Kaffee mit Tom Gaebel: „Ich muss nicht immer von der Vergangenheit zehren“
Er ist wahrscheinlich der letzte große Gentleman unter den Sängern dieser Republik. Tom Gaebel macht eine Musik, die an Zeiten erinnert, als Männer noch richtige Männer waren und mit Anzug und Krawatte vor dem Mikro standen. Frank Sinatra, der nicht ganz zufällig auch Tom Gaebel’s großes Vorbild ist, war so ein Typ. Oder Dean Martin. In der einen Hand den Whiskey, in der anderen die Zigarette. Er selbst raucht zwar nicht, aber auf seinem kommenden Album „So Good To Be Me“, das am 19.09. erscheint, liefert Tom Gaebel einmal mehr den perfekten Soundtrack für eine Zeitreise in die Swinging Sixties.
Musicheadquarter-Chefredakteur Thomas Kröll traf sich mit Tom Gaebel zu einem ausführlichen Interview in Köln. Im schönen und an diesem Tag spätsommerlich warmen belgischen Viertel unterhielten sich die beiden bei einer Tasse Kaffee über die Unterschiede zwischen Rock und Jazz, den Kölner Karneval, die Vorteile des Alters und natürlich auch über das neue Album.
Ich bin normalerweise gar nicht auf der Jazz- und Swing-Schiene unterwegs, sondern im Rock zuhause. Wie würdest du jemandem wie mir deine Musik schmackhaft machen?
Tom Gaebel: Die Verbindung zum Rock ist für mich, dass es im Jazz und Swing auch zur Sache geht. Das was ich mache ist ja kein Kammerjazz. Früher auf der Bühne hatte ich auch immer Spaß, wenn die Verstärker knallten. Jetzt habe ich zumindest die fette Band und die Trompeten. Der gemeinsame Nenner ist also, dass man es gerne ein bißchen lauter macht. Ich habe immer schon alten Rock gehört. Ich war ein riesiger Queen-Fan. Das ist natürlich für jemanden, der mehr diesen erdigen Rock mag, unter Umständen schon wieder etwas zu üppig. Das sind aber schon so ein bißchen meine Wurzeln. Ich habe viel melodiöse Sachen gehört, zum Beispiel die Beatles. Lieber die Beatles als die Rolling Stones. Die Stones fand ich im Vergleich zu den Beatles immer eher langweilig. Bei den Beatles gab es mehr Streicher oder Spezialarrangements, während die Stones überwiegend bluesy waren. Da habe ich schon gemerkt, dass ich diese Richtung eher mag als dieses erdverbundene. Und auf der anderen Seite hatte ich mit meinem Bruder Colin jemanden, der eine Zeitlang in die allerkrasseste Richtung gegangen ist und wo es dann anfing mit Sodom und solchen Sachen. Inzwischen hat er sich allerdings wieder zurückentwickelt. Wir treffen uns jetzt irgendwo in der Mitte mit AC/DC als gemeinsamen Nenner (lacht).
Hörst du privat also auch überwiegend Swing und Jazz?
Tom Gaebel: Eigentlich alles mögliche an Popmusik. Aber eher aus den Fünfziger, Sechziger oder Siebziger Jahren. Ich höre ganz selten mal Achtziger Jahre-Musik. Mit dieser Musik, die ja auch die Musik meiner Jugend war, kann man mich jagen. Es ist witzig, dass die Leute sich immer einbilden, dass die Musik, die sie in ihrer Jugend gehört haben, so ziemlich die Beste war. Ich habe mir zuletzt bei YouTube ein paar Videos aus den Achtzigern angesehen, um festzustellen, ob ich die immer noch so scheiße finde wie früher. Und in den Kommentaren dazu hieß es dann oft: „Die armen jungen Leute von heute. Die müssen mit Lady Gaga leben“. Das ist absurd.
Ich finde, die Achtziger waren musikalisch ein absolut totes Jahrzehnt.
Tom Gaebel: Da fingen alle an, ob im Rock oder anderswo, mit Computern und Sounds zu arbeiten. Und das hat fast niemandem gut getan. Alle Bands, die in den Siebzigern geile Platten gemacht haben, klingen in den Achtzigern plötzlich so, dass du denkst: Alter Schwede, was ist denn da los? (lacht)
Am kommenden Freitag erscheint dein neues Album „So Good To Be Me“. Ist der Titel auch so ein wenig persönliches Programm?
Tom Gaebel: Wie der Titel zum Album gekommen ist, ist ganz einfach. Es gibt einen gleichnamigen Song und ich fand den Titel griffig für das ganze Album. Es sollte etwas positives ausdrücken und nicht die Bedeutung haben „Ich bin der Coolste“. Der Song drückt sowas aus wie „Heute ist einfach ein guter Tag, um Ich zu sein“. Das soll aber auf jeden anderen bezogen sein. Auf der anderen Seite habe ich gerade auch eine gute Zeit. Ich denke oft darüber nach, wie schön es ist, dass ich gerade so coole Sachen machen kann, weil mir der Beruf so viel Spaß macht. Zum Beispiel als wir das neue Video zu „The Cat“ gedreht haben. Das war so wie Film spielen mit Freunden. Wir haben tierisch Spaß dabei gehabt.
Du hast mal gesagt „Ich möchte mich mit jedem neuen Album auch selbst überraschen“. Ist dir das mit „So Good To Be Me“ gelungen?
Tom Gaebel: Es hat ja mit dem neuen Album sehr lange gedauert. Die größte Überraschung war, als es endlich fertig war (lacht). Es ist mein Lieblingsalbum. Das sagt man immer, ich weiß, aber das ist auch oft so, weil man dann gerade voll da drin ist. Bei dem neuen Album habe ich so viel selber gemacht und so viel Einfluss gehabt, was im negativen dazu geführt hat, dass es sich so lange hingezogen hat. Ich konnte halt sagen: Die Streicher nehmen wir nochmal auf oder die Bläser machen wir anders. Man hat quasi die Macht. Ich konnte genau das machen, was ich wollte. Mit der Macht hat man aber auch die Verantwortung. Das habe ich gemerkt. Und dann musst du eine knallharte Disziplin an den Tag legen. Bei den letzten Alben davor hatte ich auch schon ein eigenes Studio. Das habe ich jetzt immer noch. Dazu habe ich mein eigenes Label gegründet. Tomofon heißt das. Deshalb bin ich mit dem Album auch in keinster Weise unsicher. Zumindest ich weiß, dass ich das, was ich erreichen wollte, mit dem Album erreicht habe. Es macht mir selber von vorne bis hinten Spaß.
Wenn man sich mit Musik beschäftigt, dann schmort man ja immer so ein bißchen im eigenen Saft. Als Musiker vielleicht nochmal anders, aber auch wenn man darüber schreibt. Wenn ich mir meine CD-Wand zuhause angucke, dann ziehe ich am Ende doch immer wieder dieselben Dinger raus.
Tom Gaebel: Und das wird nicht besser, je älter man wird (lacht). Angenommen ich hätte die Streicher aus Kostengründen vom Computer genommen und dann würde das jemand erwähnen. Das wäre mir richtig unangenehm. Aber wenn jemand wie du sagt, das ist überhaupt nicht meine Musik, dann mag das für dich so sein und ich bin trotzdem sehr zufrieden damit. Vielleicht hat das auch was mit dem Alter zu tun. Man wird sicherer in dem was man macht. Früher hat man mehr rumprobiert.
Du bist ja was deine Karriere betrifft sowieso eher ein Spätstarter. Als 2004 das „Tom Gaebel & Band spielen Frank Sinatra“-Album erschien warst du fast 30. Hilft dir dein Alter heute auch dabei gelassener mit dem ganzen „Star-Rummel“ umzugehen?
Tom Gaebel: In dem was ich mache gibt es diesen Star-Rummel ja eigentlich nicht. Es gibt ja keine Aufläufe oder Leute, die unangenehm sind und dir ungefragt auf die Schulter klopfen. Das liegt aber natürlich auch an der Musik. Ich habe halt keine kreischenden 15-jährigen Fans. Ich glaube, die Musik, die ich mache hat den Vorteil, dass ich damit auch alt werden kann. Ich weiß, dass ich in fünf oder zehn oder fünfzehn Jahren noch solche Musik machen kann, ohne dass die Leute mich auslachen. Wenn man in einer Boyband ist, dann muss man sich schon überlegen, was man macht, wenn man mal 30 ist. Entweder es knallt richtig und man hat richtigen Erfolg und segelt dann gemütlich in den Ruhestand. Aber macht das Spaß? Was machen denn so Leute wie Take That? Die machen ein Comeback. Alle zwar ein bißchen gealtert, aber es funktioniert irgendwie. Ich habe das Gefühl, bei mir kommen noch ein paar schöne Sachen. Ich muss nicht immer von der Vergangenheit zehren.
„So Good To Be Me“, das neue Album von Tom Gaebel erscheint am 19.09. bei Tomofon Records / Tonpool
Du hast bereits einige Jazz Awards abgesahnt. Was bedeuten dir solche Auszeichnungen?
Tom Gaebel: Leider eigentlich nichts. Manchmal wünsche ich mir, dass ich mehr Spaß an sowas hätte. Ich habe auch die Neigung, dass wenn zwei Leute heiraten, ich schon immer denke: Mal gucken, wie lange das dauert. Meine Mutter findet diese Awards immer ganz toll. Bei mir geht das leider relativ schnell vorbei. Auf der anderen Seite hat diese Geisteshaltung auch ihre Vorteile. Man erlebt nicht so schnell eine Enttäuschung. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass man sich freut, wenn man einen Oscar bekommt. Aber wer richtig gut ist, der weiß im Grunde seines Herzens auch, dass da viel Glück dabei ist.
Ich habe gelesen, dass du ein Multiinstrumentalist bist. Wieviele Instrumente spielst du genau?
Tom Gaebel: Also, ich habe Schlagzeug und Posaune studiert und spiele auch noch leidlich Klavier. Damit komponiere ich auch. Und ich habe immerhin zwölf Jahre Geigenunterricht gehabt. Das konnte ich also auch mal halbwegs. Davon ist im Laufe der Jahre aber leider sehr viel verloren gegangen. Seit meinem Abitur bis jetzt habe ich die Geige vielleicht noch fünfmal in der Hand gehabt für insgesamt anderthalb Stunden. In zwanzig Jahren ist das sehr sehr wenig. Multiinstrumentalist liest sich immer gut, die Wahrheit ist dann aber doch nicht ganz so prickelnd (lacht).
Du bist in Gelsenkirchen geboren, aber in Ibbenbüren aufgewachsen. Am 31. Januar trittst du im dortigen Bürgerhaus auf. Sind Konzerte in deiner „Heimatstadt“ nochmal etwas besonderes für dich? Gibt es noch Kontakte dorthin?
Tom Gaebel: Ja, es gibt immer noch Kontakte. Es ist ja auch nicht so weit weg, dass ich da nicht immer mal wieder wäre. Also ist es nicht so, als ob der verlorene Sohn nach Hause kommt. Wir geben fast einmal im Jahr ein Konzert in Ibbenbüren. Das macht natürlich schon besonderen Spaß, weil man immer wieder alte Bekannte trifft. Früher war mir das eher unangenehm, da hatte ich immer Angst, dass die Leute denken: Ach guck mal der Gaebel, das ist aber nicht gut. Die Befürchtung habe ich mittlerweile nicht mehr.
Du wohnst hier in Köln. Sieht man dich da auch im Karneval oder ergreifst du da eher die Flucht?
Tom Gaebel: Früher habe ich eher die Flucht ergriffen oder es sagte mir überhaupt nichts. Mittlerweile kann ich aber schon richtig mitfeiern und habe Spaß. Es ist ja bizarr. Nachdem man drei Stunden irgendwo angestanden hat, ist man plötzlich in so einem Biotop der guten Laune. Wenn man genug Kölsch getrunken hat, dann funktioniert das irgendwie. Aber auf den organisierten Karneval gucke ich trotzdem manchmal noch wie auf Außerirdische. Wieviel Bürokratie dabei ist und wieviel Geschäft. Es ist so eine von oben verordnete Fröhlichkeit. Ich fand es immer schon witzig mich zu verkleiden. Nur mit diesen Leuten, die meinen sie könnten sich jetzt mal so richtig gehen lassen, nur weil Karneval ist, mit denen kann ich gar nichts anfangen.
Rein optisch würde ich dich jetzt mal in die Kategorie „Schwiegermutter-Schwarm“ einordnen. Gibt es auch Situationen, in denen du richtig unangenehm werden kannst?
Tom Gaebel: Das höre ich nicht zum ersten Mal, deshalb kann ich damit umgehen (lacht). Ich glaube eher nicht, weil ich mich tendenziell für einen gut gelaunten Menschen halte, der einigermaßen höflich und gut erzogen ist. Ich glaube, dass ich mich in meinem Leben kein einziges Mal geprügelt habe. Ich bin also niemand, der von irgendwelchen schlimmen Aggressionen heimgesucht wird. Das einzige was wohl manchmal unangenehm ist, ist dass ich in Diskussionen immer alles geklärt haben möchte. Das wurde mir jedenfalls verschiedentlich schon von Frauen vorgeworfen. Wenn man sich schon mal angefangen hat zu streiten, dann will ich es auch wissen (lacht). Das ist vielleicht etwas pedantisch.
Gut, das würde ich jetzt aber trotzdem nicht als unangenehm bezeichnen.
Tom Gaebel (lacht): Du weißt nicht, wie schlimm das werden kann.
Wenn du ab morgen den Rest deines Lebens auf einer einsamen Insel verbringen müsstest, welche fünf Alben würdest du dann mitnehmen?
Tom Gaebel: Ich würde mindestens zwei oder drei Platten von Frank Sinatra mitnehmen. Da wüsste ich auch relativ genau welche. Zum Beispiel „Only The Lonely“. Meiner Meinung nach ist das eine der besten Popmusikplatten überhaupt. Dann würde ich eine Queen-Platte nehmen, wahrscheinlich „Night At The Opera“. Auch so ein Klassiker. Mit Sicherheit was von den Beatles. Da wüsste ich jetzt nicht genau welches Album, aber schon eins von den späteren. Reichen drei nicht erstmal?
Von mir aus können zwei fehlen. Du musst ja für den Rest deines Lebens auf der einsamen Insel bleiben und nicht ich.
Tom Gaebel: Ja, das stimmt natürlich. Ich muss noch eine Big Band-Scheibe haben (überlegt). Etwas von der Clarke Boland Band. Die kommen auch hier aus Köln. Ein Album das „Three Latin Adventures“ heißt. Und noch eine Aufnahme mit klassischen Arien von… (überlegt) … Beniamino Gigli. Das wäre übrigens mein großer Traum, wenn ich nicht das machen würde, was ich mache. Dann wäre ich gerne klassischer Tenor. Und zwar so einer von dem man weiß, wenn er auf die Bühne geht, dann brechen die Leute gleich heulend zusammen, weil er wieder das hohe C hingekriegt hat. Mein Vater war ein riesiger Opernfan. Wir Kinder haben trotzdem nicht so eine richtige Verbindung dazu gehabt. Das kommt aber langsam. Mein jüngerer Bruder geht jetzt ständig in die Oper. Ich habe irgendwann angefangen mich für klassischen Gesang zu interessieren. Das finde ich einfach Wahnsinn. Ich würde mich gerne mal neben Pavarotti stellen und hören, wie laut das eigentlich klingt. Was ist das für ein Organ?
Atmet man dabei nicht schon ganz anders?
Tom Gaebel: Ja man atmet anders. Es ist eine Art optimiertes Singen. Wenn man zum Beispiel Joe Cocker hört, dann weiß man ganz genau, dass der einiges mit seiner Stimme gemacht hat. Komischerweise wird er aber nicht schlechter. Sinatra hatte als junger Mann eine wunderbar klare Stimme und eine super Technik. Im Alter merkte man dann aber, wie die Stimme immer mehr so opamäßig wurde. Dafür dass man denkt, Joe Cocker ist gleich komplett heiser, hält sich seine Stimme erstaunlicherweise noch immer. Es gibt halt Leute, die kriegen das hin. Anders ist das, wenn ich Metal-Gesang imitiere (macht ein grunzendes Geräusch). Da weiß ich mit Sicherheit, dass ich nach einer Minute stockheiser bin.
Dann probieren wir das jetzt lieber nicht aus. Stattdessen danke ich dir für das ausführliche Interview.
Wir bedanken uns ebenfalls bei Kai Manke von networking Media für die freundliche Vermittlung!