Normalerweise läuft das ja so: Ein Künstler veröffentlicht ein neues Album, auf dem er die besten Songs, die er im Lauf der letzten Monate geschrieben hat, veröffentlicht. Entweder, weil er ihnen eine Chance im hart umkämpften Marktsegment gibt oder weil sie konzeptmäßig irgendwie zusammen gehören. Der Rest landet dann auf der nächsten Platte, fristet ein B-Seiten-Dasein oder verschwindet ganz in der Versenkung.
Doch Tarja geht einen ganz anderen Weg. Die Fans warten sehnsüchtig auf den 5. August, weil dann das neue Album „The Shadow Self“ erscheinen soll. Vorab gibt es aber nicht etwa eine neugierig machende EP, sondern ein komplettes eigenständiges Album, das 50 Minuten brandneu eingespielte Songs enthält und das Tarja selbstbewusst als Prequel-Album bezeichnet.
„Überraschung“, sagt die Sängerin dazu. „Während wir im Studio an den neuen Songs gearbeitet und diese aufgenommen haben, stellten wir fest, dass wir viel zu viel Material für nur ein Album hatten. ‚The Brightest Void‘ ist mehr als ein Vorgeschmack auf ‚The Shadow Self‘. Es ist ein eigenständiges Album mit neun Songs. Die beiden Alben sind zwar sehr stark miteinander verwoben, stehen aber unabhängig voneinander.“
Das internationale Publikum kannte Tarja Turunen lange hauptsächlich als die Stimme der Metal-Band Nightwish, doch die finnische Sängerin war schon immer in verschiedenen Musikbereichen aktiv. 2007 hat sie sich mit ihrem Solodebüt „My Winter Storm“ als ungewöhnliche Cross-Over-Künstlerin etabliert und geht diesen Weg seither unbeirrt weiter.
Den Hörer erwartet eine facettenreiche Mischung aus Klassik, Metal und Rock, zusammengehalten von der charismatischen Stimme Tarjas, die ihre klassische Gesangsausbildung nie verleugnet. Auf „The Brightest Void“ sind gleich drei Gastmusiker zu hören: der Finne Michael Monroe, Glam Rock-Ikone und ehemaliger Frontmann von Hanoi Rocks, Chad Smith und Within Temptation mit einem neuen Mix von „Paradise (What About Us)“. Die erste Single „No Bitter End“ dient als Album Opener, auf die eine beeindruckende Coverversion von Sir Paul McCartneys häufig übersehenem Glanzstück „House Of Wax“ sowie eine erfrischend neue Version von Dame Shirley Basseys James Bond Titelmelodie „Goldfinger“ folgt.
Am stärksten finde ich die Finnin aber, wenn sich ihre wundervolle und prägnante Stimme mit härteren Klängen vereint, so wie im Duett „Your Heaven And Your Hell“ und im Song „Shameless“. Tarjas hohe Stimme wirkt wie zu besten Nightwish-Zeiten. Geprägt ist das Album wie gewohnt von einer Kombination aus Rock und Klassik mit einer melancholischen und doch kraftvollen Grundstimmung. Dominant ist Tarjas Stimme, die sich voll entfaltet. Man hört ihr die klassische Ausbildung an – doch ihr reiner Sopran bleibt auch in hohen Lagen stets angenehm und wirkt nie übertrieben.
Ist „The Brightest Void“ also ein eigenständiges Album? Eigentlich schon. Vielleicht mit einer hohen Frequenz an Coverversionen und thematisch etwas zusammen gestückelt. Wäre es ein Doppel-Album geworden, hätte man die Songs wohl auf die Bonus-CD gepackt und sie wären im Backkatalog fortan stiefmütterlich behandelt worden. So aber bekommen sie ihren richtigen Stellenwert und machen Lust auf das Album im August. Mission gelungen.