Vermächtnis einer großen Band – Soundgarden „Live From The Artists Den“
Soundgarden haben eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Gegründet 1984 stieg die Band, auch dank der charakteristischen Stimme ihres Leadsängers Chris Cornell, spätestens Anfang der 1990er Jahre zu Ikonen der Grunge-Welle auf. Es folgten drei genreprägende Alben, ehe sich das Quartett 1997 offiziell auflöste. 2010 folgte schließlich eine von den Fans vielumjubelte Wiedervereinigung, aus der zwei Jahre später das Album „King Animal“ hervorging. Bevor Soundgarden einen Nachfolger veröffentlichen konnten, nahm sich Chris Cornell am 18. Mai 2017 in einem Hotelzimmer in Detroit das Leben. Dieser Tag markiert das tragische und endgültige Ende der Soundgarden-Ära.
Am 17. Februar 2013 traten Soundgarden im Rahmen ihrer „King Animal“-Tour im The Wiltern Theater in Los Angeles auf. Es war der Abend des Tourabschlusses. Im Nachhinein wurde das Konzert zu einem der gefragtesten Live-Releases seitens der Fans. Ihr Wunsch geht nun in Erfüllung. Am 26.07. erscheint der Konzertfilm „Live From The Artists Den“, der den Auftritt im The Wiltern Theater dokumentiert und das gleich in fünf verschiedenen physischen Formaten sowie als Digital Audio. Um letzteres wollen wir uns hier kümmern. Mitte Juni konnten sich die Fans in den USA bereits über Screenings in einigen ausgewählten Kinos freuen, darunter eines in The Showbox in ihrer Heimatstadt Seattle, wo Soundgarden 2010 unter dem Anagramm „Nudedragons“ den ersten Gig ihrer Wiedervereinigung absolvierten. „The Artists Den“ ist übrigens eine mehrfach preisgekrönte amerikanische TV-Serie, für die speziell ausgewählte Künstler in einem intimen Rahmen und an einem besonderen Ort auftreten.
Während der knapp zweieinhalbstündigen Show im The Wiltern Theater spielten Soundgarden Songs aus ihrer gesamten Karriere. Neunundzwanzig sind auf den zwei CDs der aktuellen Veröffentlichung versammelt. Darunter solch frühe Perlen wie “Hunted Down“ über Stücke ihrer bahnbrechenden Alben „Badmotorfinger“ und „Superunknown“ bis hin zur fast kompletten Tracklist von „King Animal“. Siebzehn dieser Songs feiern auf „Live From The Artists Den“ ihre Premiere auf einem Live-Release der Band, wobei „Blind Dogs“ hier nochmal herausragt, weil Soundgarden das Stück im The Wiltern Theater zum allerersten Mal überhaupt live spielten.
Leider muss man sagen, dass Soundgarden Zeit ihres Bestehens nie eine herausragende Live-Band waren. Ich habe Chris Cornell, Schlagzeuger Matt Cameron, Gitarrist Kim Thayil und Ben Shepherd am Bass zweimal auf der Bühne erlebt, 1996 und 2012, und beim ersten Mal bin ich nach der Hälfte gegangen, obwohl ich die Band damals wie heute sehr verehrt habe. So schlimm klingt „Live From The Artists Den“ zwar nicht, aber eine Offenbarung ist der Audio-Mitschnitt auch nicht. Vielleicht funktioniert das Ganze im Zusammenspiel mit den bewegten Bildern auf der Blu-ray ja besser. So sucht man sich seine Highlights in der überwiegend fett vor sich hin rockenden Setlist eher einzeln aus. Dazu gehören für mich der psychedelische Opener „Incessant Mace“, mein All-Time-Favourite „Burden In My Hand“ oder „Rusty Cage“, in dem Chris Cornell eindrucksvoll beweist zu welchen gesanglichen Höchstleistungen er in der Lage war und die mit fast elf Minuten epische Version von „Slaves & Bulldozers“. Am Ende steht ein mit „FeedBacchanal“ betiteltes Feedbackgewitter, das man noch eine Woche lang mit sich herumträgt.
Immerhin ist die Stimmung im The Wiltern Theater grandios. Die Fans übernehmen teilweise den Gesangspart („Outshined“) oder hören zu, wenn Chris Cornell von den Erfahrungen mit seinem gewalttätigen Vater erzählt. Es sind Gänsehautmomente wie diese, die einem bewusst machen, welcher Verlust für die Musikwelt Soundgarden im allgemeinen sind und Chris Cornell im besonderen. Auch seine Frau Vicky Cornell bezeichnet den Abend als speziell und dass sie sich selbst sechs Jahre später noch gut daran erinnert, welch großen Spass ihr Mann dabei hatte. Exemplarisch dafür steht vielleicht ein Stück wie „Blood On The Valley Floor“ mit den für Soundgarden typischen Kreissägen-Gitarren, einem alles nach vorne schiebenden Schlagzeug, eingestreuten Soli und einem stampfenden, fast schon bedrohlichen Rhythmus, der immer wieder von grellen Gitarrenblitzen unterbrochen wird.
So ist „Live From The Artists Den“ zwar kein akustischer Leckerbissen, aber als Zeitdokument und als Würdigung einer außergewöhnlichen Band durchaus empfehlenswert. Für das geschmackvolle (wenn auch etwas martialische) Artwork der uns vorliegenden 2CD-Edition gibt es noch einen Zusatzpunkt. Die Hardcore-Fans greifen besser direkt zur limitierten Super Deluxe Box, die den kompletten Auftritt in 5.1 Surround Sound und Stereo auf Blu-ray, mehr als 30 Minuten an Bonusinterviews mit den Bandmitgliedern, vier schwarze 180g Vinyl-Scheiben, zwei CDs, ein 40-seitiges Fotobuch, vier Lithografien und andere Memorabilia wie einen Access All Area Pass oder ein Ticket der Originalshow enthält. Für welche Ausführung ihr euch letztlich auch entscheidet, eines bleibt unbestritten: Soundgarden haben mit ihrer Musik eine ganze Generation geprägt und ihr musikalisches Erbe wirkt bis heute nach.