Hunde die bellen…
…beißen nicht. Dieser Gedanke kommt mir zumindest, wenn ich den sehr aggressiven Bandnamen GRUNDHASS verinnerliche und dann doch anfangs recht sanfte Melodien und überlegte Worte höre. Steffen Neumeister klingt nämlich zunächst wie der nette Straßenmusiker von nebenan und verliert sich schon im Opener „Tag am See“ gemeinsam mit Sebastian Madsen in beschwingter Sehnsucht nach dem Sommer und guten Freunden.
„Das Leben der anderen“ bringt dann doch stilvollen Punk und eine ordentliche Position Gesellschaftskritik. Melodisch sauber zeichnet Grundhass ein energisches Bild zwischen Generationenkonflikt und Weltveränderungsideen. „Fünf minus vier“ hingegen funktioniert als Lovesong mit lapidaren Worten und fatalistischer Grundstimmung. Die Produktion bei Ole Fries (Pictures) lässt die Songs bandmäßig ballern. Die Kombination aus atemloser Faust-in-die-Luft-Atmosphäre und dem feinsinnigen Storytelling der Texte ist eine große Stärke der Platte.
Mit viel Power starten „Unter dem Dreck“ und „Unter dem Meer“ durch. „Ihr nehmt mir mein Leben nicht weg“ richtet sich gegen Hass und Lügen in den Medien. „Die Ballade vom orangen Lieferdienst“ ist fast schon eine moderne Moritat in der Art eines Bänkelsängers mit der humorvollen Anleitung, wie man Milliardenkonzerne beklaut. Köstlich.
„Dortmund“ liefert eine Liebeserklärung an die Herzensstadt der Westfalen, die man in dieser Form so nicht erwartet hätte. Mit vielen schnellen Worten nimmt sich „Tocotronic hatten immer Recht“ die aktuelle Parteienlandschaft vor und das metallische „Messerkampf im Penny-Markt“ hat in 58 Sekunden und drei Satzfragmenten mehr Aussage als die komplette Schlagerparade. Von heiler Welt mögen andere Platten erzählen, diese hier tut es nicht.
So ist „Ganz OK“ definitiv die Übertreibung des Jahrhunderts. Grundhass prangern an und tun dies in punkiger Dreisamkeit. Steffen alias Grundhass ist Mastermind und treibende Kraft, singt, spielt Gitarre und Orgel. Ole Fries sorgt für die klangvolle Produktion und den Bass, Tonic bearbeitet das Schlagwerk. Am Ende gibt es ein Dutzend starker Songs in 36 Minuten, die nach leicht verhaltenem Start doch noch lässige Power und eine klare Haltung zu bieten haben. Geheimtipp!