus schwierigen Inhalten. In „Schweigende Schwestern“ erzählt Sarah ihre eigene Geschichte und geht dabei in die Tiefe ihrer Gedanken und Gefühle. Es geht um Sexismus und Missbrauch, um Feminismus, Wertschätzung und Respekt. Das machte die Zuschauer betroffen und brachte ihnen zugleich die Songwriterin und ihren Lebensweg sehr nahe. Danach gab es eine Pause zum Durchatmen für Band und Publikum.
Liedermacher erzählen wahre Geschichten – so das Credo von Sarah Lesch. Die Kunst, durch reine Erzählungsgabe und die Überzeugungskraft ihrer vielseitigen Sing- und Sprechstimme bedingungslos zu fesseln, ohne bisweilen überhaupt einen Refrain zu benötigen, hat sie der deutschsprachigen Liedermachertradition entnommen. Im neuen Stück „Die Geschichte von Marsha P. Johnson“ erzählt sie die Story einer beeindruckenden Frau, einer schwarzen Dragqueen, die im Sommer 92 nach einem Leben voller unerschütterlicher Liebe und ohne Kompromisse tot aus dem Hudson River gefischt wurde.
Sarah bohrte in den gesellschaftlichen Wunden. Wer entscheidet? Der weiße heterosexuelle Mann? In „Drunter machen wir’s nicht“ (ebenfalls vom kommenden Album) setzt sie ein Gegengewicht und ruft zum Kampf auf. Die Anwesenden gaben stehende Ovationen und sollten gleich stehen bleiben, denn ab sofort wurde getanzt. Mit zwei Zugaben ging das Konzert nach zwei gehaltvollen Stunden zu Ende. Es gab vor allem Songs von „Triggerwarnung“ und das zu Recht. Bleibt zu hoffen, dass es ihr endgültiger Durchbruch wird und sie bald wieder in Trier zu Gast ist.
OPEN AIRS im BRUNNENHOF – so geht es weiter:
7.8.2021 – Tim Vantol
13.8.2021 – Matze Rossi
14.8.2021 – Marathonmann