Die halbwegs erfolgreiche Teilnahme an einer Castingshow kann Sprungbrett und Bremsklotz zugleich sein. So war es wohl auch bei Max Giesinger, der im Februar 2012 bei The Voice Of Germany den vierten Platz belegte. Danach folgte nicht der große Durchbruch, doch der Bekanntheitsgrad reichte aus, um mittels einer Crowdfunding-Kampagne das Debütalbum „Laufen lernen“ zu finanzieren. Damit fasste er Fuß im Musikgeschäft und war fortan vor alle auf YouTube aktiv. Grund genug für BMG, doch noch auf den 27jährigen Singer / Songwriter aufmerksam zu werden und ihn für das Zweitwerk unter Vertrag zu nehmen.
Nun also Schluss mit „Laufen lernen“. Max Giesinger ist „Der Junge, der rennt“. Und es ist ein wundervolles Deutschpop-Album geworden. Die erste Single „80 Millionen“ beschreibt eine Lovestory und den Gang der Zufälligkeiten, über die sich wohl schon jeder einmal Gedanken gemacht hat. Ein eingängiger Song, den ich direkt ins Herz geschlossen habe. Ebenso wie das Duett „Ins Blaue“ mit der hinreißenden Elif.
Der junge Mann aus dem Süden lebt jetzt im hohen Norden. Ob das seine Musik verändert hat? In den Texten geht es um Umbrüche und das Immer-Weitergehen. „Barfuß und allein“ mag eine Momentaufnahme sein, aber Max Giesinger ist noch lange nicht angekommen. Die Texte sind vielschichtig und oft nachdenklich. „Melancholiker“ kann da ganz sinnbildlich stehen – und „Vielleicht im nächsten Leben“ beschreibt eine tiefgründige Reise in die Vergangenheit.
Die Stücke sind intim und sehr intensiv. Giesingers Stimme passt perfekt zu dieser emotionalen Tiefe und holt den Hörer da ab, wo andere deutsche Songwriter ihn momentan stehen lassen. Bis zum nächsten Album von Andreas Bourani wird es wohl noch dauern und Philipp Poisel lässt leider seit Ewigkeiten nichts von sich hören. Ich finde, Max Giesinger kann diese Lücke füllen, wenn man gut deutsche Popmusik liebt und Wert darauf legt, dass die Persönlichkeit des Songwriters in den Songs steckt.