Auftakt zum Advent mit Kim Wilde im Capitol

Vermutlich hat jeder so seine Lieblings-CDs, die jedes Jahr wieder zum Advent den Weg ins heimische Wohnzimmer finden und nach Weihnachten sorgfältig weggeräumt werden. Ich muss nicht lange überlegen: Da ist zum einen „Christmas With My Friende“ von Nils Landgren und zum anderen „Zeit der Wunder“ mit der A-cappella-Band Viva Voce und den Latvian Voices. Als Dritte im Bunde findet sich auch das „Wilde Winter Songbook“ immer wieder im Player.

Kimberly Smith alias Kim Wilde ist eine der größten Ikonen des britischen Pop, Aushängeschild des 80er-Jahre-Rock, Traumfrau einer ganzen Generation. Ihre Hits „You Came“, „You Keep Me Hanging On“ und „Kids In America“ sind unvergessen. Seit Ende der 80er Jahre ist zwar der wirklich große Erfolg ausgeblieben, doch in längeren Abständen erschienen immer wieder respektable Alben, beispielsweise „Here Come The Aliens“ aus dem Jahr 2018 – und im Januar 2025 wird mit „Closer“ ein neues Studioalbum am Start sein, dessen erste Auskopplungen bereits sehr vielversprechend sind.

Schon lange stand es auf meiner Bucket List, Kim Wilde mit ihrer Weihnachtsshow live zu sehen. Und gestern, im ausverkauften Capitol Mannheim, war es endlich soweit. Das Konzert wurde rein akustisch gespielt, an den Gitarren von Neil Jones, Kims langjährigem Bandmitglied, und ihrem Bruder Ricky Wilde, der sie schon seit den 80ern als Songwriter und Bandmitglied begleitet. Um das Familienunternehmen komplett zu machen, war außerdem Kims Nichte Scarlett Wilde als Duettpartnerin und zweite Sängerin mit an Bord, wobei diese nicht nur schmuckes Beiwerk ist, sondern ebenfalls eine hervorragende Vokalistin und Songwriterin.

Als erstes Stück gab es „Have Yourself a Merry Little Christmas“ und adventliche Stimmung machte sich breit. Direkt im Anschluss kam „Hope“, eine Eigenkomposition von der oben erwähnten weihnachtlichen CD. Ich finde es immer schön, neue Weihnachtssongs zu hören statt der immer gleichen Klassiker – und so wurde man hier zudem mit „New Life“, „Song for Beryl“ und „Hey Mister Snowman“ belohnt, die ebenfalls als Originalsongs vom „Wilde Winter Songbook“ stammen. Und der Set brachte (endlich) auch einen Ausflug in die 80er, nämlich mit „European Soul“, einem nicht ganz so bekannten Song vom Erfolgsalbum „Close“.

Die erste Konzerthälfte dauerte 50 Minuten und enthiel auch Mitsing-Stücke wie „Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!“ und „Winter Wonderland“. Letzteres singt Kim auf dem Album mit Rick Astley, doch hier erfüllte Ricky Wilde den Job ebenso glänzend (nur nicht ganz so schmachtend). Zudem eine Überraschung: „Keeping The Dream Alive“. Die Melodie kennt man doch irgendwoher… Es ist eine englischsprachige Version von „Solang man Träume noch leben kann“ der Münchner Freiheit. Sehr schön umgesetzt.

Nach der Pause zeigten Scarlett und Ricky verstärkt ihre vokale Klasse. „Winter Wonderland“ gab es komplett a cappella mit drei Stimmen. Nur Neil hielt sich dezent zurück. Das Zusammenspiel des familiären Trios war einfach grandios und der zweite polyphone Song „White Winter Hymnal“, ein Cover der Fleet Foxes, setzte nochmal einen drauf.

Zwischendurch würdigte Kim noch „Last Christmas“ als weihnachtliches Geschenk aus den 80ern und einen ihrer liebsten Songs für diese Jahreszeit. Die Akustikversion war dann auch sehr erfrischend und zeigte den Song keineswegs abgenudelt. Aber apropos 80er: Endlich wurden die Fans mit einigen Hits belohnt! „Cambodia“ sowie „Chequered Love“ aus 1981,  natürlich „You Came“ (1988) und das Supremes-Cover „You Keep Me Hangin‘ On“ (1986). Nur der Fanruf nach „Kids in America“ wurde vorerst noch nicht erhört.

Das geschah dann aber bei der Zugabe, die mit Standing Ovations eingefordert wurde. Kim Wilde hat eine große Fangemeinde, die die inzwischen 64jährige Britin auch gut pflegt. Beziehungsweise umgekehrt, denn Kim wurde regelrecht mit Blumen und Geschenken überhäuft, sobald ein Musikblock beendet war. Das habe ich in dieser Quantität noch nicht einmal bei Udo Jürgens erlebt. Die Stimmung auf der Bühne war familiär, atmosphärisch und adventlich. Man schmückte sich mit Accessoires wie Weihnachtsmützen und Rentier-Ohren. Nur der angedeutete Weihnachtsbaum im Miniformat, der als Deko-Element inmitten der Band stand, wurde mitleidig belächelt. „Okay. Seize doesn’t matter“, meine Kim, was zu einem Lachanfall bei ihrer Nichte führte.

Der Zugabenblock startete fetzig mit „Rockin‘ Around the Christmas Tree“. Dann hielt Kim eine Lobeshymne auf Nena, die 2002 dafür gesorgt hatte, dass Kim Wilde wieder aus dem Katakomben der Musikgeschichte auftauchte, als sie ihr mit „Anyplace, Anywhere, Anytime“ einen Platz auf dem Album „20 Jahre – Nena feat. Nena“ gab. Diese englischsprachige Coverversion von „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ fand dann ebenso ihren Platz im Set wie das abschließende „White Christmas“, das alle mit frommen Wünschen in die eisige Nacht entließ.

Ja, Kim Wildes „Wilde Winter Songbook“ ist es immer wieder wert, im Dezember gehört zu werden. Und die dazu gehörige Show ist einfach wundervoll. Das kann ich jetzt unumwunden bestätigen. Zugleich wächst die Vorfreude auf den 31. Januar und das kommende Album „Closer“. Die Geschichte um Kim Wilde ist noch lange nicht zu Ende erzählt!

Fotocredit: Cherry Red Records

Setlist – Kim Wilde, 30.11.2024, Capitol Mannheim

Have Yourself a Merry Little Christmas
Hope
Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!
New Life
Time
Song for Beryl
European Soul
Winter Wonderland
Keeping the Dream Alive
Hey Mister Snowman

Winter Song
Last Christmas
White Winter Hymnal
Cambodia
Chequered Love
You Came
You Keep Me Hangin‘ On

Rockin‘ Around the Christmas Tree
Anyplace, Anywhere, Anytime
Kids in America
(I’m Dreaming of a) White Christmas