Max Giesinger in der Garage Saarbrücken
Als deutschsprachiger Singer / Songwriter hat man momentan einen guten Stand. Seit Pioniere wie Philipp Poisel den Boden neu bereitet haben, schießen die jungen Männer mit oder ohne Gitarre wie Pilze aus dem Boden und können oft sehr erfolgreich agieren. Manchmal fehlt nur der eine große Hit zum Durchbruch. Gestern in der Garage Saarbrücken gab es gleich zwei Kandidaten dieses Kalibers. Max Giesinger hatte sein eigenes EM-Wunder mit der textlich angepassten Version von „80 Millionen“. Und schon war er in aller Munde. Ursprünglich sollte das Konzert im Kleinen Club der Garage stattfinden, doch es wurde ob des plötzlichen Starpotentials sehr schnell in den großen Saal verlegt. Der platzte dann auch aus allen Nähten. Das Publikum war durchmischt, von Kindern bis hin zu älteren Paaren. Weibliche Zuhörer in der absoluten Überzahl – das konnte man an den Mitsingpassagen deutlich erkennen.
Als Support war Wincent Weiss am Start. Ein Newcomer, der momentan auch seinen Platz in den Radio-Playlists findet. Seinen Song „Musik sein“ hörte ich erstmals auf der Hinfahrt nach Saarbrücken. Zufällig im Radio. Das war doch mal ein gutes Zeichen. Auf der Bühne fand man sich zum 30minütigen Support Set also Trio ein. Wincent am Gesang, seine Begleiter abwechselnd an Keyboard, Gitarre und Cello. Es war ein akustischer Set, der anfangs etwas unterging, da das Publikum an den Rändern einfach nicht mit ewigem Gequatsche aufhören wollte. Als aber die Stimmung im Innenraum von Song zu Song besser wurde, war auch hier die Aufmerksamkeit geweckt.
Wincent ist ein durch und durch sympathischer Bursche. Seine Ansagen waren fast schon anrührend, wenn er von seiner kleinen Schwester erzählte und in den Dialog mit dem Publikum ging. Es war ihm auch sichtbar peinlich, von den Mädels angehimmelt und für seine Musik bejubelt zu werden. Eine CD hat er noch nicht am Start, darum werden die Songtitel von mir auch vermutlich falsch wiedergegeben. Zum großen Teil klassische Lovesongs („Ein Jahr reicht, um dich zu vergessen“, „Regenbogen“), ein melancholischer Gruß an die Schwester („Herzschlag entfernt“) und ein Titel zum Älterwerden („Was kann die Zeit für ein Arschloch sein“). Allesamt eingängig und angenehm anzuhören. Der Keyboarder stimmte spontan „Stand By Me“ an und das Publikum sang lauthals mit. Durch solche Dinge lässt sich Wincent noch aus der Fassung bringen.
Der gelungene Support endete mit „Unter meiner Haut“ und „Musik sein“. Während letzteres die aktuelle Single ist, war der erstgenannte Titel schon ein kleiner Hit in der Version des Deep House Duos Gestört aber Geil. Erstaunlich textsicher konnte das Publikum diese beiden Songs mitsingen und Wincent verließ sichtlich gerührt die Bühne.
Max Giesinger hatte nun die Aufgabe, den Staffelstab eines hervorragenden Supports aufzunehmen. Das gelang ihm spielend, indem er „Der Junge, der rennt“ von einer Empore hinter den Zuschauern anstimmte und sich dann den Weg durch die Menge bahnte. Es war erst das zweite Konzert dieser großen Tour und er hatte sein Publikum dennoch auf Anhieb im Griff.
Sein Mitwirken bei The Voice of Germany erwähnte der gebürtige Karlsruher kein einziges Mal. Stattdessen betonte er seine klassische Songwriterkarriere mit Straßenmusik, Musiker-WGs, dem Weg über Mannheim nach Hamburg und Berlin. Nette Anekdoten gab es da zu erzählen. Auch über Saarbrücken, wo Max Giesinger vor einem halben Jahr noch als Support für Christina Stürmer in der Garage stand. Dass er nun selbst diesen Laden füllen kann, hätte er wohl nicht gedacht.
Der Set zog sich mit einer gesunden Mischung durch beide Studioalben. „Du kannst das“ war der zweite Song, dann folgte das rockige „Barfuß und allein“. Zu „Kalifornien“ nahm er ein ausgiebiges Bad in der Menge. „Wenn sie tanzt“ sorgte für ordentlich Partystimmung und die Zuschauer machten jeden Animationsspaß freudig mit.
In der Konzertmitte gab es zwei akustische Songs, bevor „In Balance“ erstaunlich lässig im Motown Style erklang. Die Ballade „Nicht so schnell“ kündigte Giesinger als wichtigen Song für seine Karriere an, der erst in der Endphase des neuen Albums entstand. Schließlich kam der von allen ersehnte Hit „80 Millionen“, der mit Zuschauerbeteiligung ordentlich ausgedehnt wurde und der reguläre Konzertset endete nach 80 Minuten.
Ein kurzer Zugabenblock schloss sich an und die meisten Zuschauer wurden sichtlich beseelt in die Saarbrücker Nacht entlasten. Ein starker Auftritt des gut aufgelegten Max Giesinger. Es gelang ihm, ohne Casting-Schub als eigenständiger Genrevertreter aufzutreten. Die Band – zum Teil aus langjährigen Wegbegleitern zusammen gesetzt – war hervorragend aufgelegt. So hat Giesinger seinen Weg gefunden und wird ihn hoffentlich noch lange weiter gehen.