Tears For Fears waren und sind Boten der Liebe: „The Seeds of Love“
Der STERN hat sich kürzlich weit aus dem Fenster gelehnt und Prince‘ „Sign o‘ the Times“ zum besten Album der 80er Jahre gekürt. Für mich liegen Marillions „Misplaced Childhood“, U2s „The Joshua Tree“ und Simple Minds‘ „Street Fighting Years“ an vorderster Front. Pop- und Post-Rock-Enthusiasten werden vermutlich „Spirit of Eden“ von Talk Talk nach oben heben – und dann sind da noch die New Wave-Könige Tears for Fears mit „The Seeds Of Love“. Was alle diese Alben gemeinsam haben? Sie sind erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts erschienen und haben eine Legion von Künstlern inspiriert.
„Seeds of Love“ feiert seinen dreißigsten Geburtstag mt einem Jahr Verspätung in einer Neuauflage, die kaum Wünsche offen lässt. Roland Orzabal schrieb fünf der acht Titel gemeinsam mit der Pianistin Nicky Holland. Den Ohrwurm-Titeltrack schrieb er zusammen mit Curt Smith. Dass das Album in der vier Jahre andauernden Produktionsphase eine ganze Million britische Pfund an Kosten verschlungen hat, verwundert nicht aufgrund der Unmenge an beteiligten Künstlern (Oleta Adams, Manu Katché, Phil Collins, Simon Phillips und Chris Hughes, um nur einige zu nennen) sowie der äußerst filigranen und komplexen Herangehensweise an Arrangements und instrumentale Umsetzung.
Zu Recht gilt „The Seeds of Love“ als Blaupause für die moderne Popmusik der Neuzeit. „Von all unseren Alben würde ich es wohl auch am Höchsten einstufen“, sagt Roland Orzabal. „Ich glaube, dass es damals viele Menschen überrascht hat, auch viele unserer Kollegen, also jene Leute, mit denen man uns womöglich in der Mitte der Achtziger noch verglichen hatte.“
Bis heute verbreitet das Album einen zeitlosen Glanz. Es war ein genialer Schachzug, Gastsängerin Oleta Adams eine zentrale Rolle einzuräumen. Im Zusammenspiel mit Orzabal setzt sie einen kongenialen Gegenpol. Bombastische Gitarren, der treibende Rhythmus und filigrane New Wave-Experimente tragen ihr Übriges dazu bei. Definiv eines der Alben, die man am Stück genießen muss.
Mir liegt die Neuauflage in der 2CD-Version vor. Ich kann also nicht den Steven Wilson 5.1 Mix bewerten, sondern nur das in den Abbey Road Studios von Andrew Walter remasterte Album. Klanglich allerdings gibt es hier meiner Ansicht nach nichts zu verbessern – „Seeds of Love“ klingt auch 2020 wie ein Jungbrunnen des Pop.
CD 2 enthält Single-Versionen, Radio Edits und B-Sides. Wer wirklich tief in die Materie einsteigen will, muss sich vermutlich das Super Deluxe Box Set mit vier CDs und den Remixen auf Blu-ray zulegen. Dem nostalgischen Liebhaber guter Popmusik genügt aber dieser hübsch aufgemachte 2CD-Digipack