Roger Waters und sein persönlicher Lockdown
Momentan ist Roger Waters vor allem aufgrund politischer Kontroversen in den Schlagzeilen. Inwieweit man ihm wirklich Judenfeindlichkeit unterstellen darf, will ich hier nicht beurteilen. Auch mit seiner Haltung gegenüber Russland und der Ukraine hat er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Doch darum soll es hier gar nicht gehen. Der ehemalige Pink Floyd Frontmann hat die Corona-Zeit nämlich auch für musikalische Ideen genutzt und veröffentlicht diese nun mit der EP „The Lockdown Sessions“.
Der Begriff EP ist schon ein regelrechtes Understatement, denn die sechs Tracks kommen mit 39 Minuten locker auf LP-Länge. Dabei gibt es allerdings keine wirklich neue Musik, sondern Stücke von Pink Floyd und aus seiner Solokarriere. Die Musiker waren online miteinander verbunden und die Sessions wurden live mitgeschnitten.
Schon der Einstieg mit dem akustischen und emotionalen „Mother“ ist genial durch seine chorischen Passagen und die weiblichen Vocals. Diesen Song hatte Roger – wie andere – in der Version schon als Zugabe der „Us + Them“ Tour gespielt. Eigentlich sollte aus den Neuinterpretationen ein Album namens „Encores“ entstehen, doch nun wurden es die „Lockdown Sessions“.
„Two Suns In The Sunset“ und „The Gunner’s Dream“ stammen von Waters‘ letztem Soloalbum. Das erstere mit starkem Saxofonsolo, das letzte mit eindringlichen Vocals und Pianoklängen. Bei allen Stücken singt Roger Waters sanft und verhalten. Die Arrangements sind filigran aufgebaut, ohne die Originale zu verleugnen. Größte Überraschung ist sicher „Comfortably Numb 2022“, das kein Gitarrensolo enthält und wie ein sphärisches Klagelied ertönt.
Als musikalische Einheit sind die „Lockdown Sessions“ faszinierend und musikalisch sehr stark. Vor allem Instrumentierung und Backgroundgesang überzeugen. Eine schöne Idee, um altbekannte Songs neu zu entdecken.