Alligatoah und Wolf Biermann
Mit dem Song „Der Hugenottenfriedhof” von ALLIGATOAH erscheint nun die 4. Coverversion aus dem kommenden Wolf Biermann Coveralbum „Wolf Biermann RE:IMAGINED – Lieder für jetzt!“, welches am 15.11.24 via Clouds Hill erscheinen wird.
Wolf Biermann ist eine Ikone der deutschen Musik-Szene. Der Liedermacher ist bekannt für seine ausdrucksstarken und politisch motivierten Lieder, die das DDR-Regime herausforderten und dazu führten, dass er – in Deutschland erstmalig seit der Nazizeit – ausgebürgert wurde. Seine Texte, die heute noch so aktuell sind wie damals, machten ihn zum Symbol für Widerstand und Meinungsfreiheit, seine Songs inspirieren bis heute Generationen. Mit der Neuinterpretation von Biermanns Liedern will dieses Cover-Projekt das Werk zelebrieren und seine Musik einem neuen Publikum zugänglich machen.
ÜBER DAS COVERALBUM:
(Text: Hendrik Otremba)
Clouds Hill, das Hamburger Indie-Label um Produzent und Autor Johann Scheerer, hat die Rechte am Gesamtwerk Wolf Biermanns gekauft, das sich auf etwa 300 Lieder beläuft – mit dem Ziel, seine Musik wieder zugänglich zu machen. Doch hier geht es nicht um eine Expansion des Labelkatalogs: Wolf und Pamela Biermann haben im engen Dialog mit Johann Scheerer einen Plan entworfen, eine Brücke zu schlagen von Biermanns Werk in die heutige Zeit. Ziel ist es, diese immer noch relevante Musik, die in einem von Krisen gebeutelten Europa heute aktueller denn je wirkt, einem breiteren Publikum zugänglich zu machen für eine nachwachsende Generation. So wird im Clouds Hill-Studio in Hamburg intensiv an diversen Coverstücken gearbeitet, von denen noch viel zu hören sein wird.
Wolf Biermann, Zeuge und Protagonist einer turbulenten Zeit, hat sich stets lautstark zu Wort gemeldet, um seine Kritik an den herrschenden Zuständen zu äußern – und findet nun Unterstützung in einer jungen Generation, die künstlerisch durchaus geprägt ist vom Ton des 1936 in Hamburg geborenen Künstlers, der als junger Mann in die DDR übersiedelte, um später von ihr verstoßen zu werden: weil er sich auch dort nicht zensieren ließ!
Biermanns Relevanz zeigt sich nicht zuletzt in einer aktuell großen Retrospektive des Deutschen Historischen Museums, die nachvollziehbar macht, wie Biermann seit seinen ersten künstlerischen Erfolgen in den 1960er Jahren auch immer ein Seismograph seines Heimatlandes war, durch das sein Vater in Auschwitz ermordet wurde und zu dem er stets ein gespaltenes Verhältnis behalten hat.
Johann Scheerer sieht es somit fast als zwingend notwendig, eine Musik, die sich auch in einem emanzipatorischen Sinne an ein breites Publikum widmet, diesem auch wieder zugänglich zu machen – und durch das ambitionierte Coverprojekt in ein neues Scheinwerferlicht zu rücken. In einer Zeit, in der Europa von Kriegen geplagt ist und sich auch in Deutschland das politische Klima verschärft, braucht es diese Stimme mehr denn je.
WER IST ALLIGATOAH?
(Auszug aus der aktuellen Bio)
Alligatoahs Erfolg ist kein Zufall, seine Kunst weit mehr als trivialer Klamauk, sein Witz ein effizientes Werkzeug zur Bewältigung von Weltschmerz und zwischenmenschlicher Verletzung. Alligatoah ist nicht nur ein Meister der hymnenhaften Melodien, des Spiels mit der eigenen Stimme und den Reimketten, die oft so gut sind, dass sie gar nicht als Reimketten auffallen – Alligatoah ist Meister der Zuspitzung, Meister der inhaltlichen Symbiosen, perfektionistischer Allrounder. Das ist er seit fünfzehn Jahren
„Als mein Vater so alt war, wie ich ist er mit seiner Gitarre durch Westdeutschland gezogen und hat Wolf Biermann Lieder vor kleinem Publikum gesungen. Das Lied zu covern ist für mich also in erster Linie eine Hommage an meinen Vater. Natürlich kam ich so auch früh mit Biermanns Werk in Berührung aber den „Hugenottenfriedhof“ habe ich erst jetzt entdeckt. Ich gebe zu, dass ich nicht jede Referenz in den Strophen verstehe, aber die Refrainzeilen sprechen mir aus der Seele und die Auseinandersetzung mit dem Tod ist mir in meinen eigenen Liedern wohl vertraut“, sagt Alligatoah. „Biermann ist in meiner Wahrnehmung jemand, der energisch hinter einer Sache steht und trotzdem lautstark gegen ihre falsche Umsetzung protestiert. Genau diese Mentalität ist heute selten geworden aber dringend nötig.“
LYRICS
„Der Hugenottenfriedhof“
Wir gehn manchmal zwanzig Minuten
Die Mittagszeit nicht zu verliern
Zum Friedhof der Hugenotten
Gleich hier ums Eck spaziern
Da duftet und zwitschert es mitten
Im Häusermeer blüht es. Und nach
Paar wohlvertrauten Schritten
Hörst du keinen Straßenkrach
Wir hakeln uns Hand in Hand ein
Und schlendern zu Brecht seinem Grab
Aus grauem Granit da, sein Grabstein
Passt grade für Brecht nicht schlecht
Und neben ihm liegt Helene
Die große Weigel ruht aus
Von all dem Theaterspielen
Und Kochen und Waschen zu Haus
Dann freun wir uns und gehen weiter
Und denken noch beim Küssegeben:
Wie nah sind uns manche Tote, doch
Wie tot sind uns manche, die leben
Wir treffen das uralte Weiblein
Das harkt da und pflanzt da und macht
Und sieht sie uns beide kommen
Dann winkt sie uns ran und lacht
Die Alte erzählt uns von Achtzehn
Novemberrevolution:
„Hier schossen sich die Spartakisten
Mit Kaiserlichen, die flohn!
Karl Liebknecht und Luxemburg Rosa
– so muss es den Menschen ja gehn! –
Lebendig und totgeschlagen
Hab ich sie noch beide gesehn!
Als ich noch ein junges Ding war
– ich bin ja schon viel zu alt! –
Von hier bis zur Friedrichstraße
War alles noch dichter Wald“
Dann freun wir uns und gehen weiter …
Da liegt allerhand große Leute
Und liegen auch viel kleine Leut
Da stehn riesengroße Platanen
Dass es die Augen freut
Wir gehn auch mal rüber zu Hegel
Und besuchen dann dicht dabei
Hanns Eisler, Wolf Langhoff. John Heartfield
Wohnt gleich in der Nachbarreih‘
Von Becher kannst du da lesen
Ein ganzes Gedicht schön in Stein
Der hübsche Stein da aus Sandstein
Ich glaub, der wird haltbar sein
Die Sonne steht steil in den Büschen
Die Spatzen jagen sich wild
Wir halten uns fest und tanzen
Durch dieses grüne Bild
Dann freun wir uns und gehen weiter
Und denken noch beim Küssegeben:
Wie nah sind uns manche Tote, doch
Wie tot sind uns manche, die leben