Sólstafir: Die endlose Liebe und das innere Selbst
Ein Vierteljahrhundert nachdem Sänger/Gitarrist Aðalbjörn „Addi“ Tryggvason das atmosphärische isländische Metal-Quartett Sólstafir mitbegründet hat, folgen sie noch immer ihrer Grundregel – dass es keine Regeln gibt. Nach ihren Anfängen im Black Metal, machen sie jetzt etwas ganz eigenes, das mit Progressive und Psychedelic nur unzureichend zu beschreiben ist. Es fesselt auf jeden Fall vom ersten bis zum letzten Ton.
Für die Band fühlt es sich natürlich an, einen epischen 10-minütigen Song ohne traditionellen Vers/Chorus-Abtausch zu schreiben. Ihre Musik fließt seit jeher wie es ihnen gefällt. „Nachdem wir lange eine Metal-Band waren und Phasen von Shoegaze, atmosphärischen Black Metal und Post-Rock durchlebten, fühle ich mich einfach privilegiert, alle meine Lieblingsgenres mischen zu können und damit durchzukommen“, sagt Tryggvason. Im musikalischen Kosmos von Sólstafir wirbeln so unterschiedliche Künstler wie die Beatles, Kraftwerk, Ennio Morricone und Billy Corgan umher und sickern unüberhörbar bis ins Songwritung durch.
Das Aquarell „The Lady of the Mountain“ auf dem Cover von „Endless Twilight of Codependent Love“ ist die weibliche Personifizierung Islands und wurde erstmals 1864 von Johann Baptist Zwecker in einem Buch mit isländischen Volksmärchen veröffentlicht, aber so nie der Öffentlichkeit gezeigt. Den Isländern war dieses Bild bis vor kurzem nur als schwarz-weißer Holzschnitt bekannt bis zwei Isländer das Original in einer walisischen Museumsgalerie fanden, wo es ein Jahrhundert lang aufbewahrt wurde. Jetzt ist es wieder zu Hause und schmückt das Cover des neuen Sólstafir-Albums. „Jeder Mensch in Island kennt dieses Bild“, erklärt Tryggvason und plötzlich taucht das Original auf und jeder sagt: „Oh mein Gott, das sind die schönsten Farben, die ich je gesehen habe.“
Während sich die frühen Sólstafir-Texte mit der nordischen Mythologie und Kritik an der organisierten Religion befassten, erkunden die neueren Lieder ihre spirituelle Verbindung mit der Natur und aktuell auch mit psychischen Störungen, die von Depressionen bis hin zu Alkoholismus reichen und mit dem Tabu, über solche Themen sprechen – vor allem damit man als Mann nicht als schwach wahrgenommen wird.
Die isländischen Vocals sind gewöhnungsbedürftig, aber sie passen sehr gut zu den psychedelischen und bisweilen mystischen Klängen. Die Reise in die Innenwelten der menschlichen Psyche ist durchaus gelungen – und das Album klingt genauso unheimlich zwischen sanften Klängen, eindringlichen Gesängen und hartem Metal, wie man sich das eigene Innenleben je nach Stimmungslage vorstellen mag.