Ben Harper & The Innocent Criminals hinterlassen in Köln ein glückliches E-Werk
Am Ende eines intensiven Konzert-Abends blickt Ben Harper während „With My Own Two Hands“ in der hell erleuchteten Halle in glückliche Gesichter. Glücklich auch, weil diese Hymne ihnen, den Zuschauern, gewidmet ist. Genauer gesagt uns Deutschen, zumindest jenen, die die geflüchteten Menschen willkommen geheißen haben und das nach wie vor tun. Dass es in dieser Sache ziemlich dunkle Seiten in Deutschland gibt, braucht in diesem Moment keine Rolle zu spielen. Wir feiern uns und Ben Harper zusammen mit den reaktivierten Innocent Criminals.
Welche Dynamik ein solcher Abend entwickeln kann, wird einem bei der Erinnerung an den Support The Jack Moves, der drei Stunden zuvor den Abend eröffnet hatte, bewusst. Da passierte nämlich … nichts. Gerüchte besagen, dass zwei Drittel des Publikums sanft entschlummert waren. Es könnte sein, dass sie den Gastauftritt von Ben Harper verpasst haben, der die Jungs aus New Jersey bei einem Song mit der Lap Steel Gitarre begleitet hat. Aber auch diese Geste vermag es nicht, den Soul der Jack Moves aus seiner Belanglosigkeit zu retten.
Mit „Oppression“ übernehmen dann Ben Harper und die Innocent Criminals das Zepter. Das Publikum ist sofort da und die ersten Reihen werden nach „In The Colors“ vom Frontmann in den Blick genommen. Er erkennt viele treue Fans und begrüßt sie auch, wie zum Beispiel seinen „Bruder aus Tunesien“. Das ist kein Anbiedern Ben Harper’s an sein Publikum, sondern ernst gemeinter Respekt und wohl einer der Gründe für die Treue seiner Fans. Die können sich über den Klassiker „Don’t Take That Attitude To Your Grave“ freuen. Songs des eher unterdurchschnittlichen aktuellen Albums „Call It What It Is“ folgen und funktionieren live besser als auf Platte. Es ist wieder der altbekannte und einzigartige Genremix, der nicht nur das Gesamtwerk Harpers und das aktuelle Album ausmacht, sondern auch diesen Abend so kurzweilig macht. Der Reggae hält mit „Finding Our Way“ Einzug, der Soul wird durch das launige „Shine“ repräsentiert. Ein wirkliches Glück ist der überraschende Verzicht auf „When Sex Was Dirty“. Puh.
Stattdessen ist Gänsehaut angesagt. „Morning Yearning“ ist unheimlich intensiv und lebt von der wundervollen Klangfarbe in Ben Harpers Stimme. Zwei Feuerzeuge werden ganz am Rand in die Höhe gehalten, was ihm ebenfalls nicht entgeht. Und so blickt er während zwei Strophen ununterbrochen zu dem Lichterpaar. Wieder so ein Moment der Begegnung. Der musikalische Höhepunkt folgt mit „Fight For Your Mind“, in dem Bassist Juan Nelson zu Höchstform aufläuft. Es bleibt nicht nur bei einem fantastischen Solo, sein Bass liefert sich eine Art Zwiegespräch mit Harper’s Lap Steel Guitar. Dass er gesanglich ebenfalls einiges zu bieten hat, stellt er mit dem Tag „Them Changes“ unter Beweis.
Die einzige wirkliche Rocknummer ist „Faded“. Von dieser Sorte hätte ich mir mehr gewünscht, aber man kann nicht alles haben. Es ist auch der Song, in dem Harper sein Können an der Lap Steel vollends unter Beweis stellt. Sein ausschweifendes Solo begeistert. Mit „How Dark Is Gone“ geht es in die Zugabenpause und wie erwartet, ist es Percussionist Leon Mobley, der aus dieser als erster zurück auf die Bühne kommt, um in die Kiffer-Ode „Burn One Down“ einzuleiten. Einen weiteren Höhepunkt hat die Zugabe mit „Where Could I Go“ zu bieten. Auch wer nicht so sehr auf Gospel-Pathos steht, kann nur bewundernd auf Ben Harper blicken, der im Song sein Mikro hinter sich lässt, um am vorderen Bühnenrand unverstärkt mit seiner Stimme die Halle zu füllen. Das Publikum honoriert das mit höchst möglicher Ruhe, bevor es anschließend in maßlosen Jubel verfällt. Zum Schluss gehen die Lichter an im Saal, um „With My Own Two Hands“ gemeinsam zu zelebrieren. Wir sprachen bereits davon. Alle sind dankbar für besondere Momente mit besonderen Musikern. Es wurde Zeit, dass Ben Harper endlich wieder mit seiner bunten Truppe, den Innocent Criminals auf der Bühne steht. Wir mussten lange darauf warten.
Setlist:
- Oppression
- Diamonds On The Inside
- In The Colors
- Don’t Take That Attitude To Your Grave
- Finding Our Way
- Shine
- Morning Yearning
- Roses From My Friends
- Fight For Your Mind / Them Changes
- Call It What It Is
- Excuse Me Mr.
- Faded
- How Dark Is Gone
- —–
- Burn One Down
- Where Could I Go
- Steal My Kisses
- With My Own Two Hands