Im Schatten der Cosar Nostra – der ewige Kampf der Kulturen
Man hat es gegenwärtig nicht leicht als Comedian. Schaut man auf Özcan Cosars Tourdaten, erblickt man ein Puzzle aus abgesagten, verschobenen und stattfindenden Terminen, gespickt mit den (zumindest im Moment) jeweils vor Ort gültigen Coronaregeln. Hat man sich da durchgekämpft, finden sich ca. 200 Zuschauer in der Europahalle Trier ein, die ein Vielfaches an Publikum fassen könnte. Aber so ist der Geist unserer Zeit: Unsicherheit, Bequemlichkeit und Trägheit allerorten. Dabei hätte man es doch wirklich nötig, mal wieder einen Abend lang herzhaft zu lachen. Und Özcan tat wirklich alles, damit dies gelingen konnte.
Der Schwabe, geboren in Bad Canstatt, ist Komiker, Kabarettist, Podcaster, Schauspieler und Moderator. Seine Eltern lebten vor ihrer Einwanderung in den 70er Jahren am schwarzen Meer. Ihre Eigenarten spielen mehrfach eine tragende Rolle in Cosars Stand-up-Geschichten. Und trotz der türkischen Prägung hört man im Deutsch des Comedians immer wieder den schwäbischen Akzent durchschimmern. Damit spielt der 40jährige sehr lebhaft.
Das Programm dauerte locker 2,5 Stunden mit einer 20minütigen Pause. Bis zum Ende hin hatte sich Özcan Cosar sichtlich verausgabt. Er wollte alles geben und brauchte dafür weder ein aufwändiges Bühnenbild noch technische Effekte. Humor, Schauspiel, Tanz, Bewegung, Spontanität und Kreativität reichen völlig. Dazu ein recht junges Publikum, das sich aus allerlei nationalen Hintergründen zusammensetzt und sich trotzdem in Cosars Erzählungen wiederfindet.
Zunächst geht es natürlich um den Kulturschock Deutschland vs. Türkei. Wo sind die Unterschiede, wenn Özcan eine Frage stellt? Deutsche zeigen artig auf, Türken klatschen wie wild drauf los. Ausländer aller Art bekamen ihr Fett weg. Albaner, Syrer, Rumänen – für jeden hatte der Komiker lieb gemeinte Worte der klischeehaften Einordnung. Es drehte sich um das Schauen von Horrorfilmen, um divergentes Beleidigen, um Verschwörungstheorien („Nikolaus war Türke“), um antiautoritäre Erziehung und um die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen („Mein Kindersitz war meine Oma“). Zum Ende der ersten Halbzeit wurde ein Merksatz von ganz am Anfang klar: Wenn das Licht ausgeht, lachen wir alle gleich!
Nach der Pause gab es eine kurze Irritation, weil der Funksender nicht funktionierte. Özcan machte eine große Show aus dem kleinen Missgeschick und hatte direkt wieder alle Lacher auf seiner Seite. Jetzt drehten sich Cosars Anekdoten um das Nachtleben und die Jagd nach Frauen. Plötzlich waren die kulturellen Unterschiede gänzlich verschwunden. In der Machtlosigkeit gegenüber Türstehern und beim hilflosen Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht sind wir doch alle gleich.
Corona war im Programm kaum ein Thema, aber die eigene Einstellung gegenüber Krankheiten („Ich bin Hypochonder total, meine Frau heißt Sagrotan“). Haarklein erzählte der Comedian von einer Hand-OP mit allen Irrungen und Wirrungen. In der schauspielerischen Leistung war dies der Höhepunkt des Abends. Und Türken im Erste-Hilfe-Kurs dienten als lustiges Anschauungsobjekt.
Ganz zum Schluss echauffierte Özcan Cosar sich mehr als ausgiebig über die Macht der Frauen in allen Kulturen – so wortgewandt, aggressiv und larmoyant, das man ihm kaum folgen konnte. Und plötzlich wurde es ernst und er verurteilte vehement jede Gewalt gegenüber Frauen. Ein nachdenklicher Abschluss eines großartigen Abends.
Das Publikum war aus dem Häuschen und Özcan durfte im Zugabenteil seinen Freund und Kollegen Chris Tall im Publikum begrüßen, der extra den Weg nach Trier auf sich genommen hatte, um eine der wenigen nicht gecancelten Shows zu genießen. Vermutlich brauchte auch er nach 20 langen Monaten das Gefühl einer sich steigernden Show und eines mitgehenden Publikums. Die 200 Menschen in der Europahalle waren jedenfalls der Traum jedes Stand-up-Artisten. Von Anfang an mit im Boot und mit stehendem Applaus zum Abschied.