Nachdem Flogging Molly mit ihrem irischen Punk-Tanzabend das Festival eröffnet hatten, waren erst einmal harte Klänge angesagt. Jinjer stammen aus Kiew und hatten im Bühnenhintergrund ein Symbol in ukrainischen Nationalfarben, das zugleich Friedenssymbol und Wurfscheibe war. So widersprüchlich war dann auch die Musik, bei der Rockröhre Tatiana Shmayluk ganz im Mittelpunkt stand. Sie bot energischen Klargesang und Growls – begleitet von starken Metalriffs und lautem Geknüppel am Schlagwerk.
JINJER – Fotocredit: Rainer Keuenhof
Fever 333 liefertem mit wuchtigen Bassklängen eine dynamische Show ganz im Stil von Rage against the Machine und Public Enemy. Die Band aus Los Angeles hat mit Jason Butler einen fantastischen Frontmann, der mit viel Enthusiasmus politische Botschaften verbreitete und ständig in Bewegung war. Zum Ende hin erschien er plötzlich ganz oben auf der Boxengasse (das Publikum hatte schon angefangen „Scheiß Tribüne“ zu skandieren) und ließ sich dort oben ordentlich feiern. Für die Menschen im Behindertenbereich war es sicher grandios, als der Sänger alle Absperrungen überkletterte und mit ihnen hautnah abrockte.
Fotocredit: Rainer Keuenhof
Und dann das für den Ring so typische Wechselbad der Gefühle: Ein „Special Guest“ wurde angekündigt – doch wer hätte gedacht, dass nach zwei Hardcore Acts plötzlich Olaf, der Flipper auf der Bühne steht? Im letzten Jahr war „Wir sagen Dankeschön“ die ultimative Hymne aller Zeltplätze. Es gab im Anschluss gar eine Petition, die Flippers zum Ring zu holen. Und tatsächlich haben die Veranstalter Olaf für schlagerhafte 15 Minuten verpflichtet. „40 Jahre die Flippers“ rahmte den kurzen Gig ein, bei dem Olaf live zu Playback sang und Hits wie „Lotusblume“ und „Mona Lisa“ zu Gehör brachte. Das Publikum war erstaunlich textsicher und feierte eine regelrechte Schlagerparty.
Olaf, der Flipper – Fotocredit: Rainer Keuenhof
Yungblud (alias Dominic Harrison) ist in den USA eine große Nummer – und das zu Recht. Sein Crossover aus Pop, Alternative Rock und Rap mit einer Prise Glamour animierte die Zuschauer*innen zu Circle Pits und exzessivem Stagediving. Dabei ging der Fronter immer wieder auf Tuchfühlung zum Publikum. Yungblud schleimte sich gut ein, lobte das ekstatische Publikum und wünschte sich, bald einmal Headliner zu sein. Wenn er weiter so durchstartet, dürfte der Wunsch bald in Erfüllung gehen. Yungblud bot starken Alternative Rock mit Vocals, die nicht von ungefähr an Billy Idol erinnern. Er trägt viel Energie in sich und versteht es, diese zu vermitteln. Den weltweiten Durchbruch hat er durch seine Liveauftritte geschafft und ROCK AM RING dürfte eine wichtige Station auf seinem weiteren Weg gewesen sein. Der Freitagnachmittag wurde durch ihn fulminant ausgeläutet.
Auch der zweite Tag brachte perfektes Sommerwetter, großen Durst und Sonnenbrandgefahr. Zwar waren leichte Schauer für den späten Nachmittag angesagt, doch die machten einen großen Bogen um den RING. Stattdessen also wieder ausgelassene Stimmung bei 90.000 Fans. Allerdings war der Start diesmal verhaltener als am Vortag. Zu den ersten Bands fanden sich nur spärliche Zuschauertruppen vor der Main Stage ein. Aber logisch – es waren halt nicht die DONOTS, die hier den Einheizer spielten.
Kodaline aus Dublin ließen die Fans an der „Utopia Stage“ bei hymnischen Gitarren schwelgen. Der Sänger Steve Garrigan hat eine bestechend hohe Tenorstimme, die er auch gern in hohe Sphären schweben lässt. Zudem setzt er sich gern ans Piano und spielt verträumte Melodien. Das Ganze war durchaus stadiontauglich und hätte bei Zehntausend Fans vermutlich gut funktioniert – aber nicht am frühen Nachmittag.
Auf Anraten der lieben Daniela von der Werft musste ich mir aber parallel auch Schimmerling auf der „Orbit Stage“ anschauen – und ich wurde nicht enttäuscht. Die Hamburger Band hat sich in einer Bahnhofsbuchhandlung kennengelernt, heißt es. Sänger Shimmoneq stammt aus Bonn. Mit seinen vier Mitstreitern bietet er feinen Indierock, der gerne mal auch deftig zur Sache geht. „Jäger“ richtete sich mit bösem Sarkasmus gegen das Patriarchat und es gab weitere politische Songs – wie auch für die Schwester des Sängers, die mal als Seenotretterin tätig war. Schimmerling waren sichtlich gerührt von den Sprechchören des Publikums und widmeten einen Song kurzerhand der Behörde Frontex mit deutlichen Worten: „Fickt euch ins Knie!“
Auf der Hauptbühne gab es dann die Australier Gang Of Youths und das war eine wahre Freude. Hart und melodisch gingen sie durch ihren Set mit Songs wie „The Man Himself“, „Magnolia“ und „In The Wake Of Your Leave“. Sänger David Leʻaupepe hat eine beeindruckend markante Stimme und er begab sich – was bei RAR sehr selten vorkommt – mitten ins feiernde Publikum, um hautnah an den Fans zu sein. Melodisch wurde der Set an einer Violine begleitet und zum Ende hin gab es ein hymnisches Duett mit dem Publikum. Ein großartiger Gig, der Lust auf ein komplettes Konzert der Band machte.
Dann endlich mal wieder die Sportfreunde Stiller. Der Zeitplan war heute auf den Punkt, also kein Chance, zwischen den Acts zu trödeln. Die Sporties starteten mit „Ich, Roque“, „Komm schon“ und „Alles Roger!“, um das Eis zu brechen. Dann gab es eine wirklich schwermütige Ansage von Peter Brugger, der mit ehrlichen Worten von einer fetten Krise der Band erzählte und dass man kurz vor dem Ende stand. Die Anfrage von ROCK AM RING sei gerade recht gekommen, um dem Trio aus Germering wieder eine Perspektive zu geben – und gemeinsam mit dem Publikum feierte man diese Tatsache per „Applaus, Applaus“. Außerdem wurde eine neue Platte namens „Jeder nur ein X“ für den 16. September angekündigt. Also alles gut im Haus der Sporties und man gab mit „New York Rio Rosenheim“, „7 Tage, 7 Nächte“ und „Kompliment“ eine große Party. Die Sportfreunde existieren nun schon seit 27 Jahren und (kaum zu glauben) seit 25 Jahren sind sie schon am RING am Start. Corona war ein harter Einschnitt für jede Band. Das lange Warten hatte nun endlich ein Ende, wobei der letzte Song die Ungeduld zum Ausdruck brachte: „Wie lange sollen wir noch warten?“
Dann war es aber Zeit, zur „Mandora Stage“ zu wandern, wo samstags die härtere Gangart zum Tragen kam. Kollegin Julia hat diese Bühne mit dem seltsamen Namen kurzerhand zur „Mandalorian Stage“ umbenannt, was eigentlich auch viel mehr Sinn macht. Mastodon gaben sich jedenfalls kriegerisch mit „Pain With An Anchor“, „Bladecatcher“ und „Blood and Thunder“. Fronter Troy Sanders ist schon eine Erscheinung mit Rauschebart und Rauschehaaren. Er hat eine äußerst sonore Stimme – aber wenn er singt, erklingen verlebte Vocals und aggressive Growls.
Etwas zeitversetzt gab es auf der „Orbit Stage“ die Indierocker SCHMUTZKI aus dem wilden Süden Deutschlands. Sänger und Gitarrist Beat Schmutz lieferte geile Songs mit Attitüde. „Nazis raus“ wurde schon früh als Parole ausgegeben und die Jungs hatten das Publikum gleich auf ihrer Seite. „BÄM“ vom 2015er Album gab es stilecht mit Fäusten in der Luft. Aktivist Klausi machte eine Tour im Schlauchboot über das Publikum, um Pfandbecher einzusammeln. Schmutz hatte zuvor für die Organisation „Viva con Agua“ geworben und wollte den gemeinnützigen Umsatz ankurbeln. Hat funktioniert: Klausi ertrank unter einem Berg von Becher, die auch aus der Ferne zielsicher geworfen wurden. Zum Ende hin gab es von SCHMUTZKI noch „Zeltplatz Baby“ – die perfekte Festivalhymne. Mission gelungen!
Währenddessen wurde die Hauptbühne umfassend umgebaut. Während Alligatoah vor drei Jahren sein komplettes Wohnzimmer mit auf die Bühne gebracht hatte, musste es jetzt natürlich größer sein. Das hatte zur Folge, dass er quasi seine zweite, musikalische Heimat um sich herum aufbaute: Auf der „Utopia Stage“ gab es eine zweite Bühne im kleineren Format namens „Mega Stage“ – mit allem drum und dran, inklusive verpeilten Roadies. Im Hintergrund als Jahreszahl 2020, womit Alligatoah punktgenau das verlorene Corona-Jahr nachfeierte. Es war ein großer Spaß. Lukas Strobel ist Rapper, DJ, Produzent und Sänger. Seine Stimme driftet fast ins Schlagerhafte ab und sein Wortwitz ist kaum zu bremsen. Da gibt es Schnelligkeit in den Textpassagen und ein wohliges Ärzte-Feeling in den Refrains. Alligatoah ist einfach ein Gesamtkunstwerk, was Kostümierung und Auftreten angeht. Es gab ein Medley der schönsten Lagerfeuerlieder und „Alli-Alligatoah“ wurde als Zwangs-Wunschlied gewählt, bevor das „Trauerfeier Lied“ den regulären Set abschloss. Was? Zugaben am frühen Abend bei ROCK AM RING? Ja, denn Alligatoah hatte seine Show als Festival-Theaterstück aufgebaut und hielt sich an alle Regeln. Es gab Fans, die sich im Vorfeld bewerben konnten, als Sponsoren und die Stagehands fingen zu früh mit dem Abbau an. Es war ein Feuerwerk genialer Ideen!
Danach musste nochmal die „Mandora“ Stage für Fever 333 herhalten. Vor drei Jahren waren sie schon Geheimtipp und die Fangemeinde hat sich noch weiter vergrößert. Die kalifornische Band lieferte eine dynamische Show ganz im Stil von Rage against the Machine und Public Enemy. Frontmann Jason Butler beherrschte den Crossover aus Rap und Metal perfekt und lud die Menge zum Springen und Bouncen ein. Beim letzten Ring-Gig hatte Jason selbst das Dach des FOH erklommen. Diesmal schickte er seinen Bassisten vor und der legte zu aller Überraschung noch ein respektables Stagediving aus luftiger Höhe hin. Der Bass blieb dabei auf dem Dach liegen – ein wenig Verlust ist immer.
PLACEBO begannen ihren Set auf der Hauptbühne mit „Forever Chemicals“. Die erste Ansage erfolgte in deutscher Sprache: „Wir sind Placebo aus London und jetzt wir machen viel Spaß“. Kein Wunder, hatten die beiden Protagonisten doch fast ein Heimspiel. Brian Molko und Stefan Olsdal besuchten eine Luxemburger Schule und sind so etwas wie die geheimen Ehrenbürger des kleinen Landes nahe der Eifel, was man bei den Konzerten dort immer wieder feststellen kann. Songwriter Molko wird wohl nie wirklich fröhliche Songs schreiben. Eine latente Unzufriedenheit und Melancholie ist immer vorhanden. Aber sie erwiesen sich als würdige Headliner. Viele Fans hatten gerade auf diesen Auftritt gewartet. Mit seiner typisch gepressten Stimme und viel Dramatik singt der Frontmann in “Happy Birthday In The Sky” mit eindringlichen und herzzerreißenden Worten vom Verlust. Natürlich gab es auch Mitsing-Klassiker wie „Too Many Friends“ und „For What It’s Worth“. Und eine Überraschung ganz zum Schluss: Das Kate-Bush-Cover „Running Up That Hill“ ist ja momentan wieder in aller Munde, weil es nach seinem Einsatz in der vierten Staffel von „Stranger Things“ die Chartspitze bei Spotify erklomm. Placebo gaben mit viel Verve ihre ganz eigene Version.
Schließlich MUSE, die heiß erwarteten Headliner. Ihre aktuelle Arena-Show mit dem Titel „Will Of The People“ hatte just hier am RING Premiere. Den entsprechenden Song gab es dann auch direkt als Einstieg – ebenfalls als Livepremiere. Die Show startete mit brennenden Symbolen im Bühnenhintergrund und Matthew Bellamy trat mit seinen Kollegen für einen Song in kantigen Masken auf. Musikalisch gab es die ganz große Bandbreite progressiver Rockmusik mit viel Elektronik aber auch einem deutlich angezogenen Härtegrad. Riffs von Rage Against The Machine und Slipknot brachten das Publikum zum kollektiven Ausrasten. Zwischen wilden und ganz entspannten Circle Pits war alles drin. Inzwischen gab es die eingangs erwähnte Maske im Großformat auf der Bühne, eine riesige Hand, die eine Lichtershow kreierte, und dazu immer wieder gewaltige Pyro. Die beeindruckende Lightshow wurde immer weiter ausgebaut. Aus einer Konfettikanone schossen große Fäden ins Publikum, die sich dann aber am Stahlseil der Geländekamera aufhingen und wie helle Dementoren über dem Publikum schwebten. Ein krasser Effekt – auch wenn er nicht beabsichtigt war. Zwischenzeitlich wurde es sphärisch und elektronisch mit durchaus floydesken Passagen. Bellamy kam im Neonanzug über den Laufsteg nach vorne und baute sich mitten in hohen Lichtsäulen auf. Ein genialer Effekt! Der Set brachte natürlich „Supermassive Black Hole“ aber auch Überraschungen wie Matthews Solotitel „Behold, The Glove“. Die Zeit hymnischer Gitarren war längst wieder angebrochen und im Zugabenblock gab es „Kill Or Be Killed“ einen ganz neuen Song vom nächsten Album. Dann erklang Ennio Morricones berühmtes Thema aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, das Matt selbst an der Mundharmonika anstimmte, und ein gigantisch-fantastisches Konzert endete mit „Knights Of Cydonia“.
Wer jetzt noch nicht genug hatte, musste schnell zu Casper rüberhüpfen, der die „Mandora Stage“ in eine richtige Blumenwiese verwandelte. Tiefgehende Lyrics sind sein Markenzeichen und wie stets war er hyperaktiv in Bewegung. Neben seinen eigenen, sehr atmosphärischen Stücken gab es auch Songs aus den Marteria-Sessions wie „Adrenalin“ und „Supernova“. Zudem hatte sich der Rapper den Songwriter Drangsal auf die Bühne geladen, um mit ihm zusammen „Keine Angst“ zu performen. Trotz der späten Stunde und heraufziehender Kälte herrschte eine geile Stimmung und das Mega-Feuerwerk zum Schluss, das noch meilenweit zu sehen war, toppte die Glitzerfünkchen vom Vortag bei weitem!
Der Samstag bot eine enorme Überraschung gleich zu Beginn: FEVER 333 lieferten auf der „Crater Stage“ eine dynamische Show ganz im Stil von Rage against the Machine und Public Enemy. Dafür sollten sie später am Abend noch von Slayers Tom Araya schwer gelobt und damit geadelt werden. Die Band aus Los Angeles hat mit Jason Butler einen fantastischen Frontmann, der mit viel Enthusiasmus politische Botschaften verbreitete und ständig in Bewegung war. Er erklomm kurzerhand das Dach des Mischpults, um Deutschland als Land zu loben, in dem einer sich um den anderen kümmert und kein Schwarzer sich ob seiner Hautfarbe vor Gewalt fürchten muss. Damit sprach er vielen Teilnehmern auf diesem friedlichen Festival aus der Seele.
Auf andere Art spannend wurde es mit SEILER UND SPEER auf der Hauptbühne. Die in ihrer Heimat sehr beliebte Band aus dem Komiker und Schauspieler Christopher Seiler sowie dem Filmemacher Bernhard Speer lieferte deftigen Rock aus Österreich. Dazu gab es solide Gitarren und österreichische Vocals. Musikalisch nicht ganz mein Fall – aber bei Rock am Ring wird ja kaum eine Band verhalten aufgenommen. Auch dieses Duo aus dem Nachbarland wurde gefeiert. Und es hatte die Lacher auf seiner Seite, als der Abgang zu den Klängen von „Going to Ibiza“ erfolgte.
Dann folgte die einstündige Wahnsinnsshow von FEINE SAHNE FISCHFILET. Sänger Monchi (Jan Gorkow) freute sich wie ein kleines Kind, als er von der jubelnden und tanzenden Menge empfangen wurde. Natürlich hatten zahlreiche Bengalos den Weg auf das Festivalgelände gefunden und die Menge wurde in rote und blaue Rauchschwaden gehüllt, wie Rock am Ring sie bisher noch nicht erlebt hatte. Das Publikum feierte den totalen Abriss. Gefühlt waren ALLE vor der „Volcano Stage“ (und das um 17.30 Uhr!) und keiner, der die großen Circle Pits und das kongeniale Abtanzen mitgemacht hatte, wird ohne blaue Flecken nach Hause gegangen sein. Es gab – wie erwartet – politische Botschaften en masse, beispielsweise ein offizielles „Fick dich“ an alle AFD Wähler und die Forderung nach Straffreiheit für Seenotrettung. Ja, solche Botschaften gehören an diesen Ort, auch wenn manche fordern, die Politik außen vor zu lassen. DIE ÄRZTE sollten es Monchi später am Abend gleichtun. Monchi forderte Menschlichkeit, nicht nur gegenüber Flüchtlingen. Er vergaß auch nicht den Dank an Feuerwehr und freiwillige Helfer bei Rock am Ring – und das Heimatgefühl für Dörfer, dem er mit „Geschichten aus Jarmen“ ein musikalisches Denkmal gesetzt hatte.
Im Anschluss waren die DROPKICK MURPHYS gute Kandidaten, um mit Akkordeon, Dudelsack und viel Spielfreude die gute Stimmung in den Abend mitzunehmen. Bei ihrem Celtic Punk aus Quincy in den USA, der so irisch klang, wie man sich das nur vorstellen kann, konnten auch ergiebige Regenschauer den Spaß nicht verderben.
Danach gab es auf der „Crater Stage“ die ARCHITECTS mit feinstem Metalcore. Was für eine Energie: Growls, Hysterie und formidable Circle Pits sorgten für Stimmung. Ein bedrohlich bewölkter Himmel schaffte die perfekte düstere Atmosphäre und Shouter Samuel David Carter zeigte sich beeindruckt, dass Leute bei diesem Festival sich vom Regen nicht die Stimmung verderben ließen. Er betonte, sich in Deutschland sehr daheim zu fühlen und man bekräftigte dies mit einer enormen Portion Pyrotechnik.
BRING ME THE HORIZON, die zum Teil sicher das gleiche Publikum ansprachen, spielten leider parallel mit einer ebenso starken Powershow. Diese war mit ansprechenden Videos versehen und es gab gar Tänzerinnen auf der Bühne. Als Cheerleader feuerten sie die Menge an. Wer schafft den größten Moshpit? Hier waren vermutlich Bring me the Horizon die Sieger – zumindest am Samstag. Obwohl es zwischendurch auch durchaus poppige Klänge zu hören gab, widmete Oliver Sykes die Show Slayer als den Heavy-Metal-Urvätern.
Ein orchestrales Intro und Choräle vom Band kündigten SABATON und ihre Bombastshow an. Songs wie „Ghost Division“ wurden mit einer gewaltigen Knalleffekt-Pyro versehen. Dazu lieferten die Schweden heroischen Gesang und einen ordentlichen Klangteppich. So wurden epische und gewaltige Schlachten auf der Bühne geschlagen.
Währenddessen konnten einem die Protagonisten auf der „Alterna Stage“ fast leid tun. Vor recht überschaubarem Publikum durfte man die feinen und doch sehr stimmgewaltigen Töne von KOVACS genießen. Solch verkopfte Popmusik scheint bei RAR keine Rolle mehr zu spielen. Schade eigentlich, konnte man hier doch vor einer Dekade noch umtriebige Sängerinnen wie Kate Nash und Ellie Goulding abfeiern. Sharon Kovacs betörte die Anwesenden mit verspielt poppigen Melodien und zwei Backgroundsängerinnen.
Auf der Hauptbühne kam endlich der große Moment, auf den 85.000 Fans gewartet hatten. Die Bühne war schwarz verhangen für DIE ÄRZTE. Es gab ein „Drei ???“-Intro und der Vorhang fiel. Fuck – noch ein Vorhang! „Country Roads“ erklang und die Menge sang den „take me home“-Part, der augenscheinlich dem Nürburgring gewidmet war, begeistert mit. Farin, Bela und Rod starteten dann mit „Unrockbar“ durch und gaben recht bald das Motto des Abends vor: Du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist („Lied vom Scheitern“). Besonders umjubelt wurden Klassiker wie „2000 Mädchen“ und moderne Klassiker wie „Lasse redn“. Es gab eine zünftige La Ola gegen die Kälte und man drückte sein Bedauern darüber aus, dass man parallel zu Slayer spielt – doch die Welt kann nicht „Perfekt“ sein.
Für mich dann aber der willkommene Anlass, mit einem lachenden und einem weinenden Auge die Bühne zu wechseln. Es war einfach Ehrensache, auch die fulminante Abschiedsshow von SLAYER zu genießen. Mit Flammenwerfern auf der Bühne präsentierten die Veteranen eine heiße Show. Von Müdigkeit war absolut nichts zu spüren. Fast ohne Ansagen folgte Klassiker auf Klassiker und es war ein Traum, diese gigantische Show zu sehen.
Da Slayer nur 70 Minuten spielten, war ich pünktlich zum „Schrei nach Liebe“ zurück bei der ärztlichen Versorgung an der „Volcano Stage“. BelaFarinRod hatten ja auf eigenen Wunsch 150 Minuten zur Verfügung und vertrödelten diese nicht nur mit ihren Hits, sondern auch mit einer dialoglastigen Comedyshow und diversen Späßen. Wenn es wirklich die letzte Tour der Ärzte sein sollte (was natürlich keiner glaubt und hoffentlich nur aus Marketingzwecken befeuert wird), haben sie hier am Ring eines der besten Konzerte ihrer Karriere geboten. Es gab „Westerland“ als Karaoke Version vom Publikum, „Zu spät“ im Handy Lichtermeer und „Du willst mich küssen“ wurde zumindest angespielt. Wie schon erwähnt war auch Zeit für politische Botschaften. Und man warnte vor den neuen Nazis, die keine Skinheads mehr sind, sondern Dackel-Krawatten tragen.
Das Feiern wollte kaum ein Ende nehmen. Alles fror in der Eifelnacht, doch keiner wollte das spüren. „Junge“ konnte man im Zugabenblock entspannt eröffnen – dann wurde wieder zünftig Party gemacht. Doch irgendwann fielen auch die letzten Partybiester in ihre Zelte.