Grandiose Vergangenheitsbewältigung des großen Schotten

Gut 35 Jahre ist es schon her, dass Derek William Dick – genannt FISH – der Erfolgsband Marillion den Rücken kehrte und den Solopfad betrat. Dem grandiosen ersten Album „Vigil in a Wilderniss of Mirrors“ (1990) folgte bereits ein Jahr später der mit folkigen Elementen versehene Zweitling „Internal Exile“, der nicht mehr ganz so stark im Progressive Rock verhaftetet war und stattdessen Fishs schottische Wurzeln betonte. Diese beiden Alben sind nun in diversen Formaten neu erschienen, nämlich digital über verschiedene Anbieter, als Standard-Remix-Edition mit drei CDs, als Deluxe-Variante mit vier CDs plus Blu-ray und auf Vinyl.

Fotocredit: Liam Dickson

Die Originalalben wurden von Calum Malcolm komplett neu abgemischt und allein dieser Remix ist schon ein Genuss. Songs wie die Ballade „Cliché“ vom Vigil-Album bekommen eine neue Dynamik und werden in ihrer ganzen Dramatik anders erfahrbar. Und auch die B-Seiten „Jack & Jill“ sowie „Whiplash“, die in den vergangenen Jahrzehnten ziemlich in Vergessenheit geraten sind, erfahren hier eine Aufwertung.

Ähnliches gilt für die Internal Exile-Remixe. Dabei sind es mit „Favourite Stranger“ und „Tongues“ gerade zwei Stücke, die bisher nicht unbedingt zu den Fan-Favoriten gehörten, die hier klanglich herausstechen. Zudem bekommt die ehemalige B-Seite „Poet’s Moon“ endlich den von Anfang an verdienten Platz in der Tracklist und auch „Carnival Man“, das erst vor einigen Jahren live brillierte, kommt hier hervorragend zur Geltung.

Credit: Fishy Music Ltd

Demos und Live-Aufnahmen ergänzen die Veröffentlichungen. Dabei gibt es viel Neues zu entdecken, beispielsweise „The Curious Hill“, ein sphärisches Instrumental von Mickey Simmonds mit Album-Motiven aus den Sessions zu „Vigil in a Wilderniss of Mirrors“. Kannte ich bisher noch nicht – hat mich gepackt.

Die Liveaufnahmen setzen sich aus diversen „Official Bootlegs“ zusammen, die Fish früher so gern über seine Homepage vertrieb und die alle grandios klingen. Auf den neuen Live-CDs ist dies jeweils etwas zusammengestückelt und auf die jeweiligen Albumsongs bezogen, doch im Blu-ray-Teil der großen Boxen bekommt man dann legendäre Livemitschnitte wie „Pigpen’s Birthday – Live at the Hammersmith Odeon“ (1990) und „Uncle Fish and The Crypt Creepers“ aus der Düsseldorfer Philipps Halle 1991 komplett zu hören. Immer wieder ein Genuss!

Wie kommt man nun an diese Schätze, die seit 22. Juli auf dem Markt sind? Am besten über die europäische Homepage https://fishmusic.eu/ Hier fallen nämlich die horrenden Brexit-bedingten Portokosten und Zollgebühren Weg. Später wird es sicher auch Möglichkeiten in einschlägigen Plattenläden geben. Und wer sich zunächst ein „auditives“ Bild machen möchte, wird auf diversen Streamingportalen fündig.

Allerdings kann ich den physischen Erwerb nur empfehlen, denn Fish hat sich neben dem musikalischen Remix auch sehr viel Mühe gegeben, Artwork und Texte neu zusammenzustellen. Man kennt die Kunstwerke von Mark Wilkinson, die hier grandios gewürdigt werden. Und wer Fish näher kennt, weiß auch, wie gesprächig er sein kann.