Ray Wilson gehört zu den produktivsten Songwritern der Gegenwart. Wer schafft es sonst schon, innerhalb von vier Monaten gleich zwei fantastische Alben auf den Markt zu schmeißen? Okay. Ursprünglich sollte es ein Doppelalbum werden, das die akustische Songwriter-Seite und die Progressive Rock Ader des Schotten zeigt. „Song For A Friend“ mit sehr persönlichen Gitarrenstücken liegt bereits seit Juni 2016 vor und begeistert mich immer noch. Nun folgt das traditionelle Bandalbum unter dem Titel „Makes Me Think Of Home“ nach.
Ray Wilson vereint viele Musikstile in sich. Folk, Pop, Rock, Blues – doch am bekanntesten ist er eigentlich für seine Ausflüge in den Progressive Rock. Und trotzdem muss man vielen Mitmenschen erst glaubhaft machen, dass er ernsthaft der Ex-Sänger von Genesis ist, auch wenn die meisten diese Epoche der Musikgeschichte verschlafen haben. Das macht auch nichts, denn seine Solowerke toppen an Kreativität alles, was er mit den Egomanen von Genesis hätte produzieren können. Ray Wilson schreibt fast durchweg persönliche, zu Herzen gehende Songs, die von seinem vielfältigen Leben und seinen Gedanken berichten.
„They Never Should Have Sent You Roses“ erzählt die tragische Geschichte vom schottischen Jungen, der von seiner englischen Freundin verlassen wird und Selbstmord begeht. „The Next Life“ ist eine Hymne an das Leben, wenn schwere Erkrankungen (Alkoholismus) drohen oder man sie im Bekanntenkreis erlebt hat. „Tennessee Mountain“ und „Worship The Sun“ berichten vom schwierigen Leben in einer kargen Landschaft. Und „Makes Me Think Of Home“ wird zum 8minütigen Paradestück, wenn Ray Wilson, der inzwischen in Polen eine Liebe und ein Zuhause gefunden hat, vom schwierigen Verhältnis zu seiner Heimat Schottland berichtet.
„Amen To That“, das beinahe schon wie ein Gospel daher kommt, geht den umgekehrten Weg: Ein Stadtjunge beginnt ein neues Leben in den schottischen Highlands. Dieser hymnische Song wurde zu Recht als erste Single ausgewählt. Ein Triple von Songs, die von einer inneren Flucht erzählen: „Anyone Out There“ gehört dazu – und der Wildwest-Song „The Spirit“. Ganz speziell erscheint zudem der von Scott Spence geschriebene Track „Calvin And Hobbes“, der sich tatsächlich den berühmten Cartoonfiguren widmet.
Das Album „Makes Me Think Of Home“ fasst Rays Karriere gekonnt zusammen. Egal, ob man seine hymnischen Genesis-Stücke, den melancholischen Folk oder die narrativen Songwriter-Titel mag. Hier findet sich von allem etwas, als hätte Ray jahrelang auf dieses Album hin gearbeitet. Ohnehin ist er dauerhaft auf Tour. Man hat also garantiert die Chance, den sympathischen Storyteller irgendwo in der Nähe zu erleben. Geht hin – es lohnt sich!