Deutsch-deutsche Geschichte passiert in Berlin

In den letzten Jahren gab es vor allem in TV- und Streaming-Formaten eine wahre Inflation an Serien, die anhand der Geschichte Berlins historische Ereignisse nacherzählen. Ein großes Highlight (auch in musikalischer Hinsicht) ist und bleibt „Babylon Berlin“, das lose auf Romanen von Volker Kutscher basiert. Auch die Serien um das ruhmreiche Krankenhaus „Charité“, die in verschiedenen Epochen spielen, wissen zu begeistern.

Und wer gar nicht genug von Berlin bekommen kann, mag sich vielleicht den Büchern von Titus Müller zuwenden. Die Serie um „Die Spionin“ ist auf drei Bände angelegt und widmet sich der Nachkriegszeit des geteilten Berlins. Der erste Roman „Die fremde Spionin“ führte die Hauptperson Ria ein. Ihre Eltern werden als Volksverräter verhaftet und sie wächst bei einer linientreuen Pflegefamilie auf. Zu ihrer jüngeren Schwester hat sie keinen Kontakt mehr. 1961 arbeitet sie im DDR-Ministerium für Außenhandel und erhält die Möglichkeit, für den BND als Spionin tätig zu werden. Da sieht sie ihre Chance gekommen, die Schwester zu finden.

Gute Charaktere, eine spannende Spionagegeschichte und der Ost-West-Konflikt machen auch im zweiten Roman „Das zweite Geheimnis“ den Reiz der Geschichte aus. Hier geht es nun um das Jahr 1973 und der Leser findet sich schnell inmitten der Guillaume-Affäre, die letztlich Bundeskanzler Willy Brandt den Job kostete.

Der Verlagstext: Ostberlin bereitet sich auf die Ausrichtung der Weltfestspiele der Jugend vor. Neun Tage lang soll die Stadt zu einer gigantischen Festivalmeile werden. Zehntausende Besucher aus aller Welt werden erwartet. Die DDR präsentiert sich als weltoffen und bunt. Doch ihre Bürgerinnen und Bürger sind Gefangene im eigenen Land. An der Grenze zur BRD hindern Sperranlagen die Menschen daran, in den Westen zu gelangen. Als der Grenzsoldat Henning Nowak zu fliehen versucht, gerät auch seine Schwägerin Ria Nachtmann ins Visier der Staatssicherheit. Sie steht unter Verdacht, Henning geholfen zu haben. Was die Stasi nicht ahnt: Tatsächlich war Ria vor Jahren als Spionin für den westdeutschen Bundesnachrichtendienst tätig. Noch immer verfügt sie über erstaunliche Fähigkeiten. Und sie hat sich geschworen, ihre Familie um jeden Preis zu verteidigen.

Darauf aufbauend liefert Titus Müller, der schon seit langem Experte für historische Romane ist und sich dabei bei weitem nicht aufs Mittelalter beschränkt, eine fesselnde Story, die auch schwierige Themen wie Verhör und Folter nicht ausspart. Das Ganze ist flüssig zu lesen und man ist erstaunlich schnell mitten in der Geschichte. Mir gefällt es gut, wie die Geschichte der DDR differenziert dargestellt ist. Ria ist beispielsweise nicht etwa in die Bundesrepublik gegangen, sondern führt ein angepasstes Leben in Ostberlin. Das macht die Geschichte ehrlich und nicht zu reißerisch. Ich bewundere Titus für seine Sorgfalt in der Recherche. Ganz nebenbei lernt man wirklich wichtige Dinge über diese Epoche unserer Geschichte.

Die Trilogie wird im nächsten Jahr mit einem Wende-Roman namens „Der letzte Auftrag“ beendet, der (logisch) im Jahr 1989 spielt. So hat der Autor die ganze Epoche von Mauerbau bis Mauerfall in seinen Geschichten um „Die Spionin“ verbraten und ein Stück weit aufgearbeitet. Ich bin schon sehr auf das Ende gespannt!