The National haben Glück. Hätten sie zwei Tage vorher in Köln gespielt, wäre ihr Konzert wohl buchstäblich ins Wasser gefallen. Nach dem Unwetter, das rund um die Domstadt seine Spuren hinterlassen hat, wird der Tanzbrunnen heute nur von der Sonne überflutet und das wunderschöne Ambiente aus Palmen und Zeltdach sorgt dafür, dass schon fast wieder so etwas wie Urlaubsatmosphäre aufkommt. Da passt der melancholische Indie-Rock des Quintetts aus Cincinnati doch bestens. Vor gut einem Jahr erschien ihr sechstes Album „Trouble Will Find Me“. Ein Album, das gleichzeitig so neuartig wie familiär klingt und der vorläufige Höhepunkt einer künstlerischen Reise ist, die The National sowohl in neue Sphären als auch zurück zu ihren Anfängen bringt. Für Juli diesen Jahres ist übrigens die Tour-Doku „Mistaken For Strangers“ von Matt Berningers Bruder Tom angekündigt und wenn man das Konzert in Köln als Maßstab nimmt, dann darf man sich darauf mehr als freuen.
Als Matt Berninger und die zwei Brüderpaare Aaron (Gitarre, Bass, Piano) und Bryce Dessner (Gitarre), sowie Scott (Bass, Gitarre) und Bryan Devendorf (Schlagzeug) gegen 20 Uhr die Bühne betreten – unterstützt von einem Trompeter und einem Posaunisten -, ist der Jubel entsprechend. Vor und auf der Bühne herrscht eine gleichzeitig gespannte wie entspannte Stimmung, wozu der gefeierte Opener „Start A War“ sein übriges beiträgt. Überhaupt wirkt das Set heute sehr stimmig und dynamisch und spätestens ab „Bloodbuzz Ohio“ ist auch Matt Berninger nicht mehr zu halten, während die Band zwischen Balladen und Rock hin und her pendelt. Berninger lässt seine Bariton-Stimme über die Köpfe der etwa 2.500 Fans hinwegschweben und prügelt ab und zu auf sein Mikro ein, als wüsste er gerade nicht wohin mit seinen Emotionen. Und davon haben The National ja bekanntlich genug im Gepäck. Dass dabei auch die ein oder andere Weinflasche dran glauben muss, sei nur am Rande erwähnt. Das Mainset endet standesgemäß mit „Fake Empire“ und Matt Berninger wirkt in diesem Moment so scheu und verletzlich, dass man am liebsten auf die Bühne springen und ihn mal feste in die Arme schließen möchte.
Dazu bietet schließlich der Zugabenblock Gelegenheit, der mit dem Perfume Genius-Cover „Learning“ beginnt. Während „Mr. November“ nimmt Berninger ein ausgiebiges Bad in der Menge, begleitet von zwei leicht panisch aussehenden Technikern, die versuchen, mit der Mikrophonschnur niemanden zu erdrosseln. Zu „Terrible Love“ gesellen sich dann die Musiker der Vorgruppe St. Vincent (die wir zugunsten einer Pizza und eines Kölsch verpasst haben) zu The National und gemeinsam strebt man dem Ende des Abends entgegen. Diesen markiert dann das akustische und nochmals hochemotionale „Vanderlyle Crybaby Geeks“, zu dem der ganze Tanzbrunnen singt und tanzt.
Nach fast zwei Stunden geht man schließlich mit der wohligen Gewissheit nach Hause, dass The National große Gefühle nicht nur hör-, sondern vor allem spürbar machen. Dabei bewegen sie sich mit einer erstaunlichen Eleganz zwischen transparenten – fast schon stillen – und überbordend instrumentierten Momenten. So schön kann Schwermut sein.
Setlist:
- Start A War
- Don’t Swallow The Cap
- I Should Live In Salt
- Anyone’s Ghost
- Bloodbuzz Ohio
- Sea Of Love
- Hard To Find
- Afraid Of Everyone
- Squalor Victoria
- I Need My Girl
- This Is The Last Time
- Green Gloves
- Abel
- Apartment Story
- Humiliation
- Pink Rabbits
- England
- Graceless
- Fake Empire
- —————
- Learning
- Mr. November
- Terrible Love
- Vanderlyle Crybaby Geeks