2017 war Florian Silbereisen erstmals mit einer neuen Show auf Tour: „Das große Schlagerfest (Die Party des Jahres)“ gastierte damals in der Arena Trier und lockte nahezu 4000 Zuschauer in eine kurzweilige, mehr als dreistündige Show. Das Konzept, in dem Silbereisen den Schritt weg von der Volksmusik hin zur massenkompatiblen Abendunterhaltung geht, scheint aufgegangen zu sein und hat sich etabliert. Er umgibt sich mit seiner Boygroup Klubbb3, nimmt einige Shooting Stars der Szene mit, um sie einem großen Publikum vorzustellen – und es gibt ein Zugpferd, das in aller Munde ist. 2017 war das DJ Ötzi, in 2018 ist Jürgen Drews an der Reihe.
Das Drumherum war stimmig. Das kann ich jetzt schon sagen. Es gab eine große Bühne mit LCD Leinwänden und einer Art Klettergerüst für die Protagonisten. Der Bühnenbereich wurde nach vorne mit Stegen erweitert und mittendrin war etwas Platz frei für die tanzwütige Partyzone mit Stehplätzen direkt an der Bühne. Der Rest des Saales hatte Sitzplätze, aber auch hier hielt es die Leute nicht lange auf dem Hosenboden, sondern es wurde immer wieder aufgestanden und mitgetanzt.
Den Abend nur mit Eigengewächsen von Klubbb3 und Drews zu füllen, würde schnell langweilig werden. Daher sieht das Konzept anderes vor: Es gibt einen Rundumschlag durch die deutsche Schlagerlandschaft, garniert mit einigen englischsprachigen Highlights. So legte zunächst Florian Silbereisen selbst los und feuerte die Stimmungskanonen „Pure Lust am Leben“, „Griechischer Wein“ und „Live is life“ an. Damit jeder in Trier lauthals mitsingen konnte, gab es die Texte als Übertitel zum Mitlesen. Das wäre bei diesen Schlagern sicher nicht nötig gewesen, aber egal.
Direkt auf den Fuße folgte Ross Anthony. Der britische Glamourboy gehörte früher mal zur „Popstars“-Castingband Bro’Sis. Nach deren Ende hat er sich aber erfolgreich freigeschwommen und brilliert inzwischen als Glitzer-Entertainer, was er auch in Trier im quietschigen roten Anzug bewies. Zur Freude der anwesenden Mitsänger gab es Hits wie „Michaela“, „Himbeereis zum Frühstück“, „Ein Student aus Uppsala“ und „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ aus dem kollektiven Schlagerrepertoire. Silbereisen kam hinzu und gemeinsam gaben sie „Amarillo“ zum Besten.
Interessant wurde es aber mit den ersten Gästen, die man als Schlagerfan nicht so auf dem Schirm hatte. Zum Beispiel die junge Helene Nissen. Die 21jährige Sängerin aus Schleswig macht schon länger Pop- und Rockmusik. Beim ESC-Vorentscheid 2017 lernte sie Silbereisen kennen und der nimmt sie jetzt mit auf Schlagertour. Auf jeden Fall brachte die junge Frau frischen Wind in die Show. Sie wirkte schüchtern und vor allem bei den choreografierten tanzeinlagen sympathisch unbeholfen auf der Bühne, doch ihre Stimme war der Hammer. Und vor allem im Zusammenspiel mit den männlichen Kollegen konnte sie durchweg überzeugen. „I Will Survive“ sang sie kraftvoll und hatte das Publikum fest im Griff. Danach gab es mit Florian Silbereisen die bekannte Schlagerballade „Liebe ohne Leiden“.
Für gekonnte Tanzeinlagen sorgte die fünfköpfige DDC Breakdance Company, die eine waghalsige Tanzakrobatik an den Tag legte, egal ob volkstümliche oder englische Schlagerhits im Hintergrund liefen. Mit dem Publikum tanzte man stilvoll Sirtaki und leitete damit zur Formation Klubbb3 über, die Silbereisen mit dem niederländischen Kollegen Jan Smit und dem Belgier Christoff De Bolle gegründet hatte. Das erste Album auf Platz 4 der Charts, die nächsten beiden an der Spitze. Läuft. Die Hits konnte das Publikum noch nicht auswendig mitsingen, aber dafür gab es ja die Übertitel. Zum ersten Finale kamen Ross und Helene dazu und man schmetterte „Save All Your Kisses For Me“. Vielseitigkeit war Trumpf.
Zum Cooldown gab es von Silbereisen eine Gänsehautversion des Klassikers „Ruf Teddybär 1-4“. Sehr gefühlvoll und so gar nicht partymäßig. Das Publikum reagierte reserviert, aber ich fand es toll, dass der Entertainer diesen Song ausgepackt und sich mal ganz anders gezeigt hat. Um der Ironie Tribut zu zollen, die Klubbb3 gerne mal als „Boyband des Schlager“ bezeichnet, lieferte das Trio ein Medley aus All-time-hits wie „Relight My Fire“, bevor es dann zur Versöhnung den Kaiser-Hit „Joanna“ gab.
Endlich war mit Ben Zucker ein weiterer Gast am Start, der vom Publikum sehnlichst erwartet wurde. Der Berliner singt mit charismatischer Reibeisenstimme und hat es 2017 mit seinem Debüt „Na und?!“ in die Top 10 der Charts geschafft. Zu Recht! Er ist nicht nur grundsympathisch, sondern sang seine Hits wie „Na und?!“ und „Was für eine geile Zeit“ auch frei von der Leber weg mit großem Elan. Da es eine Schlagerparty war, mussten danach Coverversionen ran. „Über den Wolken“, unterlegt mit einem Discobeat, hat mich doch sehr irritiert. Doch Westernhagens „Freiheit“ klang sehr gut aus Zuckers Mund. Und das Duett „I Need A Hero“ im Duett mit Helene Nissen war definitiv der Überflieger.
Noch vor der Pause (und die Show war schon 90 Minuten alt) gab es eine Hommage an Wolfgang Petry. Alle bis dahin vertretenen Künstler traten in Holzfällerhemden auf und interpretierten Wolles größte Hits. Der Abend hatte um 19.30 Uhr begonnen – und um 21.15 Uhr gab es die von manchen herbei gesehnte Pause, die 30 Minuten dauerte.
Konnte man zu Beginn der zweiten Hälfte endlich mit Jürgen Drews rechnen? Nein. Zuerst nochmal Klubbb3. Dann aber nahm der „König von Mallorca“ mit besagtem Hit die Bühne ein. Für seine fast 73 Jahre war er erstaunlich fit und präsent. Die anderen unterstützten ihn zwar beim Gesang, doch das hätte er locker auch allein gestemmt. In der Schlagerzeitreise gab es sogar den Hit „Mamma Loo“ aus Drews‘ Zeit bei den Les Humphries Singers. Für „Ich bau dir ein Schloss“ baute man ein Gummischloss auf der Bühne auf. Alles ganz lustig und stimmungsvoll. Überhaupt gab es den ganzen Abend viel fürs Auge, denn auch einige Background-Tänzerinnen mischten immer wieder mit.
Den Superhit „Ein Bett im Kornfeld“ hob man sich fürs Finale auf. Vorher gab es nochmal Klubbb3 und beispielsweise Ross Anthony mit „Tanze Samba mit mir“. Der Brite ist wirklich eine überragende Stimmungsmaschine. Dann – fast schon 23 Uhr – gab es das große Finale und alle waren wieder auf der Bühne. Das Publikum feierte seine Künstler. Und obwohl ich jetzt nicht der Schlager-Fanatiker bin, muss ich ihm Recht geben. Die Show war sehr stimmungsvoll und bot Hits für alle Generationen. So war das Publikum auch sehr gut durchmischt, was die Altersgruppen angeht. Und es machte sich fröhlich-beschwingt auf den Heimweg.