Bosse lädt ein zum „Engtanz“

Indiepop aus Deutschland – die Muttersprache als lyrisches Mittel. Bosse hat es sich von Anfang an nicht leicht gemacht. Der in Braunschweig geborene Musiker hat das Zeug zum großen Songwriter und steht seit langem auf einer Ebene mit Kollegen wie Clueso und Madsen. Die prominente Unterstützung kommt diesmal allerdings aus ungewohnter Ecke: der deutsch-amerikanische Rapper Casper bereichert „Krumme Symphonie“ mit seinem Sprechgesang. Eine ungewöhnliche Kombi, zugleich aber auch ein Highlight des neuen Albums.

Das letzte Werk „Kraniche“ war sehr ruhig gehalten. Mit Pianoklängen, verzauberten Geschichten und feinfühligem Gesang. Die Liebe zur deutsch-türkischen Frau spielte eine große Rolle und schlug sich zeitweise im Instrumentarium wieder. Nun aber geht es in eine andere Richtung. Schluss mit reduzierten Songversionen: Es darf geklotzt werden. Ein Chor, Bläserklänge und Streicher bereichern ausufernde neue Arrangements.

Der Titel „Engtanz“ ist da schon irreführend. Die elf Tracks sind weit entfernt vom Klammerblues, der uns in jungen Jahren über manche Tanzsession hinweg gerettet hat. Hier darf ruhig ausgelassen getanzt und gerockt werden. Die Tagträume beschreiben Licht und Schattenseiten. „Steine“ verursacht ein beklemmendes Gefühl, „Nachttischlampe“ hat Melancholie zu bieten und „Dein Hurra“ lässt die Puppen tanzen. Bis zum orchestralen Ausklang mit dem eingängigen „Ahoi Ade“ ist alles stimmig und ich lasse mich gern auf die Engtanz-Reise ins Leben mitnehmen.

Der Grund zum Optimismus ist nachhaltig: 2013 hat Bosse den „Bundesvision Song Contest“ gewonnen, ist mit dem „Deutschen Musikautorenpreis“ ausgezeichnet worden, hat den Hamburger Musikpreis „Hans“ gleich dreifach eingeheimst. Er hat mit der letzten Platte allein über 100 Konzerte und die größten Festivals gespielt, bevor er im Herbst 2013 auf einer abermals ausverkauften „Kraniche“-Tour in opulenter Akustikbesetzung mit 11 Musikern und insgesamt 48 Instrumenten auf der Bühne zur leisen Landung aufgesetzt hat. Zuspruch, Anerkennung, Aufmerksamkeit und Bewunderung von allen Seiten. Bosse hat sich endgültig in der ersten Liga seiner Zunft auf die vorderen Plätze gespielt.

„Das alles war unglaublich intensiv, schön und berauschend“, so Bosse heute. „Nach all dem ein neues Album zu schreiben, war eine ziemlich große Herausforderung. Ich musste erstmal Ruhe finden, verarbeiten und schauen, worüber es sich lohnt zu singen. Nach fünf Alben hat man schon viel gesagt. Die einzige Chance, die ich in den Texten sah, war, noch tiefer zu gehen und den Zustand zu beschreiben, in dem ich mich befinde. Meine Jugend ist vorbei und die letzten Jahre waren geprägt von großen, tollen Dingen, aber auch von Trauer und Abschieden. Es ging mir darum, mich dem zu stellen und auf volle Konfrontation mit mir zu gehen. Eng zu tanzen mit sich selbst, den anderen und dem Leben.“

„Mordor“ ist einer der Schlüsselsongs. Bewusst in die Albummitte gestellt, erzählt er vom Erwachsenwerden, vom Älterwerden, vom wehmütigen Blick zurück. Der Berliner Kneipenchor funktioniert da als kongeniale Verstärkung – und Tolkiens Schwarzes Land „Mordor“ als Songtitel ist ein spannender Schachzug, führen doch von hier wie im echten Leben unzählige Pässe in unentdecktes Land.

Meisterhaft fängt Bosse Stimmungen ein, gießt sie in genau die richtigen Töne und Worte. Die Ideen scheinen ihm niemals auszugehen. Er nimmt Momente, die wir alle kennen, und erzählt seine Geschichte, als sei es die unsere.

Albumplayer:

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