Long Distance Calling brennen in der Essigfabrik mit Audrey Horne und Solstafir ein Feuerwerk ab!
Gerade als Long Distance Calling auf ihrer letzten Tour eindrucksvoll bewiesen haben, dass sie als reine Instrumentalband hervorragend und ohne Einschränkung funktionieren, geben sie diesen Status nun auf. Nachdem Reimut von Bonn die Band verlassen hatte, bot sich ein Ersatz an, der nicht nur die Elektronik beherrscht, sondern auch noch singen kann: Martin „Marsen” Fischer schien die ideale Ergänzung zu sein. Die Bestätigung sollte der Auftritt in der Kölner Essigfabrik liefern.
Dort machen den Auftakt Audrey Horne, die sich nach einer Figur aus David Lynch’s „Twin Peaks“ benannt haben. Die naheliegende Assoziation, dass ihre Musik ähnlich düster, vertrackt und mysteriös wie die Filme des Meisters sind, führt allerdings in die Irre. Hier regiert der schnörkellose Hardrock. Die Gitarrenhälse sind meist Richtung Hallendecke gereckt und auch an weiteren Posen mangelt es nicht. Frontmann Torkjell Rod fühlt sich auf der Bühne sauwohl und ist unablässig in Kontakt mit dem Publikum. Viel mehr bleibt jedoch nicht hängen von den Norwegern. Ganz anders Solstafir, die anschließend die Bühne entern. Sänger Tryggvason bezeichnet sich und seine Mannen als Piraten, die von Stadt zu Stadt ziehen. Ein gutes Leben, wie er meint. Und das merkt man ihnen in jeder Sekunde ihres Auftritts an. Nach ihren Anfängen im Black Metal, machen sie jetzt etwas ganz eigenes, das mit Progressive und Psychedelic nur unzureichend zu beschreiben ist. Es fesselt auf jeden Fall und man hat als Zuschauer das Gefühl, dass hier vier Männer das machen, wonach ihnen musikalisch ist, ohne sich um irgendwas zu scheren. Da wirkt auch die kreisende Whiskey-Flasche, die sowohl die leeren Becher von Fans füllt, als auch die trockene Kehle des Bassisten ölt, während er spielt, nicht wie eine aufgesetzte Rocker-Attitüde. Ich habe selten erlebt, dass ein Support mit Zugabe-Rufen bedacht wird und zumindest für eine erneute Verabschiedung nochmal auf die Bühne kommt.
Es muss ja so langsam auch weitergehen, denn es ist schon 21:30 Uhr und die Umbauarbeiten für den Auftritt der Headliner beginnen gerade erst. Durchgeführt übrigens von den Jungs von Long Distance Calling selbst, was wieder ein paar Coins in die Sympathiekasse gibt. Nicht zum ersten Mal darf dann der Opener des aktuellen Albums auch das Konzert eröffnen. Kam in der letzten Tour noch „Into The Black Wide Open” diese Rolle zu, darf jetzt entsprechend „Nucleus” ran. Behutsam versammelt der Song alle Zuhörer um sich, um sie dann auf die Reise ins Land der harten Riffs und blumigen Gitarrensoli von David Jordan mitzunehmen. Drums and Bass-lastiger geht es weiter mit „The Figrin D´an Boogie”, das sich in seiner Vielschichtigkeit nicht hinter dem neuen Material verstecken muss. Mit „The Flood Inside” wird LDC dann auch für mich zur Band mit Stimme. Gut, auf allen Alben gab es schon Tracks mit hochkarätigen Gastsängern, aber jetzt eben richtig. Marsen singt jedoch nicht als Frontmann, sondern bleibt oben an den Keyboards, was passt, denn er versteht seinen Gesang als Teil der Musik und das ist gut so. Über alle Zweifel erhaben in seiner Intensität ist „Black Paper Planes”. Die Drums von Janosch Rathmer stehen etwas zu sehr im Vordergrund, vor allem beim psychedelischen „Ductus”. Was für ein grandioser Song! Wahrscheinlich der beste des neuen Albums „The Flood Inside”. Und dann gibt Marsen doch noch den Frontmann. „Tell The End” singt er in erster Reihe und rückt dabei seine stimmlichen Qualitäten in ein besonders gutes Licht.
Die Stimmung ist hervorragend und wird noch einen Tick besser als Florian Früntmann, heute ganz in Roses (sorry, kleines Wortspiel) gekleidet zum Tänzchen zu „Arecibo” auffordert. Nötig war’s nicht, denn (hallo?) wer kann bei diesen Riffs unbewegt bleiben? Nach dem launigen Ausflug in die Farben des Morgenhimmels mit „Aurora” wird mit „The Man Within” noch ein neuer Song samt Gesang präsentiert. Das Mainset schließt das altbewährte „Metulsky Curse Revisited“ ab.
Als Zugabe gibt’s den so typischen LDC-Sound in Gestalt von „Apparitions” und lässt in einer knappen Viertelstunde träumen und abrocken. Härrlisch, wie der Kölner sagen würde. Die ordentlich gefüllte Essigfabrik leert sich nach den letzten Takten trotz vorgerückter Stunde nur langsam. Man hängt noch ein bisschen dem Erlebten nach. Bei länger anhaltenden Nachwirkungen fragen Sie ihren Plattenhändler oder Konzertticketverkäufer. Es lohnt sich.