Adel Tawil und seine „Lieder“ waren am 2.8.2014 im Amphitheater Trier

Der letzte Abend brachte ein ganz besonderes Highlight: Die Reihe der Open Airs im Trierer Amphitheater ging vergangenen Samstag mit dem Auftritt von Adel Tawil zu Ende. Es war mit Abstand das Konzert, das den breitesten Altersschnitt mit sich brachte. Viele Familien waren anwesend und vor Beginn sah man unzählige Kinder ausgelassen durch die Reihen wirbeln.

Als Support war Songwriter Mathia am Start. Er wurde als Mathia-Mathithiahu Gavriel in Tel-Aviv geboren und lebte seither in Los Angeles, London und New York. Seit einiger Zeit lebt er in Berlin und hat damit die perfekte Basis für seine Solokarriere gefunden. Was er in Trier bot, war seichte Gute-Laune-Musik, angerichtet als Gitarrenpop mit einem guten Schuss Indie-Feeling und hymnischen Melodien. Eine feine Vorspeise an einem lauen Sommerabend.

Foto: Peter Fath

Als Adel Tawil schließlich die Bühne betrat, wurde der letzte Zuschauer wach und die Kids nahmen ihre Plätze auf den Schultern der Väter ein. Bestens gefüllte Konzerte mit nur einem Album – wie schafft man das? Zum Glück weiß jeder Bescheid, denn Adel Tawil hat wie kein anderer zuvor seine musikalische Biographie mit den Fans geteilt. Im Song „Lieder“ sind neben den Einflüssen aller Art auch die Stationen des persönlichen Werdegangs musikalisch verwurstet. Und genau diese spielten im Verlauf des Konzerts eine große Rolle.

Gemeinsam mit Annette Humpe gründete er 2003 das Popduo Ich + Ich, das sich zu einem der erfolgreichsten Bandprojekte des neuen Jahrtausends entwickelte. Das zweite Album „Vom selben Stern“ verkaufte sich über eine Million Mal und hielt sich ganze 154 Wochen in den Top 100 der deutschen Albumcharts. Damit gehörten Humpe und Tawil zu den ersten, die im vergangenen Jahrzehnt bewiesen haben, dass deutschsprachiger Pop und Langlebigkeit sich durchaus mit einander vereinen lassen.

Foto: Peter Fath

Adel hatte solo schon einen ersten Erfolg mit der Single „Stadt“, die er 2009 im Duett mit Cassandra Stehen einsang. Diesen Titel gab es in Trier auch – zusammen mit Backgroundsängerin Maria Helmin, die hier auch als Solistin glänzte. Überhaupt war die Band großartig und Maria Helmin setzte bisweilen an der Violine noch ein i-Tüpfelchen drauf („Kartenhaus“).

Der sympathische, bärtige Lockenkopf Adel Tawil hatte das Publikum von Beginn an gut im Griff. Er redete mit den Leuten, vor allem den Kindern, machte ab und zu ein Bad in der Menge und ging ganz locker damit um, wenn mal ein Einsatz verpasst wurde. Das Publikum hing an seinen Lippen und man sang lange Passagen des Soloalbums, dessen Titel hauptsächlich gespielt wurden, begeistert mit. Im Hintergrund war eine bühnengroße LCD-Leinwand, die das Geschehen mit Einspielern oder Porträts der Musiker illustrierte.

Foto: Peter Fath

Highlights gab es eine ganze Menge. Beispielsweise den Titel „Graffiti Love“, der von fünf großen Trommeln begleitet wurde. Oder der rührende Abschluss von „Stark“, als Adel die Textzeile „Ich steh nur hier oben und sing mein Lied“ a cappella ins Publikum schmetterte. Da ging wirklich jedem das Herz auf. An weiteren Ich + Ich-Songs gab es unter anderem „So soll es bleiben“ und natürlich „Vom selben Stern“, das Adel von einigen Kindern mitsingen ließ.

In den 90ern war Adel Tawil noch Mitglied bei The Boyz, was man heute wohl als Jugendsünde verbuchen muss. Immerhin hat ihm diese Boygroup den Weg ins Musikgeschäft geebnet und der Vollständigkeit halber schmetterte der Sänger in einem Medley den einzigen echten Hit „One Minute“, bevor es mit „Der Himmel soll warten“ aus Sidos MTV-unplugged-Album weiter ging. Schon erstaunlich, welche Hits es bereits vor dem Debüt aus Adels Kehle gab.

Foto: Peter Fath

Irgendwann kam der Moment, wo Tawil fragend in die Menge schaute „Was soll ich denn jetzt noch singen?“ und beinahe umfiel, als ein Chor von Kinderstimmen ihm „Lieder“ entgegen brüllte. Natürlich gab es auch diesen Song und viele Textzeilen wurden vom Publikum lauter gesungen als vom Sänger. Adel Tawil hat Punkte gemacht im Amphitheater. Wer vorher noch kein Fan war, war es danach ganz bestimmt.

Der Sympathiefunken sprang über und die 100 Minuten Konzertlänge vergingen wie im Flug. Mir hat noch „Pflaster“ als allerletzte Zugabe gefehlt (snief). Stattdessen gab es die B-Seite „Kater am Meer“ in einer Langversion, die dann doch irgendwie zu viel des Guten war. Viele Zuschauer verließen während den ausschweifenden Soli schon den Platz und die Ausharrenden ärgerten sich am Ende, dass nicht doch noch ein weiterer Song kam. So sollte man ein Konzert nicht beenden. Sei’s drum. Bis auf diesen seltsamen Abschluss war alles fantastisch!

Foto: Peter Fath