In der ersten Hälfte des Jahres 2017 sind mal wieder drei fantastische Songbooks aus der Bosworth Musik Edition erschienen. Deutschsprachige Musik, die sich hervorragend für Klavier und Gitarre eignen.
Den Anfang macht Roger Cicero, der viel zu früh von uns gegangen ist. Dieses Best Of-Songbook enthält 15 seiner beliebtesten Hits: u.a. „Zieh die Schuh aus“, „Frauen regier’n die Welt“, „Ich atme ein“, „Die Liste“ und „Murphys Gesetz“. Hier gibt es nicht das große Bigband-Arrangement, sondern Melodielinie, Text und Akkorden. Eine schöne Zusammenstellung für alle Roger Cicero-Fans und perfekt zum Mitsingen.
Alexa Feser hat sich mit bisher zwei Alben als Songwriterin einen großen Namen gemacht und liefert uns wunderbar verträumte Titel wie „Gold von Morgen“, „Dezemberkind“, „Mehr als ein Lied“ und „Mensch unter Menschen“. Sie hat ein Gespür für Stimmungen und Zwischenmenschliches. Das kommt in den Songs und Arrangements gut rüber. Alexa Fesers erstes Songbook enthält eine Auswahl von 16 Titeln, die sowohl aus dem Debüt-Album als auch aus dem neuen Album der Musikerin stammen und für Klavier, Gesang und Gitarre arrangiert sind.
Den Abschluss machen wir dann mit der allgegenwärtigen Annett Louisan. Die Hamburger Sängerin wurde im Jahr 2004 mit ihrem später mehrfach mit Gold und Platin ausgezeichneten Debütalbum „Bohème“ und der Singleauskopplung „Das Spiel“ schlagartig einem breiten Publikum bekannt. Seitdem hat sie sechs weitere Alben veröffentlicht, ihr letztes im Jahr 2016. Die Songauswahl des Buchs spiegelt alle Facetten des Repertoires von Annett Louisan wieder: eine Mischung aus Pop und Chanson, die mal mit leichtfüßigem Wortwitz und mal mit nachdenklichen Texten daherkommt. Alle 13 Lieder sind für Klavier, Gesang und Gitarre arrangiert.
Wer sich eingehender mit den Stücken beschäftigen möchte, selbst gerne mitsingt oder sich gar mit Gitarre bzw. Klavier begleiten kann, wird hier bestens bedient.
„Glück ist leicht“ heißt die Compilation, die ziemlich genau ein Jahr nach Roger Ciceros Tod erscheint. Plötzlich und unerwartet hat er die Musikbühne verlassen. Einen Tag nach seinem letzten Live-Auftritt im Bayerischen Fernsehen traten plötzlich akute neurologische Symptome infolge eines Hirninfarktes auf. Im Krankenhaus verschlechterte sich sein Zustand rapide. Der 45jährige verstarb am Abend des 24. März 2016 im Kreise seiner Lieben ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben.
Es erzeugt schon ordentlich Gänsehaut, wenn man auf das sympathische Coverfoto der neuen CD mit dem Untertitel „Das Beste von 2006-2016“ schaut und sich durch die wundervollen Musikstücke gehört. Da dürfte jeder Fan seine eigenen Erinnerungen haben. Ich denke zum Beispiel an ein Konzert meiner A-cappella-Band, in dem ein befreundeter Musiker „Ich atme ein“ zum Besten gab. Wie ich diesen Song seitdem liebe!
Oder aber der ironische Überhit „Zieh die Schuhe aus“, das Wortwunder „Nicht artgerecht“, sein Grand-Prix-Song „Frauen regier’n die Welt“. Neben den Swing-Nummern sind natürlich auch einige Songs dabei, die zu Tränen rühren. Der Titelsong „Glück ist leicht“ hat einen optimistischen Touch. „Einer von Millionen“ gehört schon längst zum Repertoire jeder guten deutschsprachigen Coverband. Und „Wenn es morgen schon zu Ende wär‘“ und „Ich hätt‘ gern noch Tschüss gesagt“ bekommen ob des frühen Todes eine ganz besondere Relevanz.
Neben dieser Hitsammlung faszinieren mich vor allem Live-Coverversionen wie „Geboren“ von den Fantastischen 4 oder die unfassbare Bearbeitung von „Ein Kompliment“ der Sportfreunde Stiller. Hinzu kommen seine unvergessenen Flirts mit dem Repertoire des Kollegen Frank Sinatra: Die Live-Versionen von „My Way“ und „I’ve Got A Crush On You“ zeigen Cicero in fast schon ein wenig beängstigender Nähe zu Ol’ Blues Eyes und doch charakteristisch für Roger mit einer sehr eigenen Note.
Mit „Eine Nummer zu groß“ enthält das Album sogar eine bislang unveröffentlichte Nummer Ciceros aus dessen Geheimschublade, in der er wohl die Preziosen für sein bereits geplantes nächstes, leider nicht mehr zur Realität gewordenes Alben gesammelt hat. Fans und Freunde seiner Musik können mit dieser Zusammenstellung ein musikalisches Jahrgedächtnis feiern, das vermutlich für jeden etwas zu bieten hat.
Es war schon eine erschreckende Meldung, dass Roger Cicero wegen eines akuten Erschöpfungssyndroms mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung alle Termine bis zum Jahresende absagen musste. Schade, dass er sein neues Livealbum nicht entsprechend promoten kann – aber Gesundheit geht vor. Zumindest wurde die Veröffentlichung nicht verschoben. Das macht Sinn, denn sie ist an ein bestimmtes Datum gebunden: Am 12. Dezember 2015 wäre der große Entertainer Frank Sinatra 100 Jahre alt geworden. Und „Cicero Sings Sinatra – Live In Hamburg“ ist eine beachtenswerte Hommage an das große Vorbild aller Crooner.
Das Konzert fand am 7. und 8.9.2015 vor ausverkauftem Hause im Mehr Theater! in Hamburg statt. Neben Gastgeber Roger Cicero beeindrucken auch die anderen hochklassigen Gaststars wie Yvonne Catterfeld, Sasha und Xavier Naidoo mit einer mitreißenden Show und ihren ganz eigenen Interpretationen der Sinatra- Klassiker. Sie geben den Stücken ein neues Gesicht, die durch „Ol‘ Blue Eyes“ und sein Rat Pack weltberühmt wurden.
Mit einem brandneuen Arrangement des Klassikers „Come Fly With Me“ starten Roger Cicero und seine Big Band den Konzertabend. Dabei bleibt er ganz bei sich. Der Hut sitzt – ansonsten gibt es aber keine schauspielerische Sinatra-Kopie sondern Roger Cicero pur. Er verdelt Stücke wie „I’ve Got You Under My Skin“, „Mack The Knife“ und „I’ve Got A Crush On You“ mit seiner ganz persönlichen Mischung aus Jazz und Swing. Die 13köpfige Bigband passt wunderbar in dieses Ambiente.
Ein besonderes Highlight ist „Somethin‘ Stupid“, zweifellos der Klassiker unter den Duo-Songs der Musikgeschichte. 1967 erstmals von Frank Sinatra und dessen Tochter Nancy Sinatra eingesungen, schlug das Duett wie eine Bombe ein und erreichte schnell den Spitzenplatz der amerikanischen Singles-Charts. Roger Cicero und Yvonne Catterfeld interpretieren den Song auf ihre ganz eigene, packende Art und Weise. „Mein Wunsch, mit Yvonne ein Duett zu singen, währt schon sehr lange“, sagt Roger Cicero. „Als mein neues Programm konkrete Formen annahm, stand für mich fest, dass ich diesen Song-Klassiker unbedingt zusammen mit Yvonne singen wollte. Nicht zuletzt auch, weil sie als 14jährige mit einem Sinatra-Song den Mut zur Bühnenkarriere fasste.“
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„Schieß mich doch zum Mond / Fly Me To The Moon“ interpretierten Roger Cicero und Sasha als furioses Duett, während „Theme From New York“ mit Xavier Naidoo den Höhepunkt des Abends ankündigt. „Leroy Brown“ vereint noch mal alle Gastsänger mit ihrem Gastgeber auf der Bühne, bevor „My Way“ einen unvergesslichen Konzertabend tiefemotional beendet. Die Bühne – meist in Blautönen gehalten – gibt den passenden Rahmen für ein spannendes, virtuoses Konzert, das auf CD aber vor allem auf DVD hervorragend funktioniert.
Die Studio-Single-Version von „Somethin‘ Stupid“ ist als Bonus-Track enthalten, ebenso eine weitere fantastische Version von „My Way“ im Duett mit Paul Anka sowie eine im neuen Arrangement präsentierte Duett-Version von „Winter Wonderland“ mit der schwedischen Jazzsängerin Viktoria Tolstoy.
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Die Fernsehsendung „Sing meinen Song“, die von Xavier Naidoo ins Leben gerufen wurde, hat einiges bewirkt. Die Künstler, die dabei mitgewirkt haben, hatten in der Regel schon zuvor einen hohen Bekanntheitsgrad. Eine Ausnahme ist vielleicht Gregor Meyle, der nach den Clubkonzerten für Insider, die er in der Vergangenheit gab, plötzlich auch große Hallen füllt. Die anderen Sängerinnen und Sänger lernte man aber von einer sehr neuen, fast schon privaten Seite kennen. Und die gesanglichen Qualitäten wurden aufgrund des vielseitigen Repertoires der beteiligten Künstler stark gefordert.
Anscheinend sind aber auch echte Freundschaften entstanden. Zumindest unterstützen sich die Beteiligten seitdem bisweilen auf ihren Konzerten. So geht Gregor Meyle momentan als Support von Roger Cicero mit auf Tour. Zwar spielt er keinen riesigen Set (30 Minuten sind sogar recht dürftig, wenn man seine Chartpräsenz in den letzten Monaten bedenkt), bekommt aber immerhin die Gelegenheit, sich einem neuen Publikum zu präsentieren, und nutzt diese Chance auf seine einmalig sympathische Weise.
In der Saarlandhalle Saarbrücken – leider bei weitem nicht ausverkauft – begann sein Set pünktlich um 20 Uhr. Wie gewohnt hatte er auf der Bühne ein kleines Wohnzimmer mit Teppichen und Lampen aufgebaut. Als Unterstützung war die komplette Meyle-Band mit dabei. Das war gar nicht so selbstverständlich, denn der Keyboarder war auf dem Weg nach Saarbrücken im Zug eingeschlafen und erst in Basel wieder aufgewacht. Eine Freundin brachte ihn dann mit dem Auto zur Saarlandhalle. Diese Anekdote wurde (typisch für die lustigen Ansagen Meyles) zum Running Gag des Abends. Bei einem so kurzen Set musste er aber aufpassen, sich nicht in den Ansagen zu verzetteln, wie das sonst der Fall ist.
Zunächst gab es den aktuellen Titel „Hier spricht dein Herz“ und die Latino-Version von „Heute Nacht“, die mir nicht ganz so zusagt. Ich mag eher die getragenen, melancholischen Titel aus seiner Feder – wie das nun folgende „Finde dein Glück“. Gregor ist ein Lebenskünstler par excellence. Er kokettiert auch damit, dass er mit dem momentanen Erfolg endlich mal ein paar Kröten vor dem Finanzamt retten konnte. Dabei hat er nichts von seiner Leichtigkeit verloren und erzählt frei von der Schnauze weg, wie schlimm er die momentane Medienhetze gegen seinen Freund Xavier Naidoo findet, der anscheinend nachmittags ganz spontan zum Kuchenessen nach Saarbrücken kam.
Der kurze Auftritt endete dann mit „Du bist das Licht“ und „Hätt nix dagegen“. Ein sehr schöner Auftritt, der mit riesigem Applaus belohnt wurde. Es gab sogar stehende Ovationen – und wann erlebt man so etwas schon mal bei einer Vorband. Gregor hatte mal wieder alles richtig gemacht und entließ das Publikum in eine 20minütige Umbaupause.
Roger Cicero fuhr dann die schweren Geschütze auf. Fantastische Bigband mit acht Bläsern und Kontrabass neben der obligatorischen Rockband. Eine Bühne mit Stegen, die um die Musiker herum führten und dem Sänger die ganz großen Showposen ermöglichten. Er kam im dunklen Anzug und mit typischem schwarzem Hut. So hatte er sein Publikum von Beginn an nicht nur optisch im Griff. Sein Vater war ein berühmter Jazzpianist, seine Mutter Tänzerin – Roger ist der Swing einfach in die Wiege gelegt. Diesen verpackt er aber nicht etwa in verkopfte Arrangements, die Otto Normalhörer nur schwer ertragen kann, sondern er wählt leichte Pop-Nummern mit sympathischen Texten, die durch den Bigband-Einschlag an Tiefe gewinnen.
„Glück ist leicht“ war der erste Titel. Damit nahm Roger den Faden auf, den Gregor aus der Hand gelegt hatte. Wunderbar eingängige Titel. Und zwischendurch erzählte Cicero vom Eis essen in Saarbrücken und dem Badezimmer in der Künstlergarderobe der Saarlandhalle, das er erstmals seit zehn Jahren in renoviertem Zustand vorfand.
Cicero erzählt in seinen Stücken gern von Beziehungsdingen. Von Abschied und Freiheit, von Begegnungen und dem schmerzhaften Loslassen. Egal, ob da die Bigband mit virtuosen Trompetensoli glänzt oder Cicero allein zur Akustikgitarre im Rampenlicht steht. Er trifft den richtigen Ton und erzeugt wohlige Gefühle. Opulenter Orchesterklang, entspannte Gitarren, eingängige Pianoballaden – da war alles vertreten. Meist aber dominierten kraftvolle und modern groovende Rhythmen.
Roger gab den großen Entertainer und nahm ein Bad in der Menge. „Zieh die Schuhe aus“ als herzliche Botschaft der Frau zuhause an den Liebsten war der perfekte Song, um auf den Boden der Tatsachen zurück zu kommen. Er sprach dann auch das Thema an, dass jetzt eigentlich Pause im Programm wäre. Aber man hatte ja erstmals einen Supportact dabei und die Pause musste entfallen. Kein Problem – der kraftvolle Sänger stand das auch ohne Verschnaufen durch. Allerdings hätte ich mir ob der neuen Männerfreundschaft erwartet, dass Gregor Meyle irgendwann im Programm des Hauptacts nochmal im Geschehen auftaucht. Das war leider nicht der Fall – die Gründe dafür erschlossen sich dem Publikum nicht.
„Frauen regier’n die Welt“ war ein weiterer Song für die textfesten Zuschauer. Doch es ging nicht nur lustig zu. Ciceros Texte sind insgesamt nachdenklicher geworden, manchmal sogar philosophisch, wenn er mit „In diesem Moment“ eine großartige Ballade über die Bedeutung eines beliebigen Momentes für die Welt und für den Einzelnen besingt. In die gleiche Kerbe schlug „Wenn es morgen schon zu Ende wäre“, bevor „Murphys Gesetz“ das Konzert zunächst beschloss.
Inzwischen waren die Zuschauer längst nicht mehr auf den Sitzen. Der Großteil hatte sich vor der Bühne eingefunden und machte den Konzertabschluss mit „Du bist mein Sommer“ und „Bin heute Abend bei dir“ zur riesigen Party, bevor der Auftritt nach gut zwei Stunden endete. Mit lässiger Eleganz und deutschen Texten im swingenden Big-Band-Sound bezauberte Cicero mal wieder sein Publikum. Er bleibt sich und seinem Stil seit Jahren treu, erweitert aber gleichzeitig die inhaltliche und musikalische Bandbreite. Und er beweist einmal mehr, dass deutschsprachiger Swing durchaus modern und populär sein kann.