Ein schlimmes Unwetter fegt über Düsseldorf mit teils dramatischen Folgen hinweg. Die Zuschauer im zakk bekommen davon nichts mit. Gemeinsam mit drei Norwegern und einem Schweden bereisen sie fast drei Stunden lang unterschiedliche Klanguniversen. Einen sanften Einstieg bildet das Akustik-Set, einem festen Bestandteil der diesjährigen Motorpsycho-Tour. Während sich noch einige Fans im hauseigenen Biergarten mit den herannahenden dunklen Wolken beschäftigen, geht es drinnen mit einem sehr gefühlvollen “Coventry Boy” los. Aus noch früheren Tagen, stammt das nachfolgende “Babylon”, ein Song des Albums “Demon Box”, mit dem Motorpsycho 1993 der Durchbruch gelang. Und spätestens mit “Kill Some Day” entwickelt sich dieser erste Part zur Reminiszenz an das Frühwerk der Norweger. Die Langzeit-Fans mögen so etwas sehr und singen lautstark den Refrain von “Waiting For The One”.
Fast nahtlos leitet dann “Stained Glass” ins Hauptset über. Es stammt aus dem Album “Let Them Eat Cake”, mit dem die Band im Jahr 2000 ihre Pop orientierte Schaffensphase einläutete. Es ist eindeutig dieses Werk, das Motorpsycho für die aktuelle Tour wieder aus dem Regal gezogen haben, um dessen Songs in neuen Gewändern aufleben zu lassen. Ein solch neues Arrangement bekommt auch “Serpentine” verpasst und avanciert darin zu einem der Höhepunkte des Abends. Aus dem schnörkellosen Popsong wird heute Abend ein psychedelisches Meisterwerk mit Doom-Einschlag.
Als Gitarrist “Snah” Ryan die Doubleneck zur Hand nimmt, ist klar, dass der längste Song des Abends bevorsteht. “Hell” verteilt sich mit seinen sieben Parts auf die letzten beiden Alben und wird heute als 45-minütiges Gesamtkunstwerk dargeboten. Den Beitrag, den Reine Fiske – offiziell noch Gastmusiker bei Motorpsycho – an der Gitarre und am Mellotron hierzu beisteuert, ist grandios und mittlerweile eigentlich unersetzlich. Mit einem tollen Solo veredelt er auch “The Magic & The Wonder” vom aktuellen Album “Behind The Sun”. Aus diesem stammt auch “Ghost”, eigentlich eine Akustik-Ballade, die in ihrer Live-Version vor allem dank der Raum füllenden Akkorde von Bassist Bent Sæther viel energischer ist. Einen Ausflug in den Hyperspace dürfen wir vor der Zugabe im Cockpit des “Starhammers” unternehmen. Wuchtige Riffs machen einem sphärischen Mittelteil Platz. “Entropy” ist mit einer guten Portion Overdrive im Bass ein stimmungsvoller Abschluss des Mainsets.
Die besondere Überraschung gibt es dann in der Zugabe. Bent entschuldigt sich schon im Vorfeld für mögliche Ungenauigkeiten, denn wirklich einstudiert wurde “577” nicht. Reine Fiske hatte gerade mal 5 Minuten im Soundcheck zur Verfügung, um sich auf seinen Part im 15-minütigen Power-Jam vorzubereiten. Er macht seine Sache hervorragend, ebenso wie im von vielen Fans frenetisch bejubelten “Plan #1”. Und weil weder Band noch Fans genug bekommen können, wird mit einer zweiten Zugabe der Bogen zum ersten Akustik-Part gespannt. Beim wundervollen “Come On In” stört eigentlich nur der Lärm der unter den Schuhen zerberstenden Plastikbecher. Bent stellt unter großem Applaus noch einmal die Bandmitglieder vor und sich selbst dann als Dieter Hoeneß, im Gegensatz zum Vorabend in Heidelberg, als er sich noch als Paul Breitner ausgab. Drummer Kenneth Kapstad, der mal wieder Großartiges geleistet hat, überreicht seine Sticks gezielt einem der jüngsten Zuschauer, für den dies wohl mehr als ein i-Tüpfelchen auf einen tollen Konzertabend war. Glückwunsch, Ben!
Setlist:
- Coventry Boy
- Babylon
- Sideway Spiral
- Kill Some Day
- Waiting For The One
- —
- Stained Glass
- Serpentine
- Sail On
- Hell
- Ghost
- On A Plate
- The Magic & The Wonder
- For Free
- Starhammer
- Entropy
- ——
- 577
- Plan #1
- —–
- Come On In