Sind tatsächlich schon fünf Jahre seit Annett Lousians letztem regulären Studioalbum „Zu viel Information“ vergangen? Ja, auch wenn sie ihren Fans die Zeit mit einem Coveralbum im 2016 und einer Tour 2017 verkürzte. Aber danach war dann erstmal eine Babypause angesagt. Musikalisch untätig scheint die Sängerin und Songwriterin in dieser Zeit allerdings nicht gewesen zu sein, denn immerhin meldet sie sich nun gleich mit einem Doppelalbum und insgesamt 20 neuen Songs zurück.
„Kleine große Liebe“ ist dabei wieder ein Album geworden, wie man es von Annett Louisan erwartet, voll poetischer und humorvoller moderner Chansons. Und gleichzeitig ist es persönlicher und insgesamt nachdenklicher und ruhiger als alle ihre bisherigen Alben. Annett hat sich viele Gedanken über das Leben gemacht, die sie nun mit ihren Hörern teilt. Das kann der Wusch sein, all die kleinen Wunder des Lebens wieder bewusster wahrzunehmen wie in „Zweites erstes Mal“, oder wie in „Wir sind verwandt“ eine bitterböse Abrechnung mit den Macken der lieben Verwandtschaft. Manche Lieder erzählen von Typen, die jeder kennt, wie beispielsweise die ewig streitende und eingeschnappte Freundin im wunderbar swingenden „Eine Frage der Ehre“ mit Barpiano und Trompeten-Einwürfen. Oft wird Annett aber sehr persönlich, wenn sie etwa in „Klein“ ihre geringe Körpergröße verteidigt, in „Meine Kleine“ ihre eigene Kindheit aus der Sicht ihrer Mutter schildert oder in „Ein besserer Mensch“ die Liebe zu ihrer ungeborenen Tochter besingt.
Und auch sonst geht es natürlich oft um die Liebe. „Two Shades of Thorsten“ und „Belmondo“ beschäftigen sich mit den Sehnsüchten, die in langjährige Beziehungen, so glücklich sie sein mögen, meist nicht mehr so leidenschaftlich befriedigt werden, „Herz gebrochen“ ist eine tieftraurige Ballade über all den Schmerz, den Liebe verursachen kann, und der Titelsong „Kleine große Liebe“ ist ein Hymne an alle Lieben eines Lebens.
Das Doppelalbum kommt im einfachen Pappschuber daher, aber immerhin mit allen Texten in den Booklets und zusätzlichen Infos zur Tour 2019/2020. Das eher schwarz-weiß gestaltete „Kleine Liebe“ ist auch musikalisch etwas ruhiger und sparsamer arrangiert, auf dem bunten „Große Liebe“ finden sich auch ein paar poppigere und schnellere Titel wie „Borderline“, „Haie“ oder „Straße der Millionäre“. Nicht alle Songs überzeugen komplett, aber insgesamt ist das neue Werk von Annett Louisan auf jeden Fall hörenswert und eine Empfehlung für alle, die Musik mit Inhalt mögen.