Ein starker Auftakt für das Amphitheater Open Air 2018 in Trier: Am Mittwoch gab sich Chris de Burgh die Ehre und stand ganz allein mit seiner Gitarre auf der Bühne, um dem Publikum Hits aus allen Epochen seiner langen Karriere darzubieten. Und am Donnerstag verzauberte Amy Macdonald die Zuschauer mit ihrem schottischen Akzent und herzerfrischender Bodenständigkeit.
Am 15. Oktober wird Chris de Burgh schon 70 Jahre alt. Das sah man ihm nicht an, als er mit leger geöffnetem Hemd und Windjacke die Bühne betrat. Das Auftreten ist ebenso sportlich, wie man das von dem unwesentlich älteren Reinhard Mey kennt. Und dann ein Set – solo vorgetragen allein mit Gitarre oder wahlweise am Piano. Ähnliches durfte ich eine Woche zuvor bei Ed Sheeran erleben. Der beglückt damit 80.000 vor allem jüngere Leute. Chris de Burgh muss sich mit 1.900 Zuschauern gesetzteren Alters begnügen. Aber er hat Spaß daran und das Publikum dankte ihm am Ende für viele emotionale Momente.
Es war ein Sitzkonzert – zumindest zu Beginn. Chris de Burgh zeigte sich zunächst sichtlich überwältigt vom Ambiente des römischen Amphitheaters. Eine Kultstätte für Altertumsforscher aber auch für Konzertgänger. Denn wenn Popp Concerts alljährlich zum Amphitheater Open Air rufen, wird für viele Musikrichtungen das Richtige geboten. Folk und Pop begeisterten die Zuschauer aus dem Mund von Chris de Burgh. Mangels Schlagzeug ließ er schon früh den Rhythmus vom Publikum mitklatschen. Das gelang gut.
„The Moonfleet Overture“ wurde als Intro gespielt. „Road To Freedom“ war der erste Song. Schon an dritter Stelle gab es mit „Missing You“ einen Klassiker zum Mitsingen. Zu „Waiting For The Hurricane“ ließ der Barde erstmals die Gitarre an der Seite und setzt sich ans Piano. Chris hielt guten Kontakt zum Publikum und war zum Scherzen aufgelegt. Haben die deutschen Fußballer in Russland zuviel Wodka getrunken? So lautete die Ansage zu „Moonlight And Vodka“. Dann erzählte er von einem Traum, in dem ein Römer ihm im Amphitheater ein kühles Bier bringt. Bei den herrschenden Temperaturen war er mit diesem Traum nicht allein – aber seiner ging letztlich in Erfüllung.
„A Woman’s Heart“ besang Chris als das größte Geheimnis von allen. Dann wandte er sich der aktuellen Platte „A Better World“ zu, aber nicht ohne eine Seitenhieb auf die USA, wo die Welt anscheinend verrückt geworden ist. Ein folkiges „Shipboard Romance“ durften wir hören. Dann „The Hands Of Man“ und schließlich das autobiographische „Where Would I Be“. Der akustische Set brachte mehr Folk- als Rocksongs. Das passte gut zur abendlichen Atmosphäre in Trier. Ganz romantisch und abenteuerlich kamen dann auch Stücke vom „Moonfleet“ Album hinzu – Geschichten über Schätze und Piraten, die Chris de Burgh gekonnt erzählte.
Schließlich gab es für ein jubelndes Publikum „Borderline“ und der Sänger konnte schon nach einer Konzertstunde stehende Ovationen der Zuschauer empfangen. Ob er damit gerechnet hatte? Seine Interpretation am Piano war jedenfalls so berührend und auch pathetisch, dass es die meisten nicht auf den Sitzen hielt. Um die Situation danach etwas aufzulockern, gab es einige witzige Instrumental-Cover wie „Here Comes The Sun“, „Hotel California“ und „Pretty Woman“, bevor mit „Revolution“ der Song gespielt wurde, der eigentlich als „Borderline“-Fortsetzung gedacht ist.
Hier konnte auch ich mich zuhause fühlen, der ich doch vor allem in den 80ern zu Zeiten von „The Getaway“ und „Man On The Line“ einer großer Fan des Iren war. Damals gab es noch rockigere Klänge, die spätestens mit „The Lady In Red“ dem soften Chris de Burgh wichen. Dieser Titel wurde natürlich auch gespielt. Und das als einziger im Playback mit elektronischen Klängen. Warum? Natürlich damit der alte Haudegen und Herzensbrecher einen Ausflug zu den Damen im Publikum machen und ein paar Tänzchen aufs Parkett legen konnte. Spätestens jetzt war aus dem Sitz- ein Stehkonzert geworden. Und viel (vor allem weibliches) Volk stürmte den Platz direkt vor der Bühne.
Chris de Burgh hat ein treues Publikum. Und das weiß, was es bekommt: Eine gesunde Mischung aus alten und neuen Songs. Bei den älteren Titeln wie „Sailing Away“ gibt es ein paar Schwierigkeiten in den Höhen. Das bringt Chris aber nicht davon ab, munter zwischen Brust- und Kopfstimme zu wechseln. Und er kann es sich erlauben. Die Highlights „Don’t Pay The Ferryman“ und „High On Emotion“ folgten erst kurz vor dem Zugabenblock. Und auch die Rocksongs kommen gut zur alleinigen Gitarrenbegleitung. Chapeau!
Nach 100 Minuten Konzertlänge beendeten atmosphärische Zugaben wie „Where Peaceful Waters Flow“ ein eindrucksvolles Konzert. Es waren selige Gesichter, in die man blicken konnte. Und viele sollten ja am nächsten Abend direkt wieder kommen.
Amy Macdonald zog gut 3.000 Leute, die im Schnitt auch jünger waren als am Vorabend. Zudem war es ein Stehkonzert und es gab einen Support: Die 26jährige Antje Schomaker hatte ihr Debüt „Von Helden und Halunken“ mitgebracht. Die junge Frau vom Niederrhein hörte sich mit ihren selbst geschriebenen Songs unaufgeregt und doch emotional an. Ihre bisweilen lapidar wirkende Stimme klang wie das weibliche Gegenstück zu AnnenMayKantereit. „Bis mich jemand findet“ drückte enorme Lebensfreude aus. Und der Song „Gotham“ ist einfach genial, wenn Antje zwischen tiefer Stimme und hohen Tönen switcht. „Irgendwohin“ erklang als neuer Song für die beste Freundin und „Auf und davon“ rührte zu Tränen als Stück für eine Freundin mit Depressionen. Am 17. Oktober wird Antje Schomaker mit ihrer Band im ExHaus Trier spielen. Und dafür rührte sie ordentlich die Werbetrommel. Wer ihren Gig im Amphitheater gesehen hat, ist sicher auf den Geschmack gekommen.
Als Amy Macdonald die Bühne betrat, war vom ersten Ton an Stimmung angesagt. Die Haare plötzlich blond – das war schon sehr überraschend – dazu blaue Boots. Die Schottin ist eine traumhafte Erscheinung und dabei so bodenständig, wie man als weltweit erfolgreiche Sängerin nur sein kann. Ihre in manchmal schwer verständlichem Schottisch vorgetragenen Ansagen hörten sich an, als sei man zu später Stunde an der Theke in einem schottischen Pub. Verdammt – hat das Spaß gemacht!
Und hinzu kam natürlich wundervolle Musik zu einer lauten Rockband. Dabei hatte Amy meist ebenfalls eine Gitarre in Händen. Sie begann mit dem Titelsong des aktuellen Albums „Under Stars“. Es folgten die stimmungsvollen Titel „Spark“ und „Youth Of Today“, bevor es schon an vierter Stelle den Hit „Mr. Rock And Roll“ gab. Jetzt war der Damm gebrochen und alles sang lauthals mit. Amy erklärte, es sei schon sehr heiß für jemanden aus Schottland. Bei ihnen begänne man ab 15 Grad zu schwitzen. Und jetzt weit mehr als das Doppelte. Dann amüsierte sie sich über die zahlreichen Zaungäste in den Weinbergen: „Man will dabei sein, aber nichts zahlen.“ Das kenne sie auch aus Schottland.
Zu „Slow It Down“ wollte Amy einen Zuschauerchor formieren. Doch Totenstille im Publikum. Sie machte sich ernsthaft Sorgen, ob man ihren Akzent in Trier nicht versteht. Doch dann interpretierte sie das Schweigen zugunsten des Publikums als höfliches Zuhören. Wer weiß? Zumindest klappte der Mitsing-Refrain bei „Slow It Down“ letztendlich hervorragend. Danach kam mit „4th Of July“ eine Liebeserklärung an New York.
Das Amphitheater schien auch Amy zu imponieren. „Ihr habt noch nicht gekämpft. Gut so!“ Sie freute sich über unzählige schottische Flaggen („mehr als bei mir zuhause“) und verwies auf die Fußballtrikots, die sie extra im schottischen und deutschen Design hat anfertigen lassen. „We are Scheiße together“, so hob sie die beiden Mannschaften spielerisch auf ein Level und hatte das Gelächter auf ihrer Seite. Beeindruckend und unterhaltsam.
Musikalisch bot die 30jährige Schottin einen Rundumschlag aus vier hervorragenden Alben. Und den Song „Woman Of The Word“ aus dem Soundtrack der Disney-Komödie „Patrick“, an dem sie mitgewirkt hat. Überhaupt singt Amy mit starker Stimme und großer Überzeugungskraft. Die Band ist glanzvolles Beiwerk, aber sie braucht das nicht, wie die Ballade „It’s Never Too Late“ zu Pianobegleitung eindrucksvoll bewies. Und endlich kam auch „This Is The Life“, der Über-Hit, bei dem ordentlicher Jubel ausbrach.
Nach 95 Minuten war das Konzert zu Ende und alle lauschten beseelt den hymnischen Klängen von „Let’s Start A Band“, das man gut mit „This Is The Life“ verwechseln kann. Die Schottin hat es allein gezeigt. Die Liebe zwischen Deutschland und Schottland ist ungebrochen. Daran wird auch der Brexit nichts ändern können.