Mit dem sphärischen Start von „The Forbidden Fruits Of Eden“ zieht uns Aurora auf Anhieb in ihre ganz eigene Welt. Das neue Album „The Gods We Can Touch“ führt den Hörer in die spirituelle Mythologie und stellt in jedem Song eine andere Gottheit vor. Dabei glänzt die norwegische Sängerin, die mit vollem Namen Aurora Aksnes heißt, durch eine filigrane Melodieführung und eine Stimme, die an die nordischen Vocals von Björk erinnert.
Mit gerade einmal 25 Jahren hat die Songwriterin und Produzentin bereits drei Vorgängeralben releast. Ihr Track „Runaway“, den sie im Alter von zwölf Jahren schrieb und auf dem Debütalbum veröffentlichte, landete erst kürzlich einen riesigen Erfolg via TikTok bzw. Instagram und konnte so sechs Jahre nach Veröffentlichung unter anderem die Top40 Single Charts in Großbritannien knacken.
Aurora bietet avantgardistischen Pop, den man kaum nebenbei hören kann. Ihre betörend hohe Stimme nimmt mit süßlichen Klängen gefangen. Dazu kommt ein breites Instrumentarium, das sowohl in atmosphärischen Songs wie „Everything Matters“ als auch in rhythmischen Uptempo-Nummer wie „Giving In To The Love“ funktioniert. Am stärksten klingt Aurora aber, wenn sie mit zerbrechlichen Vocals ein verträumtes „Exist For Love“ singt oder Jagdgöttin „Artemis“ zu Akkordeonklängen ihre Geschichte erzählen lässt.
Über die Inspiration zum alttestamentarisch inspirierten „Heathens“ sagt Aurora selbst: „Vor langer, langer Zeit biss Eva in den verbotenen Apfel, der am Baum des Bösen und des Guten hing. Damit schenkte sie den Menschen den freien Willen. Das finde ich sehr schön, und ich wollte sie und Frauen wie sie ehren, die uns nach und nach die Freiheit in dieser Welt schenken. Eine Freiheit, so zu leben, wie es uns gefällt, zu erforschen und zu probieren. Ich finde, das Leben sollte in all seinen Farben gelebt werden, und deshalb leben wir wie die Heiden.“
So streift Aurora gekonnt durch mystische Welten. Dabei lässt sie sich stilistisch gar nicht erst festlegen. „The Innocent“ führt nach Lateinamerika, „Blood In The Wine“ klingt eindringlich nach epischer Filmmusik und der Abschluss „A Little Place Called Moon“ ist ein fernöstlich anmutendes Wiegenlied. Egal ob die Arrangements elektronisch ausschweifend sind oder der Pop in Form moderner Kammermusik erklingt – jeder Song liefert einen ganz eigenen esoterischen Trip. Leider gelingt es mir nicht, die grau auf schwarz gedruckten Lyrics im Booklet final zu entziffern, doch man muss wohl einfach die schönen Melodien für sich sprechen lassen.
Zur Veröffentlichung als Albumkonzept erklärt die Sängerin: „Die spirituelle Tür zwischen den Menschen und den Göttern ist eine sehr komplizierte Sache. In den richtigen Händen kann der Glaube zur schönsten Sache werden – pflegend und warm. In den falschen Händen kann er zu einem Leuchtfeuer von Krieg und Tod werden. Eine Sache, die mich immer gestört hat, ist die Vorstellung, dass wir unwürdig geboren werden und uns für würdig halten müssen, indem wir die Kräfte in uns unterdrücken, die uns menschlich machen. Nicht perfekt, nicht makellos. Könnten wir diese göttliche Kraft in uns selbst finden, während wir doch an den Wundern der Welt hängen und von ihnen verführt werden? Der Leib, die Frucht und der Wein. Ich glaube, das ist es, was mich an den griechischen Göttern fasziniert. Die Götter der antiken Welt. Vollkommen unvollkommen. Fast zum Greifen nah. Wie Götter, die wir berühren können.“
Aurora hat ein Talent, das sich kaum in Worte fassen lässt. Sirenenhaft erzählt sie ihre Geschichten und führt die musikalischen Botschaften aus der Jahrtausende alten Mythologie in die Gegenwart. Ein durch und durch bezauberndes Album!