Whitechapel: „Kin“ – dynamisch, vielfältig, emotional
„Kin“ ist bereits das achte Album der US-amerikanischen Metalband aus Knoxville, Tennessee. Mit diesem Werk verabschieden sich Whitechapel noch ein Stück weiter vom Deathcore, für den sie in ihrer Anfangszeit standen. Stattdessen stehen nun viele melodische und cleane Momente im Vordergrund, die sich mit dem Hardcore alter Tage abwechseln. Damit führen Whitechapel die neu eingeschlagene Richtung von „The Valley“ (2019) konsequent fort. „Kin“ ist eine dynamische und vielfältige Sammlung, die den Sound der Band in neue Gefilde vorantreibt, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, was sie an diesen Punkt gebracht hat.
„Ich habe das Gefühl, dass wir bei jedem Album lernen, was beim Letzten am besten funktioniert hat, und versuchen, das beim Schreiben zu nutzen. Zu Beginn des Songwritings gab es einige Diskussionen darüber, dass das Album wie ‚The Valley‘ Teil II sein könnte, nicht wörtlich so genannt, aber so, wie die Songs klingen und fließen. Es ist ein sehr erzählerisches Album, so wie es ‚The Valley‘ war“, sagt Sänger Phil Bozeman. „Musikalisch wollen wir einfach das schaffen, was wir in dem jeweiligen Moment fühlen. Wir schreiben Musik, wie wir uns fühlen und nicht, was von uns erwartet wird, während textlich die Idee, die Geschichte von ‚The Valley‘ weiterzuführen, immer das Ziel war.“
Das Ergebnis ist ein Album, das viele klangliche und emotionale Bereiche auslotet, und zum ersten Mal kann man sagen, dass ein Whitechapel-Album ebenso sehr ein Rock- wie ein Metal-Album ist. Eine Behauptung, der auch Gitarrist Alex Wade zustimmt: „Es ist immer noch ein Metal-Album, aber es gibt Elemente auf der Platte, die eher einen rockigen und offenen Vibe haben. Wir wollten wirklich, dass diese Songs atmen und Leben haben und größer klingen als alles, was wir bisher gemacht haben. Wir haben auf ‚Kin‘ auch mehr Gesang ausprobiert. Es würde keinen Sinn machen, wenn die Mehrheit der Fangemeinde diesen Sound genießt und dann davor zurückschreckt.“
Der Opener „I Will Find You“ lebt dieses Konglomerat aus beiden Stilen exakt vor. Der Wechsel von akustischen zu verzerrten Gitarren erfolgt sehr abrupt und begeistert auf Anhieb. Nach cleanem Gesang gibt es aggressive Growls, die in „Lost Boy“ noch mehr Raum bekommen. Eine saubere Death Metal-Attacke, die zeigt, dass Whitechapel weiterhin zu Großem fähig sind. So entstehen Hymnen wie das blutrünstige „A Bloodsoaked Symphony“ und das eindringliche „The Ones That Made Us“.
Die Ballade „History Is Silent“ fällt da deutlich aus dem Rahmen, schafft aber eine geniale Atmosphäre und wildert fast schon in poppigen Gefilden. Macht aber nichts, denn Bozemans Stimme klingt hier einfach göttlich. Auch „Orphan“ und das Double „Without You / Without Us“ haben eine sehr melodische Seite zu bieten. Und wie ein Versprechen für zukünftige Werke schließt der Titelsong das Album ganz melancholisch ab.
Alles in allem ist „Kin“ ein sehr kontrastreiches Werk, das technisch perfekt umgesetzt ist und vor musikalischen Finessen nur so trotzt. Wem es stellenweise zu seicht wird, der hört sich halt „To The Wolves“ in Dauerschleife an – dann ist es wie in alten Zeiten.