Progressive Metal aus Kopenhagen

COLD NIGHT FOR ALLIGATORS sind eine angesehene und zukunftsweisende Progressive-Metal-Band aus Kopenhagen, Dänemark. Das lässt die Plattenfirma wissen. „The Hindsight Notes“ ist das erste Album, das ich von der mir bislang unbekannten Band angehört habe.

Das Cover mit vier Farbquadraten ist völlig nichtssagend und lässt nicht erahnen, welches Musik-Genre im Album steckt. In kalten Nächten sind Alligatoren starr und bewegungslos, kaum gefährlicher als Kettensägen, denen man den Stecker gezogen hat. Wer jetzt jedoch glaubt, dieses Album habe keinen Biss, wird eines Besseren belehrt.

Den Hörer erwarten innovative Songs mit einer progressiven Note. Stimmungsvolle Synthesizer wechseln sich mit mehrsaitigen Gitarrensounds ab. Frontman Johan Pedersen glänzt in den mehrheitlich textlastigen Songs mit gesanglichen Meisterleistungen. In ihnen verarbeitet er laut Plattenfirma persönliche Traumata, Hoffnungen und Zweifel.

Die Band sagt dazu: „Diese Platte ist der Sound von uns, wie wir als Menschen und Musiker erwachsen werden. Vor und während der Pandemie war der kreative Prozess ein Fixpunkt in einem großen persönlichen Chaos, das wir versuchten, in eine ehrliche und persönliche Aussage zu kanalisieren. Alles war erlaubt, musste aber auch perfekt umgesetzt werden. Wir haben eine Menge cooler Kollaborateure hinzugezogen, um diese Vision zu verwirklichen und wirklich das Gefühl zu haben, dass wir eine vollwertige Platte gemacht haben, die keinen Trends folgt und keine Kompromisse eingeht. Ob es nun weicher, geradliniger oder experimenteller werden sollte, wir haben uns immer an unserem gemeinsamen kreativen Empfinden orientiert. Es war ein riesiges Stück Arbeit, aber das Album fühlt sich aus diesem Grund sehr lohnend und persönlich an.“

Ich musste mir das Album zweimal mit ein paar Tagen Abstand anhören, um es unter diesen Kriterien anzuhören. Beim zweiten Hörgang gefiel es mir auf jeden Fall besser. Im ersten Song erinnerte mich Pedersens Stimme ein wenig an die von Feargal Sharkey. „Behind Curtains“ wird am Ende jedoch kaputtgebrüllt. Ich habe eine Abneigung gegen Metalbands, deren Sänger mit Brachialgewalt die Songs eher röcheln als singen. Sie scheinen hier jedoch von einer zweiten Stimme zu kommen. Auf diese Weise werden noch weitere Songs, vor allem gegen Ende des Albums, für mein Empfinden verhunzt. Ohne dieses Höllengeschrei würde ich dem Album wesentlich mehr Punkte geben. „Worn out Mannequin“ ist so ein Beispiel. Eine tolle Melodie mit harmonischem Gesang – bei manchen Titel erinnert mich die Stimme Pedersens auch an „Fury in the Slaughterhouse“ –, und dann schlägt in der Mitte das Höllengebrülle wie eine Bombe ein. Furchtbar, diese Songverstümmelung! Auch „Thin Line“, als Single 4 gekennzeichnet, wird so in die Tonne getreten.

Meine beiden Lieblingstitel kommen an Stelle zwei und drei. „No Connections“ ist als Single 1 und „Verism“ als Single 3 angegeben. Obwohl das Album erst am 4. Februar erscheint, hat man sich offensichtlich schon frühzeitig festgelegt, welche vier Titel als Single ausgekoppelt werden sollen.

Das Album enthält zehn Songs bei 49 Minuten Laufzeit. Mit jeweils 3:30 sind die Singles „Verism“ und „Nostalgic“ die beiden kürzesten Songs. Der längste, „Hindsight“ (6:34), beendet das Album. Hier hat der Sound, umgekehrt als bei den meisten Titeln, die harmonischsten Stellen im Mittelteil.

„The Handsight Notes“ gebe ich 5 von 9 Punkten (2 Punkte Abzug für das Gebrülle). Schade, hier war mehr drin!