CURSE ist zurück und ab Herbst ’24 auf „Unzerstörbarer Sommer Tour“.
Nach knapp 6,5 Jahren droppt die wohl prägnanteste Stimme im Rap Business seine langerwartete 1.Single „Die Stimme“.
Curse hat sich Zeit genommen und in einer Kollaboration mit den Hitnapperz, Wombeats & J-JD /OMG Whatabeat den ersten Aufschlag für sein langerwartetes neues Album zu platzieren. Die Stimme ist zurück.
Auch das Gelände am E-Werk Saarbrücken wurde am vergangenen Wochenende wieder zur Open-Air-Location. Die ersten drei Konzerte brachten Rap und HipHop für unterschiedliche Generationen nach „Saarbrooklyn“. Am 12.7. gab es die ausverkaufte Show des Berliners SIDO, am 13.7. lieferte FINCH (früher: Finch Asozial) seinen derben Deutschrap – und für den Sonntag, 14.7. waren gar die Altmeister aus Los Angeles am Start: CYPRESS HILL gaben sich die Ehre.
Bereits seit 1988 liefern die Rapper mit lateinamerikanischen Wurzeln ihre bunte Crossover-Mischung voller HipHop und Reggae. Zu Ehren der altgedienten Helden war eine illustre Schar an Fans aller Generationen angereist. Da feierten Endfünfziger gemeinsam mit Mittzwanzigern und es wurde eine große Sause.
Den Anfang machte um 20.25 Uhr der DJ mit einem kurzen Set, das in das „Star Wars Theme“ und schließlich in Metallicas „Enter Sandman“ überging. Zur Freude aller Fans wurde „Dr. Greenthumb“ als Gummifigur aufgepumpt und nahm fortan die Bühnenmitte ein. Der Totenkopf mit Cannabis-Frisur passte perfekt zur Musik und den Texten. Zudem konnte man auf dem Gelände durchaus einen süßlichen Rauch wahrnehmen. Kein Problem, wo der Konsum solcher Rauschmittel jetzt legal ist.
Muskalisch gab es die gewohnte Mischung aus elektronischen Samples mit gekonnten Oldschool-Rap-Passagen. Die hohe Stimme von B-Real und der aggressive Part von Sen Dog ergänzten sich perfekt. Das Publikum feierte den psychedelischen Sound und die funky Parts, die zum Tanzen animierten. Es gab gekonnten Reggae bei „Tequila Sunrise“ aber auch Kracher wie „Hits From The Bong“.
Die Stimmung wurde im Lauf des 90minütigen Sets immer ausgelassener und man ließ sich vermehrt zu „Cypress Hill“-Sprechchören und Jubelstürmen hinreißen. Das Quartett hat es auch in seinen Fünzigern immer noch drauf, die Massen zu begeistern und lieferte eine gnadenlose HipHop-Show alter Schule. Es war ein energetischer und sehr intensiver Gig.
Auch nächste Woche wird das E-Werk nochmal zur Kulisse einer Open-Air-Show. Das Konzert von Jason Derulo musste leider auf 2025 verschoben werden, aber am 20.7. ist Mark Forster am Start. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Konzerte dort zu besuchen. Ein cooles Gelände außerhalb der Stadt mit reichlich Parkmöglichkeiten. Ein guter Sound, der durch die umliegenden Gebäude begünstigt wird. Was will man mehr für einen gelungenen Konzertabend?
Das Jahr 2023 kann der Lübecker Singer-Songwriter Florian Künstler wohl als das Jahr seines Durchbruchs in der deutschen Musikszene abspeichern. Zuerst erreichte sein Hit „Kleiner Finger Schwur“ Millionen von Nutzern der Plattformen TikTok und Instagram und dann stiegt sein Debüt-Album „Gegengewicht“ von 0 auf Platz 11 in den deutschen Album Charts ein. Seitdem hat sich im Leben von Florian Künstler so einiges positiv verändert, vor allen Dingen kommen deutlich mehr Menschen zu seinen Konzerten und zeigen sich zutiefst berührt von den emotionalen Texten des charismatischen Sängers. Auch 2024 ist bereit sehr gut gestartet und seine Kollaboration mit Alexander Eder mit dem Titel „Lass dir Zeit mit erwachsen werden“ knackte in kürzester Zeit bereits über eine Millionen Streams allein bei Spotify. Seit April ist Florian Künstler bundesweit auf einer bereits größtenteils ausverkauften Tour durch Deutschland und Österreich und am 1. September hat er musikalische Freunde wie Cassandra Steen oder Laith Al-Deen zu seinem ersten eigenen „Florian Künstler & Friends“ Open Air in Lübeck eingeladen.
Ich durfte Florian kurz vor dem Konzert am 28. April 2024 in der Garage Saarbrücken treffen und erlebte einen sehr sympathischen, gut gelaunten Künstler, der sehr offen auf all unsere Fragen geantwortet hat:
Hallo Florian. Schön, dich zu treffen. Ich hab dich letztes Jahr zweimal live gesehen. Zunächst hier in der Saarlandhalle als Support von Max Giesinger, dann beim Reeperbahn Festival in Hamburg. Jetzt bist du auf großer Solotour. Deine Karriere hat ziemlich schnell Fahrt aufgenommen. Wie war das für dich?
Surreal ist das richtige Wort, glaube ich. Bei Max war es schon sehr beeindruckend, die Größe dieser Halle zu sehen. Da dachte ich „Oha – viele Menschen.“ Jetzt bin ich allein mit meiner Band unterwegs. Das ist sehr schön, aber man realisiert das immer erst später. Ich bin so fokussiert, dass der Abend gut läuft und die Leute Spaß haben. Und wir natürlich auch. Du gehst abends zum Bus, bist morgens in einer anderen Stadt, dann Bühne, Soundcheck und Power. Es ist eine der schönsten Sachen, die ich erleben darf. Allein wenn ich jetzt daran denke, dass gleich so viele Menschen da stehen. Das ist eh komisch, dass Leute kommen, um uns zu sehen. Bei Spotify sehe ich nur Zahlen, aber hier sehe ich Menschen, die mitsingen. Es gibt nichts Schöneres!
Deine Songs bieten sich ja zum Mitsingen an. Beim Reeperbahn Festival habe ich das ziemlich eindrucksvoll erlebt, wie du das Publikum mitgerissen hast.
Hamburg hat meistens Power. Es waren nicht viele, aber es war sehr laut.
Wenn du jetzt am Eingang der Garage schaust: Da sitzen schon seit 15.30 Uhr ein paar Mädels, um nachher in der ersten Reihe zu sein. Einlass ist erst um 19 Uhr.
Ja, krass. Muss ich mal „Hallo“ sagen gehen. Ich bin ja kein Max und kein Johannes, wo man um die Plätze vorn kämpfen muss. Aber es ist gleichzeitig auch schön. Ich hoffe nur, dass sie was Warmes zum Anziehen dabei haben. Ist doch ziemlich kalt heute draußen.
Beim Reeperbahn Festival hast du die “Homeless Gallery” unterstützt – ein Projekt, bei dem Obdachlose mit Hilfe einer KI Bilder erstellt haben. Ich fand es sehr beeindruckend, was da an Kunstwerken geschaffen wurde. Was bedeutet es für dich, solche Projekte zu begleiten?
Ich weiß aus erster Hand, wie sich das wirklich anfühlt, weil ich vorher auf der anderen Seite war. Man wird unsichtbar und ist kein Mitglied der Gesellschaft mehr. Das Projekt hat diese Situation sichtbar gemacht. Gerade Leute, die lange auf der Straße leben, verschließen sich. Nicht jeder kann sich gut ausdrücken. Nun hatten sie die Möglichkeit, mit Hilfe einer KI ihre Gedanken auf ein Bild zu bringen. Man konnte den Stolz von allen spüren, die da waren und einen Teil von sich gezeigt haben. Ich kannte das Gefühl und war froh, die Menschen supporten zu dürfen. Ich habe auch selbst eins der Bilder ersteigert. Wenn das Geld jetzt dabei hilft, dass jemand sich sein Leben wieder ein bisschen aufbauen kann oder die Organisation alles sichtbar machen kann, dann war es gut. Ich hab schon viel gemacht. In Berlin war ich bei der Caritas tätig, in Lübeck hab ich den Wärmebus gefahren.
Machst du das noch selbst?
Ja, im Winter fahre ich oft noch beim Wärmebus mit. Im Sommer hab ich jetzt nicht so viel Zeit wegen der Musik und der Tour, aber im Winter bin ich wieder dabei.
Auf deinem ersten Album erzählst du viele kleine Geschichten, bei denen es oft um schwierige Themen geht – wie Trauer und Depression. So klingen deine Songs manchmal wie kleine Lebensratgeber und Mutmacher. Schöpfst du dabei aus eigenen Erfahrungen?
Ja, das hab ich selbst erlebt. Eine Zeit lang dachte ich, dass ich nie wieder fröhlich werde. Das war ein heftiger Schnitt in meinem Leben – vielleicht der heftigste. Und was Trauer angeht: Ich habe öfter Menschen gehen lassen oder mit Trauerverabeitung umgehen müssen. Jemanden zu verlieren, den man nie wieder sehen wird – das habe ich nicht verstanden. Oder für mich als Pflegekind in verschiedenen Familien aufzuwachsen, das war auch nicht so einfach. Das musste ich in meine Lieder packen und das ist auch ein wenig Heilung für mich. Wenn ich „Tausende mehr“ mit dem Publikum singe, das ist ein Wahnsinnsgefühl. Und danach bekomme ich viele Nachrichten auf Instagram oder werde beim Autogrammeschreiben angesprochen. Dann erzählen mir Menschen, dass sie in Kliniken waren oder sich Hilfe gesucht haben. Jeder Mensch hat bestimmt in seinem Leben eine Phase, wo er denkt, ich sehe mich von außen, ich erkenne mich gar nicht wieder. Die hatte ich auch, aber ich habe das Glück, dass ich darüber singen kann.
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Ich denke auch, dass deine Lieder den Menschen helfen können. Dass sie sich verstanden fühlen.
Genau. Ich will immer auch Hoffnung drin haben. Bei „Schwarzer Anzug“ heißt es: „Gib mir ein Zeichen und ich werde es verstehen“. Oder „wenn du jetzt glücklich bist“ in „Tausend Raketen“. Das sind schwere Themen, aber gleichzeitig hoffe ich, dass die Menschen, die nicht mehr da sind, spüren, dass wir an sie denken. Wenn wir auf einem Konzert sind und ich dieses Thema anspreche, sehe ich in den Augen der Menschen, dass sie an einen geliebten Menschen denken, den sie verloren haben. Und diese Person ist dann für drei Minuten – so lange das Lied geht – kurz wieder da. Die Tränen sind nicht unbedingt Traurigkeit, sondern: Es war ein schönes Leben mit dir und ich vermisse dich, aber ich weiß, dass das Leben so ist.
Wenn du das so erzählst, bekomme ich Gänsehaut.
Und ich hab Gänsehaut, wenn ich da im Konzert stehe, wenn die Lichter angehen und wir zusammen singen. Dieses Gefühl, mit Depressionen nicht alleine zu sein, ist so wichtig. Gerade Männer haben Schwierigkeiten, damit umzugehen. Aber dann schaue ich in die Gesichter und weiß: In diesem Augenblick sind wir ganz viele. Man kann das im Moment nicht reparieren, aber es nimmt ein bisschen die Last. Man guckt sich um und denkt: Ach, du auch.
Um wen geht es in „Schwarzer Anzug“?
Um einen guten Freund aus der Schule, der viel zu früh gehen musste. Es war einfach unfair. Da musste ich erstmals mit Trauer umgehen. Vor dem Song erzähle ich bei Konzerten gerne die Geschichte, wie ich auf der Beerdigung stand und sagte: Gib mir ein Zeichen. Und dann ging ein Ruck durch die Bäume, der war richtig heftig. Natürlich kann das Zufall gewesen sein, aber ich dachte: Ja – da ist das Zeichen.
Bei deinen Konzerten hat man das Gefühl, dass du auch einem großen Publikum sehr nahe sein kannst. Hat dir deine Zeit als Straßenmusiker geholfen, eine solche Nähe zu den Menschen aufzubauen?
Ich bin immer sehr aufgeregt, aber ich fühle mich auch wohl. Ich kann nur zeigen, was ich habe. Wenn das jemand gut findet, dann freue ich mich. Man kann es nicht allen recht machen, aber wenn man in einem Riesenpublikum ein paar erreicht, das ist richtig schön. Ich will alles raus geben, was ich habe. Das ist es ja auch, was ich selbst bekommen möchte – etwas Unverpacktes. Aber ich bin total nervös und mache mir so richtig in die Hose da vorne. Die Straßenmusik hilft mir da schon. Überhaupt dass ich die Shows so durchhalte. Fünf Shows hintereinander – da hilft mir die Straßenmusik sehr. Ich musste laut singen und mir Aufmerksamkeit erkämpfen. Auf der Straße war ich auch immer sehr aufgeregt. Man fängt vor nichts an zu singen, stört vielleicht die Leute, die da arbeiten.
Und wenn keiner stehen bleibt, hast du verloren.
Ja, damit musst du auch umgehen. Das ist ganz schön heftig. Aber da lernst du ganz gut, dass nicht jeder die gleiche Musik hört. Nicht jeder hat Zeit oder manche sind mit eigenen Problemen beschäftigt. Dann schau ich mir die Leute im Publikum an. Gestern war da eine Frau, die die ganze Zeit so böse geguckt hat. Und ich dachte: Oh, der gefällt es wohl gar nicht. Ich sehe sowas immer während der Konzerte. Und zum Schluss kam sie zu mir und meinte: „Das war das schönste Konzert ever. Ich war so berührt.“ Ich hab es nicht verstanden, aber man kann halt nicht in die Menschen rein schauen. Man sollte sich nicht verrückt machen, aber jeder Sänger macht sich verrückt. Wenn jemand an der falschen Stelle lacht oder hustet. Die Unsicherheit ist oft so groß, aber wenn es nicht so wäre, wäre es noch falscher.
Du hast viele soziale Ämter, in denen du tätig bist. Sind das alles Ehrenämter oder hast du auch einen sozialen Beruf erlernt?
Ich habe Rettungsassistent gelernt, bin Krankenwagen gefahren. Dann habe ich in einer Schule als Schulbegleiter mit Kindern mit Autismus gearbeitet. Ich habe jede Menge Jobs gemacht und es waren immer die sozialen. Ich mochte es, mit Menschen zu arbeiten, habe gern die Geschichten gehört. Wollte wissen, was in den Köpfen so los ist. Da ich selbst Pflegekind war, wusste ich, wie es den Kindern so geht. Dass sie es in der Schule nicht so leicht haben. Ich war mehr so ein Freund und es war für die meisten sehr cool, einen größeren Freund zu haben. Es gibt nicht traurigeres als ein Kind, dass allein auf dem Schulhof sitzt und mit dem keiner was zu tun haben will. Dann haben andere Kinder mich gefragt: „Warum bist du denn hier?“ Und ich habe erklärt, dass das eine Kind vielleicht etwas ruhiger ist und warum. So hat man über Autismus gesprochen, ohne das medizinisch darzulegen. Wenn diese Kinder danach etwas mehr in die Gemeinschaft eingebunden wurden, hat mich das sehr gefreut.
Ich kann das gut nachvollziehen, da ich selbst im Hauptberuf als Sozialpädagoge mit beeinträchtigten Menschen arbeite.
Ach ja, cool. Dann kennst du das ja. Manchmal dauert es recht lange, bis man Erfolge sieht, aber wenn sie da sind, ist es echt krass.
Natürlich gibt es nicht nur problembeladene Songs von dir, sondern auch positive und lustige Anekdoten wie das humorvolle “Gegengewicht” oder „Magnet“. Magst du auch dazu was erzählen?
Richtig. „Vergiss die Guten Tage nicht“ oder „Marie“ – das sind ja nicht nur traurige Sachen. Ein Konzert sollte immer beides haben: Nachdenkliches und Hoffnung. Und ein bisschen tanzen. Wir haben auch ein paar Dance-Sachen drin. Dieses Potpourri macht ein Konzert für mich aus. Man taucht kurz in etwas Schweres ein, wird aber auch wieder rausgeholt. Manchmal ist es witzig, manchmal auch ungewollt witzig. Dann gibt es Momente, wo wir einfach zusammen laut singen, grölen, abtanzen. Ich mag meine Band sehr und die haben echt Bock zu spielen.
Wie geht es weiter? Wird es bald ein zweites Album von dir geben oder ist das noch weit weg?
Ich denke, Anfang des nächsten Jahres. Ich schreibe schon und das Schwere wird sein, aus der Vielzahl an Songs die Songs fürs Album auszuwählen. Ich habe so viel geschrieben, dass es wohl ein schwieriger Prozess wird. Es sind bestimmt dreißig Songs, und davon muss ich dann 12-13 auswählen. Ich werde ohnehin viele raus bringen bis dahin und ein paar werden auf dem Album sein, aber die Leute sollen auch nicht alles schon kennen, wenn das Album erscheint.
Genau. Ein paar Überraschungen müssen dabei sein. Was dürfen wir denn vom heutigen und von weiteren Konzerten der aktuellen Tour erwarten? Wird es schon neue Songs geben? Singst du auch Coverversionen?
Wir haben eine neue Nummer mit deutschem Text auf die Melodie von „Time After Time“. Da müssen wir noch auf die Freigabe der Rechte warten, um das rauszubringen. Aber echte Coverversionen nicht. Ich hab das schon gesehen – bei Wincent und Johannes -, aber da musst du stabiler sein, um das machen zu können. Max lässt ja manchmal die Leute raussuchen, welcher Song gespielt wird. Das klappt total gut und lockert die Stimmung. Manchmal ist es „Highway To Hell“ oder sowas. Man braucht auf jeden Fall eine gute Band. Von meiner Zeit auf der Straße hätte ich noch ein paar Cover.
In Lübeck wird es Anfang September ein Konzert “Florian Künstler & Friends” geben. Cassandra Steen, Alexander Eder, Laith Al-Deen und Madeline Juno sind mit dabei. Wie kam es dazu? Was verbindet dich mit diesen Künstler*innen?
Freundschaften! Es ist ja verrückt, dass du mit der Zeit deine Idole triffst. Die meisten kennen sich untereinander. Mit Laith habe ich Songs geschrieben für sein neues Album. Mit Cassandra, Maddie und Alex hab ich Duette. Zuerst gab es die Freundschaften und daraus sind die Duette gewachsen. Deshalb heißt es ja „Florian Künstler & Friends“ und ich dachte, wen lade ich ein? Es ist sonntags in Lübeck, wird riesengroß und ich hoffe, dass viele Menschen kommen.
Dann wünsche ich dir viel Glück und erfolgreiche Konzerte. Vielen Dank für deine Zeit und das Interview!
Herzlichen Dank an Daniela von der Promotion-Werft für die Vermittlung des Interviews.
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Das Konzert war ebenso bewegend wie das Interview. Zunächst war die wundervolle revelle als Support allein am Klavier und gab ihre emotionalen Songs zum Besten. Dann startete Florian mit Band und sattem Sound voll durch. Allerdings hatte er fast immer auch selbst eine Gitarre in Händen und war bei Stücken wie „1000 Raketen“ und „Du bist nicht allein“ solo auf der Bühne.
in 110 Minuten Konzertlänge mit zwei Zugaben erzählte Florian aus seinem bewegten Leben und vom Fanmoment mit Cassandra Steen. „Wovor hast du Angst?“ glänzte mit einem tanzbaren Sound – und dann gab es Mitsingparts wie bei „Luke und Lorelei“. Er sprach offen über seine Pflegefamilie und die verstorbenen Großeltern. Trotzdem gab es mit „Vergiss die guten Tage nicht“ dazu einen positiven Song.
Der Abend in der Garage hat viele Menschen bewegt – und wer nicht genug bekommen hat, kann Florian Künstler schon bald wieder als Support von Max Giesinger in Trier sehen: am 20.6.2024 vor der Porta Nigra!
Hier die aktuellen Tourdaten für 2024 und 2025:
30.04.24 Freiburg, Jazzhaus
01.05.24 Ulm, Roxy
02.05.24 Wien, B72
03.05.24 Leipzig, Werk 2
04.05.24 Dresden, Alter Schlachthof
01.09.24 Lübeck, Kulturwerft Gollan Open Air „Florian Künstler & Friends“
Nach dem lauten und ausverkauften Konzertabend mit KETTCAR am Tag zuvor konnte es jetzt in der Garage Saarbrücken etwas ruhiger zugehen. Der vordere Teil des Konzertsaals war abgetrennt und locker gefüllt – vor allem mit weiblichem Publikum. Das allerdings war in froher Erwartung auf die Sängerin aus Offenburg und feierte bereits den Support revelle ordentlich ab.
Schon um 19.45 Uhr trat die junge Sängerin auf. Die Wahlberlinerin ist mittlerweile fester Bestandteil der Deutschpop-Playlisten. Sehr quirlig, sympathisch und frisch nahm sie das Publikum mit auf eine 30minütige Reise durch luftige, meist fröhliche Popsongs, die sie sehr reduziert zu Klavierbegleitung interpretierte. Man sah ihr die Freude über den Auftritt merklich an und die halbe Stunde verging wie im Flug.
„Ich wünschte du wärst meine erste Liebe, weil’s so viel leichter wär‘ dich einfach zu lieben“, singt revelle. Mit ihrem minimalistischen Stil trifft sie mit ehrlichen Texten mitten ins Herz einer ganzen Generation. Klare Worte von Gefühlen und dem Chaos, das aus ihnen entstehen kann, werden zum Mittelpunkt der Musik. revelle hat an diesem Abend sicher einige neue Fans im Saarland gewonnen. Schon bald wird man sie wieder in der Garage erleben können, da sie auch Florian Künstler am 28. April als Support begleitet.
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Um 20.45 Uhr war es dann Zeit für Madeline Juno. Vor einem halben Jahr hatte ich sie noch auf Acoustic Tour im Kammgarn Kaiserslautern gesehen. Auch ein großartiges Konzerterlebnis – doch es ist schon besser, wenn sie mit umfangreicher Band auftritt und einen grandiosen Sound auf die Bühne zaubert.
Seit sich Madeline entschieden hat, von der englischen zur deutschen Sprache zu wechseln, gehört sie zu meinen absoluten Favoritinnen in der poetischen Popmusik. Das war im Jahr 2017 mit dem Longplayer „DNA“ der Fall und inzwischen ist mit „Nur zu Besuch“ schon ihr viertes Album mit deutschen Lyrics erschienen.
Der Abend startete ganz typisch mit „Sad Girl Shit“, „Lovesong“ und „Vermissen“, wobei sich die 28jährige Sängerin gerne mal selbst voll Ironie auf die Schippe nimmt. Oft geht es um Irrungen und Wirrungen ihres Beziehungslebens, aber auch um die schwierigen Themen Depression und Angststörung, die immer wieder eine Rolle spielen.
Der Klassiker „Grund genug“ wurde in einer neuen Version dargeboten und brachte das Publikum zum kollektiven Mitsingen. Madeline warnte vor ihren Tanzkünsten, legte dann aber im nahtlosen Übergang von „Gewissenlos“ zum rockigen „Schatten ohne Licht“ eine sehr ansehnliche Sohle aufs Parkett. Also alles gut.
Eine Zuschauerin hielt ein Plakat „A oder B“ in die Höhe und traf Madeline im wunden Punkt: „Ich kann sowas einfach nicht ignorieren.“ Sie fragte, was wohl damit gemeint ist, gab die Antwort B und wurde mit dem Wunsch nach einem alten Song „Drei Worte“ konfrontiert. Hektisch beriet sie sich mit ihrem Keyboarder, googelte den Text, lernte gar die ersten Zeilen neu per Spotify und sang dann zumindest den Refrain des Songs. Für solche Aktionen ist die Sängerin bekannt und das macht sie überaus sympathisch.
Den Zuhörer*innen war sie immer ganz nah und erzeugte stärkere Intimität mit zwei akustischen Songs, „Version von mir“ im Trio und dem bisher unveröffentlichten „Mediocre“ allein mit Ukulele. Letzteres als Antwort auf die bei Promoterminen immer wieder gestellte Frage, wie man sich denn so fühlt, wenn man nächstes Jahr 30 wird. „Männer werden das nie gefragt“, bemängelte sie. Aber vermutlich haben Frauen im Showgeschäft eine ganz andere Halbwertszeit.
Madeline Juno hat schon seit Jahren eine abgeklärte Art, mit ihren Depressionen umzugehen, indem sie eindringliche Bilder für ihren Gemütszustand findet. „Nur kurz glücklich“ zeigt deutlich die immer vorherrschende unsichere Gemütslage auf und „Murphy’s Law“ strotzt vor unnötigen Selbstzweifeln.
Zur Freude vieler gibt es das atmosphärische „Waldbrand“, das Startschuss von Madelines zweiter Karriere und „Breaking Point“ nach den englischsprachigen Alben war. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das kann“, erzählte sie. Sie lebt stets im Wechselbad der Gefühle, was sich in der Vielfalt der Songs niederschlägt. Dabei will sie nur das Beste für den Partner in einer Beziehung, was sie sehr gerne besingt – in Stücken wie „Was zu verlieren“, „Was weiß ich schon“ und „Versprich mir du gehst“. All das ist verpackt in mitreißende Songs, poppige Beats oder melancholische Melodien.
Es gab noch einen weiteren unveröffentlichten Song „Anomalie“ und zu „Obsolet“ konnte man Madeline erstmals am Bass erleben. Die Vielfalt ihrer musikalischen Fähigkeiten ist ohnehin bewundernswert, man denke nur an das Wechselspiel zwischen tiefen und extrem hohen Tonlagen in ihrer Stimme.
Zum Zugabenblock ab 22.25 Uhr erschien sie barfuß auf der Bühne, mit höllischen Blasen an den Füßen, da sie zu Konzertbeginn vergessen hatte, ihren Fersen mit Pflaster zu schützen. Da kennt die junge Frau keine Scham und erzählt solche Anekdoten frei von der Leber weg. Erfrischend und authentisch – wie ihre Songs. So gab es im Zugabenblock als erstes (und absolut passend) „99 Probleme“ ganz allein an der Gitarre und das beschwingte „Sommer, Sonne, Depression“ sowie „Nicht ich“ beendeten ein Konzert, das trotz auch schwerer Themen einfach glücklich machte.
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Klar hätte man es sich einfach machen können. Nachdem das Konzert der Donots in Saarbrücken in Windeseile ausverkauft war, wäre eine Ausweichstätte in der saarländischen Landeshauptstadt schnell gefunden. E-Werk und Saarlandhalle sind ja immer in der Hinterhand. Doch zum Glück ging man den coolen Weg: Nach dem Motto „man lebt nur zweimal“ wurde kurzerhand eine Nachmittagsshow angesetzt. Was das für Auswirkungen hatte, konnte man mit Blick ins Publikum unschwer erkennen. Der Altersdurchschnitt war deutlich gesenkt und das Publikum ging bis ins Kita-Alter. Grandios! Man kann den Kleinen nicht früh genug beibringen, wie ordentliche Musik klingt. Das war musikalische Früherziehung par excellence.
Die Garage war schon zu früher Stunde (sprich: 14 Uhr) bestens gefüllt. Am Nachmittag zwar nicht ausverkauft, aber mit knapp 1000 Zuschauer*innen bis in die hinteren Reihen locker gefüllt. Adam Angst machte den Support und musste zunächst das etwas launische Publikum bändigen: „Es ist auch für uns die erste Stunde“. Die deutschen Punkrocker sind schon lange kein Geheimtipp mehr und bekannt für ihre knallharte Performance. So hatte man das Publikum mit „Wir sind zusammen“ und dem Mottotitel „Punk“ schnell auf seiner Seite. Sänger Felix Schönfuss verfügt über eine geniale Stimme und eine fantastische Bühnenpräsenz. Dazu gab es deutliche Worte und verzerrte Gitarren.
Die halbstündige Setlist widmete sich vor allem dem aktuellen Album „Twist“, das erst kürzlich erschienen ist. Für Punkrock doch recht untypisch wurden Songs wie „Unter meinem Fenster“ und „Die Lösung für deine Probleme“ am Piano begleitet. Auch dort machte Felix eine sehr gute Figur. Letztgenanner Track richtet sich deutlich gegen die AfD. Beim Agieren gegen Rechts darf es keine Klischees geben. Und als Zugabe gab es den Song von den selbsternannten „Professoren“, die abends lamentierend in der Imbissbude stehen und zu wissen glauben, wie die Ausländer unser Land verändern. Mit tiefsinnigen Texten und krasser Performance haben Adam Angst neue Freunde gewonnen, was ein Blick in Richtung Merch-Stand verriet.
Pünktlich um 15 Uhr machten die Donots sich zu den Klängen von „Girls Just Wanna Have Fun“ bereit, um dann zum Schlachtruf „Auf sie mit Gebrüll“ den Vorhang fallen zu lassen. 1994 als Schülerband in einer Garage in Ibbenbüren gestartet, haben sich die Donots Schritt für Schritt einen Namen weit über die Punkrock-Szene hinaus gemacht. Fast 30 Jahre, zwölf Alben, über 1.200 Konzerte in 21 Ländern – ihre Geschichte hat Höhen, Tiefen und natürlich jede Menge absurde Momente.
Dass sie auch den Nachmittagsslot beherrschen, haben sie 2022 bei ROCK am RING eindrucksvoll bewiesen, als sie zu früher Stunde das Festival eröffnen durften. Es war die erste Show dort nach Corona und die Menschen waren ausgehungert. Die Donots konnten diesen Hunger stillen und feierten bei hellem Tageslicht eine Wahnsinnsshow, die Maßstäbe für das Festival setzen sollte. Jetzt in Saarbrücken stand der Tag zunächst unter keinem guten Stern, war doch Sänger Ingo noch vormittags mit Verdacht auf Rippenbrüche beim Arzt. Zum Glück Fehlalarm und er konnte sich für zwei Shows fit machen, für die am Abend kurzerhand die ganze Praxis-Crew auf die Gästeliste gesetzt wurde. Ein feiner Zug.
Neben den deutschsprachigen Gassenhauern gab es auch englische Songs wie „Calling“ und „Dead Man Walking“, das den ersten Mega Circle Pit zur Folge hatte. Natürlich hatte Ingo im Blick, dass sehr viel Jungvolk im Publikum war. Als er zu „Hey Ralph“ alle Kids auf die Bühne bat und sich die Reihen unendlich mit strahlenden Gesichtern füllten, wurde er selbst von den Emotionen übermannt und war den Tränen nahe. So etwas erlebt man nicht oft.
Der Besuch mitten im Circle Pit war für den Frontmann obligatorisch. Und dort entdeckte er während „Kaputt“ den Erdbeermann, der auf Donots-Konzerten im Saarland schon eine Legende ist und inzwischen mit eigenen Aufklebern und Fan-Shirts (!) aufwartet. Zudem lud der Erdbeermann alle Fans für die Zeit zwischen den Shows in die Kneipe Klim-Bim am Sankt-Johanner-Markt ein. Dort würden zur Feier des Tages nur Donots-Songs gespielt. Versprochen.
Die Show mit drei Zugaben („Eine letzte Runde“, das Twisted-Sister-Cover „We’re Not Gonna Take It“ und „So Long“) dauerte gut 100 Minuten. Absolut okay – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass ja noch eine weitere Runde am Abend anstand. Wieder einmal wurden die Donots ihrem Ruf als furiose Liveband gerecht. Im Saarland sind sie stets willkommen – egal zu welcher Uhrzeit.
Eine Reihe von fünf Open-Air-Veranstaltungen belebte im Juli das Gelände hinter dem E-Werk Saarbrücken. Im Prinzip ein idealer Veranstaltungsort, geschützt zwischen diversen Hallen und einer höher gelegenen Straße sowie umgeben von allerlei Parkmöglichkeiten. Dass der Schotterplatz sich am Samstagabend in ein Pfützenparadies verwandelte, ist dem gewittrigen Dauerregen des Abends geschuldet. Schade, aber wenn dieses Wacken-Wetter nicht zum Metalabend passte, zu wem dann sonst?
In der Vorwoche gaben sich Johannes Oerding und die Fanta 4 ein Stelldichein, am Freitag waren Scooter zu Gast. Über eine mangelnde Bandbreite an beteiligten Künstlern braucht man sich nicht zu beklagen. Höchstens über die bis dahin vorherrschende Männerdominanz. Aber dem konnte man am Wochenende Abhilfe schaffen, beginnend mit der Hardrock- und Metalbraut DORO, die am Samstag das Publikum begeisterte.
Zwar setzte pünktlich zu Doros Erscheinen auf der Bühne der erste Platzregen ein, ansonsten aber war ihr Auftritt perfekt. Und das nicht nur für Nostalgiker. Visuell prangte sie als leichtbekleidete Schönheit im Bühnenhintergrund. Das ist vielleicht aufgrund ihres nahenden Rentenalters etwas übertrieben, aber auch im gesetzteren Alter ist Doro sowohl optisch als auch stimmlich immer noch das Sinnbild der deutschen Metalqueen. Diesen Titel hat sie sich über Jahrzehnte hart erarbeitet und kann ihn bis heute erfolgreich verteidigen.
Es gab viele Stücke aus der Warlock-Ära, beispielsweise „I Rule The Ruins“, „Earthshaker Rock“ und „Burning The Witches“. Aufgrund dieser Songauswahl und der Power in der Performance wurde Doro von Beginn an abgefeiert. „Blood, Sweat and Rock ’n’ Roll“ hieß die Devise. Besondere Stimmung kam auf, als die deutschsprachigen Klassiker „Für immer“ und „All We Are“ erklangen. Da kam auch endlich die Sonne wieder raus und mit Regenbogen über der Bühne wurde der Mitsingpart zum generationenübergreifenden Gemeinschaftserlebnis. Kein Wunder, dass nach dem Priest-Cover „Breaking The Law“ auch noch die zusammenschweißende Hymne „All For Metal“ geschmettert wurde. Alles in allem ein Metalkonzert alten Kalibers. Hymnisch und durchdringend bis zum Schluss.
Man hätte meinen können, dass Saltatio Mortis es danach schwer haben würde, fiel ihr Mittelalter-Rock doch etwas aus der Reihe, was diesen Metalabend anging. Doch die Band um Jörg Roth (Alea der Bescheidene) stammt aus Karlsruhe und hatte somit in Saarbrücken fast schon ein Heimspiel. Gute Idee, sie direkt vor die Lokalmatadoren von Powerwolf zu platzieren. Es gab ein martialisches Intro im Scooter-Style und mit „Alive Now“ startete die Show im Metalsound, ergänzt um Leier und Dudelsack. Mit dieser Kombi konnten Saltatio Mortis perfekt glänzen.
Musikalisch gab es immer auch akustische Elemente, so dass der Folk nicht zu kurz kam. Die Balance zwischen Rock und Metal war stets gegeben. Man sang über „Loki“ und fragte „Wo sind die Clowns?“. Dazu durfte das Publikum mit den Protagonisten „Ich schwöre, ich bin ein Taugenichts“ skandieren. Die Setlist war mehr als grandios und ein Traditional wie „Drunken Sailer“ setzte das i-Tüpfelchen drauf. So bringt man eine Arena zum Mitgrölen.
Der Frontmann sprang zum Stagediving ins Publikum und ganz metalcore-like erzeugte man zum Electric Callboy-Cover „Hypa Hypa“ einen respektablen Circle Pit. Bei „Für immer jung“ ließ man einen Großteil der Zuschauer ihre Liebsten auf den Schultern tragen und zum Abschluss gab’s den „Spielmannsschwur“. Am Ende wurde die Band von einem lautstarken Chor standesgemäß abgefeiert. Fazit: alles richtig gemacht!
Aber natürlich sollte Powerwolf den Höhepunkt des Abends bilden. Nicht nur was den Härtegrad angeht – als Lokalmatadoren mussten sie auch zeigen, wer hier das Heimrecht hat. Gekonnt zelebrierte das Quintett seine Messe des Metal. Vor kurzem habe ich Ghost in der Rockhal gesehen und Parallelen sind hier nicht von der Hand zu weisen. Ist ja auch kein Problem, wenn die Qualität stimmt.
Ein gregorianisches Intro und Mönche mit Fackeln eröffneten das Szenario. Von „Faster Than The Flame“ bis „Werewolves Of Armenia“ ging es dann durch die Bandgeschichte. Lateinische Textzeilen durchmischten die Songs, es gab eine gewaltige Pyroshow und die Maskierung der Mitstreiter um Attila Dorn tat ihr Übriges dazu. Den Segen gab es aber nicht nur von der Bühne, sondern leider auch in Form nicht enden wollender Regengüsse vom Himmel. Die Zuschauer*innen ließen sich aber davon nicht entmutigen, sondern feierten um so ausgelassener mit. Die „Army Of The Night“ und die wilden Wölfe ließen in ihrer Performance nicht nach, schließlich war man – wie passend – „Sainted By The Storm“. Ein grandioser Abschluss für den Samstag.
Sonntags sollte es dann um Klassen ruhiger zugehen. Zum weiblich getragenen Line-Up hatten sich vor allem Frauen mit ihren mitgeschleppten Männern und massenweise Kinder eingefunden. Im Lauf des Abends wurden Hunderte Kids auf den Schulter getragen, um vielleicht das erste Konzert ihres Lebens zu erleben. Der Glanz in den Augen berührte auch die anderen Anwesenden.
Bevor aber Lea ihren Part ablieferte, war als Support Lina Maly am Zug. Mit ihren gerade mal 26 Jahren ist die Liedermacherin aus Elmshorn schon eine feste Größe in der Szene intelligenter deutschsprachiger Popmusik. Ihren halbstündigen Set spielte sie mit reduzierter Band, vergaß aber nicht, Werbung für den 28.10.2023 zu machen, wo sie dann in einem Headliner-Konzert mit kompletter Band im nahen Saarburg zu Gast sein wird. Linas melancholische Songs passten stilistisch perfekt zur Musik von Lea und waren somit die perfekte Einstimmung.
Dann aber – um 20.30 Uhr – kam der große Moment. Die Bühne war zunächst noch hinter einem Vorhang versteckt und LEA startete allein im Vordergrund mit dem passenden „Sommer“. Schon der zweite Song war „Treppenhaus“ und zum fallenden Vorhang sangen Kinderstimmen tausendfach begeistert den Refrain mit. So läuft ein grandioser Auftakt zu einer fantastischen Show.
Ich will nicht verhehlen, dass Lea in meinen Augen die perfekte Singer/Songwriterin aus deutschen Landen ist und meiner Meinung nach mit „Bülowstrasse“ ganz aktuell das beste und gefühlvollste Deutschpop-Album seit Andreas Bourani („Hey“) abgeliefert hat. Sie legt eine unglaubliche Fülle an Emotionen in ihre Lyrics und ihre Stimme. Manchen mag das gar zu viel werden, doch ich persönlich – und damit bin ich nicht allein – kann mich an ihren authentischen Songs einfach nicht satt hören. Zudem hat sie es gewagt, in einer Zeit, da Musik meist nur noch in Einzelsongs per Stream gehört wird, ein Konzeptalbum über Jugendliche in Berlin abzuliefern. Es macht immer wieder Spaß, dieses Album am Stück zu hören, doch Songs wie „Pass auf mich auf“ funktionieren auch als für sich stehende Songs.
Gemeinsam mit Lina Maly hat Lea für dieses Album auch den Song „Nieselregen“ geschrieben, den beide nun zusammen performten. „Drei Uhr Nachts“ brachte auch ohne Mark Forster die Zuschauer*innen komplett zum Ausrasten. Ein Stück mit enorm viel Groove. Nach „Küsse wie Gift“ gab es ein Drum-Duell auf der Bühne, das Lea nutzt, um durch die Zuschauer einen Platz neben dem FOH zu erreichen, wo sie ganz auf Tuchfühlung gehen konnte. Hier erzählte sie vom ersten Gig in Saarbrücken, wo 2016 ganze vier Menschen erschienen sind.
Nach dem großen Bandsound von der Bühne, zelebrierte Lea nun viele melancholische Stücke zu sanften Pianoklängen oder akustischer Gitarre. Mit viel Emotion gab es „Sommersprossen“ vom aktuellen Album. „Mutprobe“ wurde gleich zweimal geboten, zunächst im Duett mit Zuschauerin Lena, die sich diesen Song aus dem Publikum gewünscht hatte, und dann nochmal komplett mit Band. Als weitere neue Songs gab es „Fuchs“ in einer wunderschönen Pianoversion und auch „Aperol im Glas“ funktionierte zunächst als Ballade, bevor es mit rockigem Beat auf der Bühne in die zweite Hälfte ging.
„In Flammen“ wurde zur elektronischen und fast schon psychedelischen Performance. So zeigte Lea, dass es nicht immer melancholische Balladen sein müssen. „Beifahrersitz“ wurde ganz akustisch zur Gitarre vorgetragen, es gab ein Medley aus Hits wie“Leiser“ und „Zu dir“. „Schwarz“ nahm das Publikum mit eindringlichen Worten mit, dann erklang „110“ und zum Abschluss des regulären Sets die Hymne „Okay“ mit der wichtigen Botschaft an die junge Generation, dass jeder so okay ist, wie er ist. In einer Influencer-Glitzerwelt besonders wichtig.
Die Gitarrenballade „Wenn du mich lässt“ und das kuriose „Liebeslied“, das es bisher noch auf kein Lea-Album geschafft hat aber live immer gern gespielt wird, beendeten nach 110 Minuten ein wundervolles Konzert. Lea hat mal wieder bewiesen, warum sie an der Spitze deutschsprachiger Songwriterinnen steht. Ihre Texte strotzen vor Melancholie und Poesie und für ihre Fans ist das genau richtig. Die Kids bewundern Lea wie eine große Schwester – und auch das erwachsene Publikum nimmt sie an einem solchen Abend mit auf die emotionale Reise. Der Abschluss der „Open Airs am E-Werk“ an diesem lauen Sommerabend war einfach perfekt. Bleibt zu hoffen, dass es 2024 ebenso genial weitergeht.
Setlist – LEA, 16.7.2023, Open Air am E-Werk Saarbrücken
Sommer
Treppenhaus
Pass auf mich auf
Pessimist
Drei Uhr Nachts
Eigentlich
Küsse wie Gift
Elefant
Mutprobe (Refrain)
Sommersprossen
Mutprobe
Fuchs
Aperol im Glas
7 Stunden
In Flammen
Beifahrersitz
Immer wenn wir uns sehn
Leiser / Zu dir / Wohin willst du (Medley)
Schwarz
110
Okay
Leider hatten sich nur gut 50 Zuhörer*innen zum Konzert von Oska in den Kleinen Klub der Garage Saarbrücken verirrt. Eigentlich ein Jammer, denn dort konnte man ein wundervolles Wechselbad der Gefühle erleben. Mit beschaulichen, melancholischen Songs. Aber gerade der überschaubare Rahmen gab dem Event ein sehr intimes Setting, an das man noch lange zurück denken wird.
Den Anfang machte der Support doppelfinger. Wie wir dann später erfahren durften, ein Mitglied von Oskas Liveband. Dass er diese Doppelbelastung geduldig ertrug, muss wohl am Künstlernahmen liegen. Und er lieferte einen sehr ruhigen Einstig in den Abend. Allein an der Gitarre gab er mit virtuosem Fingerpicking eine Reihe von beschaulichen Liedern zum Besten. Wie er selbst schon richtig bemerkte: es wird kein Abend für Partypeople. Stattdessen gab es bei ihm und beim Hauptact gefühlvolle Songs, die das Herz der Anwesenden ein ums andere Mal erfreuten.
Es war übrigens das letzte Konzert von Oskas erster Headline-Tour. Die junge Österreicherin, die eigentlich Maria heißt, hat vor einem Jahr ihr Debütalbum „My world, My love, Paris“ veröffentlicht. Ein Album, das auf Anhieb eine 9-Sterne-Bewertung verdient hat (HIER unsre komplette Review). Ihre Songs sind einfach magisch. Sie singt mit wundervoll sanfter, bisweilen etwas naiv klingender Stimme und erzählt Geschichten über ihr Familienleben und die Erfahrung, als junger Mensch in der heutigen Welt aufzuwachsen.
Oska stammt als jüngstes von fünf Geschwistern aus einer musikalische Familie, hat aber ihren eigenen Weg gesucht, wie sie uns im Interview (2021) erzählte: „Ich habe lange Zeit Straßenmusik gemacht und die Livemusik ist extrem wichtig für mich. Nachdem ich mit dem Schreiben von Musik angefangen habe, habe ich das zunächst allein für mich gemacht. Aber irgendwann kommt der Punkt, wo man das unbedingt jemandem vorspielen will – wie ein Drang, dass man das teilt, was man jahrelang in seinem Zimmer alleine gemacht hat. Plötzlich habe ich es dann machen können, als ich nach Wien gekommen bin. Ich habe so viel Straßenmusik gemacht und gelernt, dass es ein wichtiger Teil von mir ist und vom Musizieren.“ Diese unbändige Freude am Musizieren konnte man auch in Saarbrücken erleben. Den Künstlernamen hat Oska übrigens nach ihrem älteren Bruder ausgewählt (lest HIER das komplette Interview).
Auch wenn die großen Charterfolge noch auf sich warten lassen, hat Oska nach einer EP und dem ersten Album in der Szene von sich Reden gemacht. Sie gewann den XA Music Export Award beim Waves Vienna Festival 2020, ihren ersten Amadeus Austrian Music Award in der Kategorie Best Sound 2022 und erhielt 2023 einen Music Moves Europe Award. Als Support hat sie schon Acts wie Milow, Stu Larsen, Matt Simmons und Tom Odell begleitet.
Und jetzt die eigene Tour! Oska erschafft eine verlockende Welt strahlender Melodien, groovender Rhythmen und poetischer Lyrics. Bis auf eine Ausnahme wurden alle Songs des Albums in dem etwas mehr als einstündigen Konzert gespielt. Die Songs erklangen sehr offen und charmant. Mit reduzierter Begleitung, mal poppig, mal folkig, immer organisch ohne viel elektronischen Schnickschnack und mit enormer Leidenschaft und Liebe. Dabei sind durchaus soziale Botschaften in den Texten versteckt. Der Titelsong handelt von einem Paar, das auf einem Boot davon segelt und auf das Ende der Welt wartet. Klimawandel, Pandemie – und in Zeiten eines Krieges in Europa könnte es gar nicht aktueller sein.
Dazwischen erzählte Oska ihre Geschichten und sammelte Sympathiepunkte. Man hört ihr einfach gern zu und empfindet Empathie, wenn sie „Lousy T-Shirt“ auf eine lausige Beziehung zurückführt, oder wenn sie „ABC“ erklärt, das beschreibt, wie man in einer Freundschaft zum fünften Rad am Wagen wird. Hier wurde auch endlich das Publikum aktiv und musste den Chor zum Song liefern, was trotz der Textfülle sehr gut gelang.
Anderthalb tanzbare Songs sollte es im Set geben. Der halbe war „Woodstock“, den ganzen gab es zum Ende des Sets: „Mona Lisa, a girl’s best friend“ handelt mit bittersüßer Melodie von ihrer Hündin Mona und zugleich von der Erkrankung der Oma. Ein Song über Liebe und Verlust, der zugleich versucht, die Welt zu verstehen. Dazwischen gab es einige Besonderheiten, schließlich musste der Tourabschluss gefeiert werden. So ersetzte Soundmann Flo bei einem Stück den Schlagzeuger, was Oska zu einem Lachflash veranlasste, als sie plötzlich ihren Drummer filmend im Publikum entdeckte. Und es gab a cappella zur akustischen Gitarre vorgetragen ein Cover von Crosby, Stills, Nash & Young – wundervoll harmonisch.
Der Abend hatte viele magische Momente und konnte nicht besser abgeschlossen als mit der Zugabe „Distant Universe“, die Oska dann als ihren ersten selbst verfassten Song aus den Anfangstagen vorstellte. Im Anschluss blieben viele Zuschauer*innen im Club und kamen mit der Österreicherin ins Plaudern, die ganz natürlich hinter dem Merch stand, für jeden die richtigen Worte fand, fleißig Alben signierte und einfach Freude ausstrahlte.
Der ganze Abend war wie eine musikalische Kuscheltherapie: emotional, harmonisch und bezaubernd. Zuckersüß gewann Maria alias Oska die Herzen ihres Publikums. Wie meine Frau so richtig bemerkte: „Am liebsten würde man sie einpacken und mit nach Hause nehmen“. Stimmt. Aber die Alben von doppelfinger und Oska tun’s dann auch.
Am 1. Februar 2023 durften wir Max Giesinger über Zoom einige Fragen stellen. Wir trafen auf einen gut gelaunten und sympathischen Sänger mitten in den Vorbereitungen zu seiner anstehenden Hallentournee. Das Interview führte Andreas Weist.
MHQ: Du spielst am 28. März in Saarbrücken in der Saarlandhalle. Eigentlich sollte das Konzert ja schon vor drei Jahren stattfinden. Wie hast du dir in der Zwischenzeit die Zeit vertrieben?
Ich komme gerade aus dem Urlaubsmodus und bin noch auf einer anderen Frequenz unterwegs. Aber ich hab versucht, die Zeit relativ sinnvoll zu nutzen. In der ersten Phase hab ich Kochen gelernt, weil ich nicht mehr rausgehen konnte, aber dann hab ich plötzlich gecheckt, dass man ja auch Essen bestellen kann. Aber die ersten zwei Monate hab ich tatsächlich für mich selber gekocht. Dann hab ich mit Yoga angefangen, im zweiten Corona-Jahr mit Tennis, Surfen – und dann, als es wieder ging, die Welt bereist. Ich habe versucht, ein paar gesündere Lebenseinstellungen einfließen zu lassen und mich nicht mehr kaputt zu arbeiten. Vorher war ich ständig unterwegs, jetzt habe ich ein ziemlich gutes Privatleben wiederhergestellt.
MHQ: Immerhin habe ich dich danach zweimal open air gesehen. Letztes Jahr in Echternach (Luxemburg) und vor zwei Jahren beim Strandkorb-Konzert am Bostalsee. Was war das für ein Gefühl, vor Strandkörben zu spielen?
Die Strandkorb-Konzerte waren schon was besonderes. Die Distanz zum Publikum war etwas schwierig. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Der erste Strandkorb ist so in 25 Meter Entfernung. Du guckst von einer Riesenbühne runter und hast keine Masse vor dir, die miteinander agiert. Es war schwierig, dass der Funke übergesprungen ist, weil wir einfach so weit entfernt waren. Die Konzerte haben zwar Spaß gemacht, aber sie haben sich immer wie eine Probe angefühlt.
MHQ: Ich finde, die Stimmung war sehr gut. Besser als erwartet. Du hast dazu beigetragen, indem du trotz aller Einschränkungen dein „Bad in der Menge“, also zwischen den Strandkörben, genommen und auch die Zugaben von einem Podest aus dem Publikum gespielt hast. Gab es keinen Ärger deswegen?
Nein. Das war zu der Zeit auch schon wieder erlaubt. Ich bin ja nicht in die Strandkörbe rein gekrochen. Es war einfach eine absurde Zeit. Die Strandkorb-Shows waren gebucht, aber manche Clubs hatten auch schon wieder geöffnet. Trotzdem wollten wir die Konzerte spielen. Die Leute hatten ja Tickets dafür gekauft. Und wir versuchten, nach besten Möglichkeiten ein wenig Intimität zu schaffen. Das geht am besten, wenn du ins Publikum gehst. Und ich glaub für die Leute war das ganz cool, gemütlich zu sitzen. Aber meine Musiker mussten viel Energie in die Shows stecken. Das waren ja riesige Flächen wie Fußballfelder.
MHQ: Was dürfen wir den jetzt für die Saarlandhalle erwarten? Wird es neue Songs geben?
Es wird auf jeden Fall eine Kracher-Show. Wir proben jetzt erstmal eine Woche. Im Sommer haben wir viele Festivals gespielt und wieder ein Gefühl fürs Touren bekommen. Es wird ein „Best of“ aus allen großen Hits und Fan-Lieblingen. Es wird rockige aber auch akustische Momente geben. Es ist mir wichtig, dem Publikum nah zu sein und in den Dialog zu kommen. Es ist immer ein Highlight, auf unsre Konzerte zu kommen. Wir stecken sehr viel Liebe rein und sind auch bekannt dafür, dass es live echt Spaß macht. Ich kann alle nur herzlich einladen: Gönnt euch das!
MHQ: Deine Alben gefallen mir vor allem deshalb so gut, weil sie meist ein Konzept verfolgen und in vielen Songs deine Geschichte erzählen. Manchmal hat man das Gefühl, dass eine Story noch nicht zu Ende erzählt ist und die Alben einen „Director’s Cut“ brauchen. So hast du damals „Die Reise“ akustisch neu aufgenommen und in der Tracklist verändert. Und du hast „Vier“ um einige Songs erweitert und als „Viereinhalb“ neu veröffentlicht. Was ist deine Motivation dahinter?
Wenn man schöne Songs geschrieben hat, finde ich es immer ganz gut, wenn man die auch nochmal anders aufleben lässt. Bei der „Reise“-Platte haben die Songs auch so viel hergegeben. Man konnte sie super akustisch umarrangieren. Und bei „Vier“ hatte ich einfach extrem viele Songs geschrieben und es war total schwierig, die Stücke für die Platte auszuwählen. Also machten wir eine Art „add on“ und nannten das „Viereinhalb“, weil quasi nochmal eine halbe Platte mehr drauf war. So bediene ich mich an den Optionen, die möglich sind. Man kann Deluxe- oder Akustik-Platten machen. Und ich finde, ein guter Song ist nicht so schnell auserzählt.
MHQ: In „Pulverfass“ hältst du eine Ansprache an dein zukünftiges Kind, die ziemlich pessimistisch rüber kommt. Gleichzeitig gibt „Stell dir vor es wird gut“ eine positive Zukunftsperspektive. Wie ist deine Einstellung? Ist das Glas halb leer oder halb voll?
Das hängt von meiner Tagesform ab. Ich kann schon ein Pessimist sein und versuche dann, meine Erwartungen runter zu schrauben, damit ich nicht enttäuscht werde, wenn es doch nix wird. Damit bin ich schon öfter gut gefahren. Aber meist würde ich mich als kleinen Sonnenschein beschreiben, dass ich versuche, gut gelaunt durch du Welt zu gehen und das Beste draus zu machen. Es kann mich ziemlich abfucken, wenn es nicht gut läuft, aber ich bin auch sehr begeisterungsfähig, wenn es dann mal gut läuft.
MHQ: Als Motto für die Tour hast du den Song „Irgendwann ist jetzt“ ausgewählt. Eine Hymne für Eigenverantwortung und ein Aufruf, nicht alles aufzuschieben, was man erreichen will. Ist das die Botschaft, die du deinen Fans vermitteln willst? Geht nicht irgendwann mal wieder zum Konzert – sondern jetzt!
Stimmt. So kann man das auch sehen. Wer weiß, wie lange wir noch auf Tour gehen. Vielleicht hab ich ja in drei Jahren Bock, ein Café in Brasilien aufzumachen. Wenn du ein Konzert besuchen willst, dann mach es jetzt. Und wenn du Dinge in deinem Leben verändern willst, dann auch jetzt und nicht erst in ein paar Monaten. Diese Aufschieberei tut keinem gut. Natürlich ist es leichter, Instagram durchzuscrollen als deine wirklichen Probleme anzugehen. Ich hab letztes Jahr viel aufgeräumt und auch Dinge verändert, die mir auf den Keks gegangen sind. Das tut manchmal weh, aber es ist wie beim Fitness-Studio: Erst hat man keinen Bock drauf, aber hinterher ist es dann doch ein super Gefühl.
MHQ: In den ersten Albentiteln waren immer Bewegungselemente wie Laufen, Rennen und Reisen vertreten. Das Album „Vier“ fand ich dann schon überraschend. Heißt das, dass du inzwischen sesshaft geworden bist?
Das kann man noch nicht so genau sagen, aber ich bin jetzt näher dran am Sesshaft-werden. Mit 34 will man auch nicht mehr auf jeder Party rumtanzen. Man hat schon viel gesehen, weiß wie manche Dinge laufen und wird dadurch etwas entspannter. Da ist schon eine Grundentspannung und ich merke, dass ich weder mir noch irgendjemand anderem etwas beweisen muss. Ich hatte ein paar sehr erfolgreiche Alben und gute Songs im Radio. Da bin ich unfassbar dankbar für. Man kommt schon ein Stück bei sich an, aber es ist kein finales Ankommen. Das würde ich mit einem Stillstand verbinden. Wenn ich ein Ziel erreicht habe, will ich ein nächstes Ziel erreichen.
MHQ: Am Bostalsee hast du „Über den Wolken“ von Reinhard Mey gespielt. Kannst du dir vorstellen, mit 80 Jahren noch zweistündige Konzerte zu geben?
Auf jeden Fall hab ich da großen Respekt vor. Nach zwei Stunden oder oft auch zweieinhalb Stunden komm ich von der Bühne, bin fertig und könnte auch direkt schlafen gehen. Ich würde mir schon wünschen, dass ich das noch lange so machen kann. Aber mit 80? Das ist schon krass. Vielleicht sag ich auch mit 50: Okay, das war ne coole Zeit, aber jetzt kümmere ich mich um Kind und Garten und später um Enkel. Auf jeden Fall liebe ich das Musikmachen so sehr, dass ich mir im Moment nicht vorstellen kann, je ohne Publikum auszukommen. Aber sechs Wochen Tour mit 40 Konzerten wird es in zwanzig Jahren vermutlich nicht mehr geben. Dann macht man einfach etwas weniger.
MHQ: Hast du noch viel Kontakt zu Waldbronn und Karlsruhe? Eigentlich ist Saarbrücken ja fast ein Heimspiel für dich. Hat das eine besondere Bedeutung, dort zu spielen?
Ich mag es immer noch sehr, im Süden zu sein. Auch ans Saarland habe ich nur gute Erinnerungen. Das ist ein Bundesland, in dem wir immer tolle Konzerte gespielt haben. Das passt gut, ich hab Bock drauf und bin dankbar, dass mir die Leute dort schon seit Jahren so treu sind.
MHQ: Wann wird es denn ein fünftes Album geben? Hast du schon Pläne?
Gefühlt ist das noch ne Ecke weg. Ich hab langsam angefangen, ein paar Songs zu schreiben, aber ich will mir auch keinen Druck machen. Ich finde, du kannst nicht alle anderthalb Jahre eine neue Platte rausbringen. Du musst erstmal etwas erleben. Für eine gute Platte braucht man Stoff von 2-3 Jahren. Also: Es ist noch nichts in Aussicht, aber Ewigkeiten wird es auch nicht dauern.
MHQ: Der Song mit Michael Schulte ist aber kein Zeichen, dass du es mal auf Englisch probieren willst?
Also solomäßig fühle ich nicht, dass es ein englisches Album geben wird. Im Duo-Kontext könnte ich mir das schon vorstellen. Es ist nichts geplant, aber ich will das auch nicht komplett verneinen. Es wäre vorstellbar. Als Künstler will man auch mal was anderes machen. Nach links und rechts gucken, was da so geht, finde ich ganz spannend.
MHQ: Ich danke dir sehr für das Gespräch. Danke für deine Zeit!
Ein besonderer Dank geht an Heiko Renno von Saarevent für die Vermittlung, an die Tourpromoterin Anika Grillis für die Organisation und natürlich an Peter Goebel, der uns stets mit News zu Max Giesinger auf dem Laufenden hält.
Wie Luxemburg hat auch das Saarland seinen „Temple of Metal“. Normalerweise ist das die Garage in Saarbrücken, aber wenn dann für einen Doppel-Act wie Trivium und Heaven Shall Burn besonders viele Metalfans erwartet werden, muss die ehrwürdige Saarlandhalle herhalten.
Insgesamt war es gar ein metallisch lautes Quartett, das den Abend recht früh beginnen ließ. So hatte ich leider den Opener verpasst, traf aber punktgenau zu den Death-Metal-Heroen OBITUARY aus Florida ein. Seit 1984 sind die Altmeister schon aktiv, gehören aber noch lange nicht zum alten Eisen. John Tardy brüllt seine Lyrics immer noch energisch und vollmundig in die Menge. Hart, brutal und düster kommt die Show ohne viel Schnickschnack um die Ecke. Den Fans in Saarbrücken war das nur recht und sie feierten das Quintett und seinen 45minütigen Set gebührend ab. Mit „Circle of the Tyrants“ gab es gar ein Cover von Celtic Frost und „Don’t Care“ schloss das Happening fulminant ab.
In der Pause hätte man sich locker die Tagesschau ansehen können, dann betraten TRIVIUM pünktlich zur Wettervorhersage und unter den Klängen von „Run To The Hills“ (vom Band) die Bühne. Sie hatten eine bunte Kulisse mit dominierenden Schlangenköpfen und eine laute Show mitgebracht. Ihr Gig wurde mit dem aktuellen Album eingeläutet: „In the Court of the Dragon“ hieß es gleich zu Beginn und der umtriebige Matthew Heafy lieferte von Anfang an ein Feuerwerk an Growls und melodischen Einlagen ab.
TRIVIUM stammen wie OBITUARY aus Florida, sind aber als Band 15 Jahre jünger. Natürlich haben TRIVIUM auch alte Hits in ihrer Setlist, die die Stimmung der Halle weiter antreibt. Sänger und Gitarrist Matt Heafy wechselt zwischen Shouts und Gesang ohne Probleme und zockt sich dabei die Finger wund. Der Rest der Band ist genauso live-technisch vollkommen und so zeigt sich die bekannte Power dieser Herren. Sie sind eine der besten modernen Metal-Bands und beweisen, dass harte Arbeit sich auszahlt. Das Publikum zog zunächst nur verhalten mit, ließ sich aber zu dezenten Circle Pits aufstacheln und gab schließlich ein gemütliches Rudern am Hallenboden zum Besten. Mit „In Waves“ und „Pull Harder on the Strings of Your Martyr“ endete der 70minütige Set und ließ die nächste Pause mit den Klängen von „Heaven and Hell“ starten.
HEAVEN SHALL BURN sind nicht aus Florida, sondern nur aus Thüringen angereist. Und doch zogen sie vermutlich das meiste Publikum, gehören sie doch zu Recht zu den erfolgreichsten deutschen Metalcore-Bands. Marcus Bischoff und seine vier Mitstreiter bieten feinsten Metalcore, Hardcore und Death Metal mit Growls sowie aggressiver Attitüde. Megastark und wuchtig brettern sich HEAVEN SHALL BURN durch ihren Set.
Textlich geht es um alternative Wahrheiten in den verschiedenen Filterblasen der sozialen und sonstigen Medien, um die Spaltung der Gesellschaft, das Erstarken rechter Bewegungen, um die Klimakrise und die Schattenseiten von Kapitalismus, Globalisierung und Digitalisierung.Das wird auch in den Video-Einspielern deutlich, die auf große Leinwände transportiert werden. Die Arbeit der Meeresschutz-Organisation Sea Shepherd wird ebenso visuell gezeigt wie der Wahnsinn von Kriegen und menschengemachten Naturkatastrophen. Während der Vorhang zu Beginn noch ein sehr martialisches Bild zeigt, wird die pazifistische Botschaft doch mehrfach in Filmen und Marcus‘ Ansagen deutlich: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Beim Publikum gab es jetzt definitiv mehr Bewegung, eine Legion an Crowdsurdern und riesige Circle Pits. Zwischenzeitlich kam Matt von TRIVIUM für einen Song mit auf die Bühne und später (vor „Profane Believers“) entdeckte Marcus den siebenjährigen Headbanger Lenn in der ersten Reihe und bat ihn zur gemeinsamen Performance mit auf die Bühne.
Mit „Numbing the Pain“ und „Tirpitz“ endete die formidable und dynamische Show nach starken 70 Minuten. Besucher und Bands haben sich gegenseitig einen super Abend bereitet. Besser hätte es nicht laufen können.
Die neuen Corona-Regeln des Saarlands hätten dem Konzert von JEREMIAS im Kleinen Klub der Garage Saarbrücken fast einen Strich durch die Rechnung gemacht, gilt doch dort just seit dem 20.11. die 2G+ Regelung für Clubs und Discotheken. Es war also erforderlich, dass alle Zuschauer sich trotz ihrem Status als „geimpft oder genesen“ auch noch ein tagesaktuelles negatives Testzertifikat besorgen. Zum Glück wurde das frühzeitig kommuniziert und es gab auch beim Einlass keine Probleme. Ein Testcenter befindet sich direkt in der Garage mit separatem Eingang – also alles safe für das Event.
Trotz der kurzfristigen Regelung war der Kleine Klub nämlich gut gefüllt und es gab eine ausgelassene Feier ohne Masken und mit hohen Sicherheitsstandards. So kann das funktionieren! Das Publikum war recht jung. Vor allem wohl Schüler und Studenten. Auch damit kann man bei einer Newcomerband wie JEREMIAS rechnen. Die vier Jungs aus Hannover starten gerade kräftig durch. Ich habe sie unlängst auf dem REEPERBAHN Festival gesehen, wo sie schon für Furore sorgten. Und die Clubtour – deren Abschluss man nun in Saarbrücken feierte – ist auch hervorragend gelaufen.
Den Anfang machten aber ILAYO mit elektronischem Computersound. Ein Keyboarder und eine Sängerin, die ebenfalls eine Tastatur bediente. Es gab sphärischen Gesang und bisweilen skurrile esoterische Bewegungen der Frontfrau. Dem Publikum hat’s gefallen – auch wenn die Vocals zum Ende hin manchmal ziemlich verstörend klangen. Es gab Technobeats und einen voluminösen Clubsound, der gut zur Garage passte und die Zuschauer zum Tanzen animierte. Ein gelungener Einstieg in den Abend.
JEREMIAS starteten pünktlich um 20.30 Uhr mit ihrem ganz besonderem Sound und dem Song „Paris“. Wenn eine Band aus Hannover mit einem Altersdurchschnitt von 20 Jahren angibt, Disko-Funk zu machen, muss das Posing sein. Ist es aber nicht! Die Tour war so gut wie ausverkauft und der Sound der Band ist absolut stimmig. Die Jugend lässt sich vom Label „Funk“ nicht abschrecken. Und während der Popsound auf dem Tonträger noch recht chillig klingt, ging doch live ordentlich die Post ab.
Erst im Oktober 2019 veröffentlichten JEREMIAS ihre Debüt-EP „Du musst an den Frühling glauben“. Im Corona-Sommer 2020 folgte die zweite EP. Ein Intro, vier Songs: „alma“, die spanische Bezeichnung für die Seele. Und im Mai 2021 war dann das Debütalbum „Golden Hour“ am Start. Konsequent, Zug um Zug – und der Erfolg gibt ihnen Recht.
Der Kleine Klub beherbergte ein textsicheres Publikum, das sich seit Mai alle Lyrics des Debüts drauf geschafft hatte. Zum groovenden Sound wurde lässig getanzt. Das aktuelle Album stand ganz im Vordergrund der Performance mit Stücken wie „nie ankommen“, „ich mags“, „mio“ und „einfach“. Kurze Songtitel, ordentliche Aussage. Die Indie-Pop-Band brachte das Publikum trotz aller Auflagen zum Tanzen und verwandelte den Klub in einen atmosphärischen, bisweilen mystischen Ort. Das war pures Konzertfeeling wie in alten Zeiten! Vor allem Gitarrist Oliver Sparkuhle legte sich mit seiner Performance schwer ins Zeug, auch wenn Sänger Jeremias Heimbach stets im Mittelpunkt stand. Besonders als er allein am Keyboard den neuen Song „Goldmund“ (frei nach Hermann Hesse) vortrug und für einen Gänsehautmoment sorgte.
Der reguläre Konzertteil endete nach 80 Minuten mit dem Titelsong des Albums. Aber es war das letzte Konzert der Tour, also gab es einige Überraschungen. So befand sich in der Wasserflasche des Sängers purer Gin. Und als erste Aktion der Zugabe sang die komplette zehnköpfige Crew ein a-cappella-Stück auf der Bühne. Danach wurde wieder getanzt und gefeiert bis zur Curfew um 22 Uhr. Tanzen im Circle, Stage-diving, das komplette Programm mit Teilen der Band im feierwütigen Publikum.
JEREMIAS sind unbekümmert und finden Funk geil. Ihr Sound ist tanzbar und sexy, reduziert und groovend zugleich, manchmal theatralisch. Das junge Publikum steht auf diesen handgemachten Sound. So wird vermutlich auch der nächste Tourabschnitt im März 2022 zur geilen Zeit. Zum Vormerken: 6. März 2022 in der TUFA (Tuchfabrik Trier). Der VVK ist bereits gestartet.
Powerwolf wurde 2003 in Saarbrücken gegründet und man lief zur Höchstform auf, als man den rumänischen Sänger Attila Dorn als Frontmann verpflichtete. Was seitdem aus den Boxen dröhnt, ist Powermetal vom Feinsten. Markenzeichen ist aber die sakrale Anmutung der Songs, die sich in weiten Teilen an spirituellen Klängen orientieren, auch mal Orgelmelodien nutzen und neben englischen sowie deutschen Texten auch auf Latein erklingen. Etwas Gregorianik, rumänische Sagen-Andeutungen, Wölfe, Vampire und Blut. Mit diesen Elementen spielt die Band sehr erfolgreich und feiert den Bombast.
Fleißig sind die Wölfe allemal. „Call of the Wild“ ist schon ihr achtes Studioalbum. Die Musik klingt bisweilen wie eine Mischung aus Manowar und In Extremo, allerdings im besten Sinne. Wo Manowar längst den Faden verloren hatten und eher in den Hörspiel-Sektor gewechselt sind, gehen Powerwolf die Ideen nicht aus. Melodische Klänge mit Ohrwurm-Charakter, viel Pathos sowie eine starke Rhythmusfraktion mit krassen Riffs und schnellem Schlagzeug beherrschen die Szene.
Aber das ist nicht alles: „Alive Or Undead“ funktioniert als mitreißende Ballade mit chorischen Anleihen. „Blood For Blood (Faoladh)“ ist eine folkloristisch angehauchte Hymne, für die man sie live ohne Ende abfeiern wird. „Glaubenskraft“ bietet mystischen Mittelalter-Rock und der Titelsong vereint alle Qualitäten der Band.
Alleinstellungsmerkmale sind die breit angelegten lateinischen Passagen und die ausschweifenden Vokalpassagen mit großen Chören und gregorianischen Stimmen. Und dann gibt es noch die erzählerischen Stücke wie „Beast of Gévaudan“ und das der rumänischen Sagenwelt entlehnte „Varcolac“.
Leadgitarrist Matthew Greywolf: “Mit Call Of The Wild schlagen wir ein neues, spannendes Kapitel in der Geschichte von Powerwolf auf. Das Album klingt unverkennbar nach Powerwolf und ist gleichzeitig so viel mehr: Neben Neuland wie die keltischen Instrumentierungen in ‚Blood for Blood (Faoladh)‘ oder einer waschechten Ballade wie ‚Alive or Undead‘ haben wir all unsere Trademarks nochmal auf ein neues Level gehoben. So wild, im wahrsten Sinne des Wortes, und so kraftvoll klangen wir bis dato nie. Wir können es kaum erwarten, dieses Biest von einem Album endlich mit euch allen zu teilen!“
„Call of the Wild“ bietet alles, was man von Powerwolf erwartet, und noch viel mehr. Mir liegt nur das einzelne Album zum Reviewen vor, doch einige der Formate (2-CD Mediabook, 3-LP Vinyl Box, 3-CD Earbook, digital) enthalten neben dem neuen Album auch das Bonusalbum „Missa Cantorem“ – eine Reise durch die Erfolgsgeschichte der Band, welche neu interpretierte Versionen von bekannten Powerwolf Hits enthält, die von Freunden und Wegbegleitern der Band stimmlich begleitet werden. Zudem gibt es im Earbook als dritte CD das neue Album im orchestralen Sound.
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Fans können sich darauf einstellen, nicht nur brandneue Heavy-Metal-Hymnen, aus tausenden von Kehlen mitgesungen, erleben zu dürfen – zudem werden Powerwolf die bis dato größte und epischste Produktion ihrer Bandgeschichte auf die Bühne bringen, womit sie ihren Status als eine der intensivsten Live-Bands einmal mehr untermauern!
Wolfsnächte 2021
01.10.21 DE – Stuttgart / Schleyerhalle
02.10.21 CH – Zürich / Samsung Hall
04.10.21 ES – Barcelona / Razzmatazz
05.10.21 ES – Madrid / Riviera
07.10.21 FR – Paris / Zenith
08.10.21 UK – London / Roundhouse
09.10.21 BE – Antwerpen / Lotto Arena
10.10.21 NL – Amsterdam / Afas Live
12.10.21 IT – Mailand / Alcatraz
13.10.21 DE – Frankfurt / Jahrhunderthalle
15.10.21 DE – München / Zenith
16.10.21 DE – Oberhausen / König Pilsener Arena
17.10.21 CZ – Prag / Tipsport Arena
18.10.21 PL – Katowice – MCK
20.10.21 HU – Budapest / Arena
21.10.21 AT – Wien / Gasometer
22.10.21 DE – Berlin / UFO im Velodrom
23.10.21 DE – Saarbrücken / Saarlandhalle
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Purple Schulz ist seit vielen Jahren im Musikgeschäft unterwegs. NDW-Fans kennen ihn noch von seiner Zeit mit der Neuen Heimat, doch auch ganz aktuell gibt es ein fantastisches Album aus seiner Feder. Er tourt ununterbrochenen mit dem Gitarristen Schrader, der vormals bei Guildo Horn tätig waren. Und die Konzerte sind ein Fest! Ich konnte mich erst kürzlich in Saarbrücken und in Trier davon überzeugen. Ein Fest für Menschen, die erwachsene Popmusik mit intelligenten Texten lieben, für Menschen, die nostalgisch in den 80er und 90er Jahren schwelgen möchten, für Menschen, die an die Magie des Augenblicks glauben.
Purple sagt selbst, dass er die Konzerte in drei Teile trennt. Zunächst gibt es die Vorspeise. Damit sind vor allem die Songs der letzten Platte „So und nicht anders“ gemeint. Hier findet ihr unsere ausführliche Review zu So und nicht anders von Purple Schulz. Nach einer Pause geht es zur Hauptspeise, denn es folgen hauptsächlich die bekannten Songs. Wer erinnert sich nicht an „Sehnsucht“, „Verliebte Jungs“, „Kleine Seen“, „Nur mit dir“? Diese werden in akustischen Versionen geboten. Außerdem einige Klassiker, die nicht so oft im Radio vertreten waren – ich nenne mal „Unter der Haut“ und „Herz voller Gold“. Hier spürt man förmlich das Aha-Erlebnis unter den Zuschauern, die viel mehr mitsingen können, als sie zuvor dachten.
Und dann kommt das Dessert, wie Purple sagt. Der Moment, für den Künstler auf die Bühne gehen und Menschen Konzerte besuchen. Zunächst war es noch humorvoll und Purple enterte als Clown die Bühne, um sich „dem Brauchtum“ zu widmen. Wie bekommt man jetzt die Kurve zu einem melancholischen Abschluss? Purple erzählt eine Geschichte von der Beerdigung eines Karnevalisten. Er regt zum Nachdenken an, berichtet vom Abschiednehmen und philosophiert über den Tod. Es ist still im Veranstaltungslokal. Jeder – aber wirklich jeder – hört gebannt zu und hängt an seinen Lippen. Dann setzt er sich ans Klavier und spielt „Der letzte Koffer“, das sich auf bewegende und tröstliche Weise mit dem Thema Sterben auseinandersetzt. Klavierklänge. Vielleicht eine Seele, die zum Himmel schwebt. Keiner wagt es zu klatschen. Stille im Saal und Purple beendet das Konzert mit „Immer nur leben“. Ein verzaubertes Publikum und stehende Ovationen sind der Dank dafür. Man kann Purple nur zu diesem magischen Moment gratulieren und ich empfehle jedem Leser dieser Zeilen einen Konzertbesuch – uneingeschränkt.
Vor dem Konzert in Saarbrücken hatte MHQ die Gelegenheit, dem Soundcheck beizuwohnen und ein Interview mit dem sympathischen Künstler zu führen. Purple stellte sich den Fragen von Redakteur Andreas Weist im beschaulichen Ambiente des deutsch-französischen Gartens:
Als dein Album „So und nicht anders“ vor zweieinhalb Jahren erschien, war das schon eine kleine (oder auch große) Überraschung. Immerhin hatte man schon 15 Jahre nichts Neues von dir gehört. Was war der Grund für die lange Studiopause?
Purple: Es gab viele Konzerte, ich bin viel unterwegs gewesen. Das waren verschiedene Projekte: Kindermusicals, ein Kindertanzballett. Mit dem Ensemble der Stunksitzung war ich fünf oder sechs Jahre lang unterwegs. Und dann habe ich vier Jahre lang mit Heinz Rudolf Kunze getourt. Ich war eigentlich gut ausgelastet, aber ich habe auch ein neues Studioalbum gemacht. Das ist richtig. Es gab ein Livealbum 2003, ansonsten war ich unterwegs.
Das Album beginnt mit „Ich hab Feuer gemacht“ und endet mit „Der letzte Koffer“. Eine Reise also von der Geburt bis zum Sterben. Ist es viel Biographisches, das du dort verarbeitet hast?
Purple: Naja – gestorben bin ich noch nicht. Es ist ein Album über das Leben, vor allem über das Leben meiner Generation. Ich werde nächstes Jahr 60, meine Frau ist 52. Wir haben andere Nöte und Sorgen. Unser Leben ist anders. Damals waren wir jung und rebellisch. Die Musik war immer ein Ausdruck davon. Das war früher Sinn und Zweck der Popmusik: dass sie reflektiert hat, was in der Generation der Jugendlichen passiert ist. Die Musik hat zum Beispiel meine Position zum Vietnamkrieg sehr gut dokumentiert. Jetzt sind wir alle älter geworden und sind immer noch leidenschaftliche Popmusikhörer, aber wir haben nicht mehr die Inhalte in dem Pop, wie wir ihn aus dem Radio kennen. Wir wollten ein Album machen, das speziell etwas mit unserer Generation zu tun hat. Ein Album für Erwachsene, denn Pop ist im Moment ein großes Kinderkasperletheater.
Inzwischen ist deine Frau Eri Schulz neben dir die Haupt-Songwriterin. Wie funktioniert das mit der Zusammenarbeit? Entwickelt ihr eure Ideen im Alltag oder strukturiert ihr das in Schreib-Sessions?
Purple: Ideen kommen immer auch im Alltag, aber wenn wir schreiben, dann tun wir das sehr konzentriert. Wir schreiben, bis wir fertig sind, gehen dann runter ins Studio, nehmen alles auf und schauen, ob es funktioniert.
Auch mit deinem Sohn Ben hast du schon zusammen Musik gemacht. Wird Purple Schulz langsam zum Familienbetrieb? Sind da weitere Kooperationen geplant?
Purple: Nein, meine Jungs sind mittlerweile älter geworden und gehen ihre eigenen Wege. Mein Jüngster spielt sensationell Gitarre, aber er hat keinen Bock, auf Tour zu gehen. Das kann ich gut verstehen. Ein paar Mal hat er Schrader vertreten, aber er ist ein Filmfreak. Er macht Filme, er macht Werbung. Das läuft bei ihm sehr gut und er lebt mittlerweile in Berlin. Mein Sohn Ben hat sich von der Musik sehr zurück gezogen und schreibt Drehbücher. Er ist fest beim Fernsehen beschäftigt.
Du widmest dich vor allem in deinen neuen Songs Themen, um die andere einen großen Bogen machen. „Fragezeichen“ beschäftigt sich mit Demenz und Alzheimer, „Die dünne Wand“ mit plötzlich auftretenden Psychosen. Was ist der Hintergrund dafür? Wie werden dir solche Themen nahe gebracht?
Purple: Wir gehen einfach offen durchs Leben. Die Frau an meiner Seite ist eine unglaublich gute Beobachterin. Eri hat durch die Tatsache, dass sie auch Therapeutin ist, einen sehr wachen Blick und eine große Auffassungsgabe. Wir erleben einfach wahnsinnig viel, sind viel unterwegs, sehen viele Menschen, haben beide auch große Familien und insofern steht man mitten im Leben. Da ergeben sich die Themen eigentlich von selbst.
Inzwischen hört man, dass Internet-Portale und sogar Dozenten an Pflegeschulen dein Video „Fragezeichen“ einsetzen, um für die Demenz-Problematik zu sensibilisieren. Bist du in den Prozess involviert? Hältst du als Prominenter selbst Vorträge zum Thema?
Purple: Ich fahre öfter mal hin, mache Eröffnungen für Demenz-Tage und spiele das Stück live zum Video. Oder ich erzähle etwas zu der Geschichte und wie wir darauf gekommen sind. Das funktioniert sehr gut und wird hervorragend angenommen. Ich habe mich sehr gefreut, als Jan Josef Liefers mir schrieb und die Umsetzung lobte.
Wenn ich „Die dünne Wand“ höre, werde ich an deinen ersten großen Hit „Sehnsucht“ erinnert. Auch da gibt es unvermittelt einen lauten Schrei. Das verursacht bei beiden Songs auch nach mehrmaligem Hören immer wieder Gänsehaut. Kann man das live noch umsetzen? Wie geht es dir selbst dabei?
Purple: Gerade solche Stücke – nehmen wir mal ruhig „Sehnsucht“, was ja schon viel älter ist, über dreißig Jahre alt. Diese Stücke haben für mich an Intensität auf der Bühne nichts eingebüßt. Es ist immer ein ganz großer Moment, wenn ich diese Songs dort leben kann. „Die dünne Wand“ ist gerade in dieser Zeit ein sehr wichtiger Song. Es ist mir wichtig, ihn immer wieder zu spielen. Vielleicht der orchestralste Song, den ein Klavierspieler und ein Gitarrist je auf der Bühne gespielt haben. Wir setzen ihn um, wie man das zu zweit kann, ohne das die Intensität leidet. Man kann das mit großem Orchester machen, es kann aber auch alleine Weltklasse sein. Entscheidend ist der Song, die Geschichte und dass man das Herz trifft. Das ist das Allerwichtigste.
Du warst viele Jahre mit Josef Piek unterwegs, den du schon seit der Neuen Heimat kanntest. Jetzt hast du Schrader mit dabei, der vor allem hier im Südwesten als Gitarrist von Guildo Horns orthopädischen Strümpfen bekannt geworden ist. Wo habt ihr euch kennen gelernt und wie kam es zum Wechsel?
Purple: Mit Josef habe ich 33 Jahre gespielt. Dann kann so eine Ehe auch mal an einem Punkt enden, wo man gemeinsam nicht mehr weiter kommt und sich gegenseitig im Weg steht. Es ist nie zu spät für eine Trennung. Egal, ob das eine Ehe ist oder eine musikalische Zusammenarbeit. Schrader habe ich auf der Hochzeit meines Bookers kennen gelernt. Wir haben eine Session zusammen gespielt und das hat Spaß gemacht. Er ist ein klasse Typ, ein lustiger Kerl. Man sieht ja auch, was bei uns auf der Bühne passiert.
Ich habe deine Show mit Josef Piek vor einigen Jahren in Trier gesehen. Dann später ein Konzert mit Schrader hier im Saarland. Da gab es schon bemerkenswerte Änderungen. Früher standen die Songs im Mittelpunkt, heute passiert viel drum herum: Kabarett, Comedy, Anekdoten. Ist Schrader eine neue Inspirationsquelle für dich?
Purple: Nein. Josef war halt nie so der Komödiant und insofern war das damals anders. Ich fühle mich ganz wohl mit dem Schrader. Es ist sehr lustig. Wenn man mit anderen Menschen zusammen Musik macht, entsteht immer etwas Neues. Das ist ein Segen. Es kann auch übermorgen jemand anderes da sein und dann geschieht wieder etwas ganz anderes. Das ist einfach schön.
„Verliebte Jungs“, „Gerade noch gefehlt“, „Bis ans Ende der Welt“ – solche Titel gehörten einmal zu den meistgespielten deutschsprachigen Titeln im Radio. Eigentlich gehört doch ein Song wie „Ich hab Feuer gemacht“ auch dort hin. Was läuft falsch heutzutage? Muss man über Fußball singen, um im Radio gespielt zu werden?
Purple: Oder über nackte Frisösen? Ich weiß es nicht. Der ganze Markt hat sich sehr geändert und verändert. Ich bin froh, dass ich die 80er erlebt habe, so wie sie waren, als das Musikgeschäft noch halbwegs funktioniert hat. Es ist schade, wie sich alles verändert hat. Es ist sehr mainstreamig geworden. Früher hatten wir den Deutschen Schallplattenpreis, der an außergewöhnliche deutsche Künstler verliehen wurde, die qualitativ hochwertige Sachen gemacht haben. Heute werden Preise nur noch nach Umsätzen vergeben. Das ist sehr schade, denn das Kapital regiert mittlerweile alles. Kunst und Kultur werden davon in Mitleidenschaft gezogen. Wohin entwickelt sich das? Ich bin ja mit Popmusik groß geworden. Ich hatte zwei ältere Brüder, bin Jahrgang 56 und so waren die Beatles und die Stones die ersten Sachen, die ich gehört habe. The Small Faces, The Who. Wir wurden damals mit jedem Album einer Band überrascht, denn es gab immer wieder etwas Neues. Und heute gibt es nur noch Trends. Man setzt auf die Trends und kopiert diese, weil es Erfolg verspricht. Niemand traut sich mehr, Künstler aufzubauen. Das ist ein Jammer, denn es gibt viele begabte junge Leute, die tolle Stimmen haben und tolle Songs schreiben. Dann macht man ein Album, maximal zwei. Wenn es dann nicht läuft, dann war’s das. Ich musste erst einmal zehn Jahre Musik machen, bevor ich ein Studio von innen gesehen habe. Das war gut, weil ich so viel Erfahrung sammeln und reifen konnte. Für mich ist Alter nichts Schlimmes, sondern ein Schatz. Ich habe den jungen Musikern viel voraus. Ich spiele länger, habe mehr gesehen, weiß besser mit kritischen Situationen umzugehen. Das muss man lernen und diese Zeit muss man jungen Künstlern lassen.
Dein Album „So und nicht anders“ ist äußerst vielseitig. So viele unterschiedliche Facetten findet man heute kaum noch auf deutschsprachigen Alben.
Purple: Das liegt auch daran, dass es viele verschiedene Geschichten sind. Es sind keine 13 Liebeslieder, sondern ganz verschiedene Sachen. Denen muss man sich mit anderen Instrumenten und Mitteln nähern. Man muss schauen, wie setze ich das um? Eigentlich müsste man auch auf der Bühne für jeden Song ein anderes Licht haben. Das ist für mich eine dramaturgische Arbeit.
Du packst auch gesellschaftskritische Themen an („Uns kann nix passieren“, „So macht das keinen Spaß“) und steckst sie dann in lustige Melodien. Bleibt einem da nicht manchmal das Lachen im Halse stecken?
Purple: Das kann natürlich sein und es wäre auch beabsichtigt. Ich glaube, diesen schwierigen Themen kann man sich am besten mit Humor nähern. Ansonsten wäre ein solches Konzert oder ein Album sehr deprimierend. Eigentlich leben wir in einer Zeit, die einen wahnsinnig machen muss. Es gibt drei Möglichkeiten, auf diesen Irrsinn zu reagieren, der in der Welt abläuft: Depression, Panik oder Aggression. Alle drei sind schlecht, deshalb muss man über bestimmte Dinge einfach lachen. So wie Charlie Hebdo das gemacht hat. Anders können wir die Welt nicht aushalten.
Ich freue mich schon, weil du in Zukunft wieder öfter in der Region spielst. In Trier (23.4.), Landstuhl und Birkenfeld (beides im Januar 2016). Aber was mich zum Abschluss brennend interessiert: Ist ein neues Studioalbum in Planung?
Purple: Das steht im Moment etwas hinten an. Ich arbeite an einem Buch, das im Herbst zur Messe raus kommen soll. Es beschäftigt sich mit dem Thema „Sehnsucht“. Klar – es ist mein größter Hit. Ich wollte aber auch schauen, was denn damals unsere Sehnsucht war. Warum hatte dieses Lied in der Zeit einen solchen Erfolg? Im Westen wie auch im Osten. Was ist aus den Sehnsüchten von damals geworden? Welche Sehnsüchte hat man heute? Damals wollten wir alle raus. Wir hatten die Friedensbewegung und es gab einen Kampf gegen das Establishment. Man muss sich Dokumentaraufnahmen ansehen. Wie wurde in dieser Zeit Politik gemacht? Und wo sind wir heute? Wer ruft heute noch „Ich will raus“? Komischerweise tut das gar keiner mehr. Eher hat man das Gefühl, viele Menschen sind inzwischen so aus der Gesellschaft ausgegrenzt, dass sie gerne wieder rein wollen. Es hat sich da eine ganze Menge getan und das Thema „Sehnsucht“ ist breit aufgestellt. Damit wollte ich mich auseinander setzen. Wenn das Buch fertig ist, dann setzen wir uns ans neue Album. Das ist immer eine Reise und wir wissen nicht, wohin sie geht.
Es wird also keine 15 Jahre dauern?
Purple: Ganz sicher nicht. Dann wäre ich 75 und das wäre doch knapp, um es zu promoten.
Vielen Dank, Purple, für deine Zeit. Ich hoffe, wir haben dich nicht allzu sehr vom Essen abgehalten. Es war eine große Freude, mit dir zu sprechen und wir freuen uns sehr auf das Konzert gleich in der Bel Etage Saarbrücken!
Wenn zwei junge Männer – der eine am Flügel, der andere am Cello – ihr Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißen, dann muss es dazu eine Vorgeschichte geben. Und diese hat heutzutage meist mit dem Internet zu tun. Jon Schmidt und Steven Sharp Nelson sind ein YouTube-Phänomen. Ihre Geschichte beginnt in einem Klaviergeschäft namens „The Piano Guys“, das dem Videografen der Band (Paul Anderson) gehört. Um den Verkauf anzukurbeln, stellte Anderson selbst aufgenommene Videos von Jon Schmidt am Piano ins Netzt. Zunächst mit mäßigem Erfolg. Als aber Steven mit seinem Cello hinzu stieß, explodierten die Zugriffszahlen auf YouTube. 500 Millionen sind es nach jüngster Rechnung, bei über zwei Millionen festen Fans.
Nach riesigen Erfolgen in den USA wird ihr Bekanntheitsgrad auch in Europa immer größer. Am 20. November gastierte das Quartett (von dem in der Regel nur die beiden Protagonisten auf der Bühne stehen) in der Saarlandhalle Saarbrücken. Am Anfang sah man einen Flügel und einige Celli im Scheinwerferlicht. Recht unspektakulär mit Kinoleinwand im Hintergrund. Am Ende stand die Halle Kopf und die Piano Guys wurden mit Standing Ovations gefeiert.
Aushängeschild der Band sind die spektakulären Videos. Wie bringt man so etwas aber auf die Bühne? Natürlich indem man sie im Hintergrund abspielt – das ist bei vielen Stücken der Fall. Und es sind authentische, grandiose, oft sehr berührende Momente, die dort gezeigt werden. Aber Jon und Steven bestechen auch durch ihre Virtuosität an den Instrumenten. Da nimmt ihnen keiner die Butter vom Brot. Steven sagt, er wolle anders sein, als gewöhnliche Cellisten. Diese schauen immer so ernst. Bei ihm das nicht der Fall – er hat ein sympathisches Lachen und neigt ebenso zu Clownerien wie sein kongenialer Partner.
Jons Eltern stammen aus Hamburg und er spricht ein paar Worte Deutsch. Das wird im Lauf des Abends ordentlich ausgewalzt. Zudem muss er mehr tun, um gegen Steven zu bestehen. Es reicht eben nicht, dass das Piano im Bandnamen steht. Jon spielt sein Instrument mit dem Rücken zu den Tasten, bearbeitet es mit den Zehen und tanzt auch mal enthusiastisch über die Bühne, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Gespielt wurde eine Mixtur aus klassischen Stücken und Pop. Die Piano Guys schreiben viele Songs selbst, arrangieren Bekanntes um und verknüpfen Musik unterschiedlicher Epochen zu großartigen Mash-Ups, wobei man die Originale oft im Melodienreigen suchen muss. Zudem haben sie sich Grenzen auferlegt. Die Bandmitglieder sind als Mormonen sehr religiös geprägt und haben bei vier Mitgliedern insgesamt 16 Kinder. Daher achten sie darauf, dass auch die Originalvideos gecoverter Künstler kinderfreundlich sind. Miley Cyrus zeigt nackte Haut, also werden ihre Songs nicht gecovert. Das nenne ich mal konsequent.
Es gab trotzdem noch genügend Auswahl für den Abend: Der Soundtrack aus den „Bourne“-Filmen wurde mit Vivaldi verknüpft und im Film mit Action-Elementen versehen. Coldplay und U2 tauchten in Schnipseln auf, die chinesische Mauer wurde mit dem eigenen Song „Kung Fu Piano“ bespielt, wobei Steven sein Cello in eine chinesische Fiedel transformierte. Auf Video gab es einen bewundernswerten Auftritt in einem Altenheim zu sehen, wobei sich mit der Zeit viele alte Menschen begeistert zur Musik bewegten. Das sind besondere Momente im filmischen Schaffen. Ein solcher kam dann später nochmal, als zu „The Story Of My Life“ ein wunderschönes Video die Geschichte eines Lebens und eines Baumes erzählte. Gänsehaut pur!
Jon und Steven bekamen jeweils einen Solopart, um die Pause einzurahmen. Dabei verband Jon am Piano das Weihnachtslied „I Saw Three Ships“ mit seinem Titel „Waterfall“. Steven hingegen vermengte Beethoven einzigartig mit One Republics „Secrets“ und spielte per Loop-Maschine gleich ein ganzes Orchester aus acht Celli ein, um die Musik von Johann Sebastian Bach zu würdigen. Weiter erklang David Guettas „Titanium“ neben einem Song von Christina Perri und dem Weihnachtsklassiker „O Come Emmanuel“.
Zum berühmt-berüchtigten Kanon von Pachelbel gab es ein Comedy-Lehrstück der beiden. Nur acht Töne Grundmelodie für den Cellisten, der seine Unzufriedenheit ausgiebig zeigte und schließlich auf der Bühne schnarchte, während Jon am Piano zum Höhenflug ansetzte und beide das Stück schließlich in „Rockelbel’s Kanon“ umwandelten.
Erst kurz vor Schluss kamen mit Paul Anderson (Videograf) und Al van der Beek (Produzent) die restlichen Teile des Kleeblatts auf die Bühne und man zog zu viert eine sensationelle Show mit dem Stück „Ants Marching / Ode To Joy“ ab. Jeder fand sich irgendwann an allen Instrumenten, man wirbelte durcheinander, es gab Percussion an Celli, Piano und mit allem, was den Einzelnen in die Finger kam. Standing Ovations für das Quartett waren der Dank. Als Zugabe wurde dann der Paradesong „What Makes You Beautiful“ angestimmt, bei dem die vier um den Flügel stehen und neben mehrhändigem Spiel die Klaviersaiten auch Zupfen und das Holz als Schlaginstrument missbrauchen. Unglaublich, was acht Hände aus einem einzigen Instrument heraus holen können.
Das Publikum in der Saarlandhalle war begeistert – und das mit Recht. Mein zehnjähriger Sohn fand den Auftritt „cool“ und man konnte an den Gesichtern der Zuschauer sehen, dass generationenübergreifend der Geschmack der Menschen getroffen wurde. Schaut euch den YouTube-Chanel der Piano Guys an. Man kann süchtig davon werden!
Die Fernsehsendung „Sing meinen Song“, die von Xavier Naidoo ins Leben gerufen wurde, hat einiges bewirkt. Die Künstler, die dabei mitgewirkt haben, hatten in der Regel schon zuvor einen hohen Bekanntheitsgrad. Eine Ausnahme ist vielleicht Gregor Meyle, der nach den Clubkonzerten für Insider, die er in der Vergangenheit gab, plötzlich auch große Hallen füllt. Die anderen Sängerinnen und Sänger lernte man aber von einer sehr neuen, fast schon privaten Seite kennen. Und die gesanglichen Qualitäten wurden aufgrund des vielseitigen Repertoires der beteiligten Künstler stark gefordert.
Anscheinend sind aber auch echte Freundschaften entstanden. Zumindest unterstützen sich die Beteiligten seitdem bisweilen auf ihren Konzerten. So geht Gregor Meyle momentan als Support von Roger Cicero mit auf Tour. Zwar spielt er keinen riesigen Set (30 Minuten sind sogar recht dürftig, wenn man seine Chartpräsenz in den letzten Monaten bedenkt), bekommt aber immerhin die Gelegenheit, sich einem neuen Publikum zu präsentieren, und nutzt diese Chance auf seine einmalig sympathische Weise.
In der Saarlandhalle Saarbrücken – leider bei weitem nicht ausverkauft – begann sein Set pünktlich um 20 Uhr. Wie gewohnt hatte er auf der Bühne ein kleines Wohnzimmer mit Teppichen und Lampen aufgebaut. Als Unterstützung war die komplette Meyle-Band mit dabei. Das war gar nicht so selbstverständlich, denn der Keyboarder war auf dem Weg nach Saarbrücken im Zug eingeschlafen und erst in Basel wieder aufgewacht. Eine Freundin brachte ihn dann mit dem Auto zur Saarlandhalle. Diese Anekdote wurde (typisch für die lustigen Ansagen Meyles) zum Running Gag des Abends. Bei einem so kurzen Set musste er aber aufpassen, sich nicht in den Ansagen zu verzetteln, wie das sonst der Fall ist.
Zunächst gab es den aktuellen Titel „Hier spricht dein Herz“ und die Latino-Version von „Heute Nacht“, die mir nicht ganz so zusagt. Ich mag eher die getragenen, melancholischen Titel aus seiner Feder – wie das nun folgende „Finde dein Glück“. Gregor ist ein Lebenskünstler par excellence. Er kokettiert auch damit, dass er mit dem momentanen Erfolg endlich mal ein paar Kröten vor dem Finanzamt retten konnte. Dabei hat er nichts von seiner Leichtigkeit verloren und erzählt frei von der Schnauze weg, wie schlimm er die momentane Medienhetze gegen seinen Freund Xavier Naidoo findet, der anscheinend nachmittags ganz spontan zum Kuchenessen nach Saarbrücken kam.
Der kurze Auftritt endete dann mit „Du bist das Licht“ und „Hätt nix dagegen“. Ein sehr schöner Auftritt, der mit riesigem Applaus belohnt wurde. Es gab sogar stehende Ovationen – und wann erlebt man so etwas schon mal bei einer Vorband. Gregor hatte mal wieder alles richtig gemacht und entließ das Publikum in eine 20minütige Umbaupause.
Roger Cicero fuhr dann die schweren Geschütze auf. Fantastische Bigband mit acht Bläsern und Kontrabass neben der obligatorischen Rockband. Eine Bühne mit Stegen, die um die Musiker herum führten und dem Sänger die ganz großen Showposen ermöglichten. Er kam im dunklen Anzug und mit typischem schwarzem Hut. So hatte er sein Publikum von Beginn an nicht nur optisch im Griff. Sein Vater war ein berühmter Jazzpianist, seine Mutter Tänzerin – Roger ist der Swing einfach in die Wiege gelegt. Diesen verpackt er aber nicht etwa in verkopfte Arrangements, die Otto Normalhörer nur schwer ertragen kann, sondern er wählt leichte Pop-Nummern mit sympathischen Texten, die durch den Bigband-Einschlag an Tiefe gewinnen.
„Glück ist leicht“ war der erste Titel. Damit nahm Roger den Faden auf, den Gregor aus der Hand gelegt hatte. Wunderbar eingängige Titel. Und zwischendurch erzählte Cicero vom Eis essen in Saarbrücken und dem Badezimmer in der Künstlergarderobe der Saarlandhalle, das er erstmals seit zehn Jahren in renoviertem Zustand vorfand.
Cicero erzählt in seinen Stücken gern von Beziehungsdingen. Von Abschied und Freiheit, von Begegnungen und dem schmerzhaften Loslassen. Egal, ob da die Bigband mit virtuosen Trompetensoli glänzt oder Cicero allein zur Akustikgitarre im Rampenlicht steht. Er trifft den richtigen Ton und erzeugt wohlige Gefühle. Opulenter Orchesterklang, entspannte Gitarren, eingängige Pianoballaden – da war alles vertreten. Meist aber dominierten kraftvolle und modern groovende Rhythmen.
Roger gab den großen Entertainer und nahm ein Bad in der Menge. „Zieh die Schuhe aus“ als herzliche Botschaft der Frau zuhause an den Liebsten war der perfekte Song, um auf den Boden der Tatsachen zurück zu kommen. Er sprach dann auch das Thema an, dass jetzt eigentlich Pause im Programm wäre. Aber man hatte ja erstmals einen Supportact dabei und die Pause musste entfallen. Kein Problem – der kraftvolle Sänger stand das auch ohne Verschnaufen durch. Allerdings hätte ich mir ob der neuen Männerfreundschaft erwartet, dass Gregor Meyle irgendwann im Programm des Hauptacts nochmal im Geschehen auftaucht. Das war leider nicht der Fall – die Gründe dafür erschlossen sich dem Publikum nicht.
„Frauen regier’n die Welt“ war ein weiterer Song für die textfesten Zuschauer. Doch es ging nicht nur lustig zu. Ciceros Texte sind insgesamt nachdenklicher geworden, manchmal sogar philosophisch, wenn er mit „In diesem Moment“ eine großartige Ballade über die Bedeutung eines beliebigen Momentes für die Welt und für den Einzelnen besingt. In die gleiche Kerbe schlug „Wenn es morgen schon zu Ende wäre“, bevor „Murphys Gesetz“ das Konzert zunächst beschloss.
Inzwischen waren die Zuschauer längst nicht mehr auf den Sitzen. Der Großteil hatte sich vor der Bühne eingefunden und machte den Konzertabschluss mit „Du bist mein Sommer“ und „Bin heute Abend bei dir“ zur riesigen Party, bevor der Auftritt nach gut zwei Stunden endete. Mit lässiger Eleganz und deutschen Texten im swingenden Big-Band-Sound bezauberte Cicero mal wieder sein Publikum. Er bleibt sich und seinem Stil seit Jahren treu, erweitert aber gleichzeitig die inhaltliche und musikalische Bandbreite. Und er beweist einmal mehr, dass deutschsprachiger Swing durchaus modern und populär sein kann.
Die erste Europatournee der Piano Guys durch Deutschland, Österreich und die Schweiz war komplett ausverkauft und das Quartett um die beiden Musiker Jon Schmidt (Piano) und Steven Sharp Nelson (Cello) wurde mit Standing Ovations gefeiert. Ihre außergewöhnlichen Videos, die auf YouTube bis zu 400 Millionen Mal angeschaut wurden, binden The Piano Guys natürlich auch in Ihre Konzerte ein: Sie holen damit unglaubliche Kulissen wie die chinesische Mauer auf die Bühne und erschaffen ein beeindruckendes visuelles Erlebnis.
Auch musikalisch gilt für die vier Künstler, zu denen auch die beiden Produzenten Paul Anderson und Al Van Der Beek gehören, das Motto: „No Limits!“: The Piano Guys aus dem US-Bundesstaat Utah präsentieren mit ihren eigenen Arrangements eine einzigartige Mixtur aus Klassik und Pop sowie ein umfangreiches Repertoire, das von Beethoven über Coldplay bis hin zu David Guetta reicht.
Mehr als zwei Millionen Fans können sich nicht irren: The Piano Guys muss man live gesehen haben! Aufgrund des Auftritts bei „Verstehen Sie Spaß?“ waren sie in Deutschland auf Promotour unterwegs und wir konnten ihnen am 5. Juni in Saarbrücken begegnen. Dort trafen wir auf das bestens gelaunte Quartett, dessen fröhliche Stimmung sehr ansteckend war. Da das Interview nur auditiv aufgezeichnet wurde und ich die Stimmen beim besten Willen den Protagonisten nicht zuordnen kann, wird der Sprecher nur in Ausnahmefällen namentlich bestimmt. (Fotos: Jörg Lorscheider.)
Hallo. Schön, dass ihr Zeit für uns habt. Musicheadquarter ist ein Onlinemagazin für alle Arten von Musik. Von Klassik bis Heavy Metal.
Cool. Magst du Heavy Metal?
Ja. Aber jetzt geht es ja um euch. Am Samstag seid ihr bei „Verstehen sie Spaß?“. Ist das euer erstes Mal im deutschen Fernsehen?
Nein. Wir waren schon zweimal bei Mario Barth. Er liebt unsere Show. Er hat eins unserer Konzerte in Berlin gesehen. Ein super Typ. Er ist unser Freund.
Im November werdet ihr in der Saarlandhalle Saarbrücken auftreten. Was darf man erwarten?
Wer unsere YouTube-Videos mag, wird auch das Konzert lieben. Es ist, als ob man unsere Videos anschaut – aber es gibt viele unerwartete Dinge. Wir machen etwas Comedy und spielen ganz andere Versionen der Songs, die man schon aus dem Internet kennt. Wir werden auch mal alle vier auf der Bühne stehen. Das Publikum kann viel Spaß erwarten.
Aber die eigentliche Band sind Jon und Steven?
Paul: Sie sind die meiste Zeit auf der Bühne, aber manchmal leisten wir ihnen Gesellschaft. Im Hintergrund werden die Videos abgespielt. Jeder hat seine Aufgabe.
Ihr werdet als YouTube-Phänomen bezeichnet. Ich kann das nachvollziehen, denn seit mein Sohn „Cello Wars“ kennt, will er das Video ständig wieder sehen. Aber wie wollt ihr so etwas auf der Bühne umsetzen?
Manche Videos sind wirklich unmöglich auf der Bühne umzusetzen, aber wir tun unser Bestes. Ich glaube, bisher war noch niemand enttäuscht. Jeder mag, was wir tun. Was „Cello Wars“ angeht, haben wir noch keine Möglichkeit gefunden, das live zu spielen. Aber wir haben eine Idee – vielleicht Hologramme. Hast du die Michael Jackson-Show gesehen? Mit dem Hologramm von Michael?
Ich hab sie nicht gesehen, aber davon gehört.
Vielleicht versuchen wir mal etwas in der Art. Aber die Technologie ist sehr teuer. Wie heißt dein Sohn?
Florian.
Wir wissen, dass kleine Kinder zur Show kommen und gerne „Cello Wars“ sehen wollen. Wir werden irgendwas mit Video auf dieser nächsten Tour machen. Sie werden nicht enttäuscht sein. Versprochen.
Paul und Al werden auf der Tour mit dabei sein. Davon haben wir schon gesprochen. Alle vier zusammen nennt ihr euch The Piano Guys, aber das Cello ist ein wichtiges Instrument in eurer Performance. Ist es nicht diskriminierend für Steven, dass er sich Piano Guy nennen muss?
(Großes Gelächter.) Steven: Ich mag dich! Diskriminierung…. ja, es ist wirklich diskriminierend für mich. Beim Konzert dreht sich alles um Jon. Das ist das Problem.
Jon: Nein, nein.
Paul: Ich erkläre es dir. Das ist wirklich wichtig. Der Name hat verschiedene Hintergründe. Ich hatte ein Klaviergeschäft im Süden von Utah und wir nannten uns „The Piano Guys“. Der Laden hieß so. Aber wir suchten nach einer besonderen Idee fürs Marketing. So lernten wir Jon kennen. Er kam in den Laden, hat gespielt und wir begannen mit dem Drehen von Videos. Dann stellte er uns Steve vor: „Hey, das ist Steve. Er ist Cellist.“ Und Steve stellte uns Al vor: „Er ist Musikproduzent.“ Und plötzlich hatten wir alles, was wir brauchten. Wir hatten wirklich vor, den Namen des YouTube-Kanals noch zu ändern, aber als Steve dazu kam, war es schon zu spät.
Ich habe den Aprilscherz auf eurer Homepage gesehen. Ihr würdet euch in The Cello Guys umbenennen.
Ja. Hat er dir gefallen?
Sehr. Ich hab es einen kurzen Moment lang geglaubt, bis ich das Datum sah.
Steven: Das war eine tolle Idee von Al. Es sind einfach große Momente. Wir lieben diese Rivalität. Während der Konzerte ärgern wir uns gegenseitig. Das ist sehr spaßig. Es macht den Spaßfaktor der Piano Guys aus. Ich bin nicht sauer deswegen, aber ich tue so als ob.
Es gibt Stücke wie das „Ave Maria“, auf denen du das Cello in acht Spuren spielst. Könnt ihr das auf der Bühne machen?
Steven: Da arbeiten wir mit Videos. Wie schon gesagt. Du wirst mich einen Teil des Songs live spielen hören und im Hintergrund siehst du auf der Leinwand die übrigen Celli.
Du benutzt also keinen Looper?
Steven: Doch, ich arbeite auch mit Loops. Zumindest bei einigen Songs.
Und ich habe auch gesehen, dass ihr das Piano als Saiteninstrument nutzt, zum Beispiel in „What Makes You Beautiful“. Da werden die Saiten gezupft. Ihr macht Percussion auf und mit dem Holz. Wer hat so großartige Ideen?
Vor allem Al. Das ist meistens Al. Nein, wir alle haben solche Ideen. In diesem speziellen Fall war es ein geschäftliches Meeting und wir waren im Klaviergeschäft. Wir standen drum herum und haben uns unterhalten. Plötzlich begann jemand, dagegen zu schlagen, ein anderer hat an den Saiten gezupft und bevor wir wussten, was passierte, haben wir alle auf dem Piano gespielt. Wir dachten, das ist cool. Irgendwann mal, wenn wir unterwegs sind, werden wir die Idee nutzen. Und so kam es. Wir brauchen da nie lange. Wir hatten die Idee, haben ein Lied arrangiert, zusammen geprobt. Dann gingen wir ins Studio zum Videodreh. Das dauerte höchstens 4-5 Tage. Aber wir waren unsicher, ob wir es wirklich veröffentlichen sollen. Darf man das mit einem Piano machen? Letztlich haben wir es veröffentlicht und es ist unser am meisten gesehenes Video bis heute. Inzwischen haben wir 400 Millionen Views auf unserem Kanal. Drei Millionen YouTube Subscribers. Eine Million Facebook-Fans. Das hat uns überwältigt. Es ist wundervoll.
„What Makes You Beautiful“ war auch das Video, was mich letztlich von euch überzeugt hat.
Paul: Danke. Wir spielen es auf jeder Show. Ich und Al kommen raus und wir beschließen die Show damit. Irgendwann muss man ja auch aufhören. (Die anderen lachen.)
Ein Konzept wie „Rock meets classic“ funktioniert ja oft so, dass man die Originalsongs mit Gitarren und Schlagzeug holt und mit bombastischen Streichern umspielt. Ihr wählt aber Stücke aus, die allein mit Piano und Cello ihre Wirkung erzielen. Wie tut ihr das?
Das ist gar nicht so einfach. Wir probieren verschiedene Sachen aus und manchmal funktioniert es nicht mit Piano und Cello. Wir verändern die Tonart und probieren es wieder. Aber wir wählen nur Songs aus, die sich richtig anfühlen. Die zu unseren Instrumenten und zu unserem Stil passen. Die Kinder helfen uns oft bei der Auswahl. Wir haben zusammen 16 Kinder, musst du wissen. Und wir haben einen großen klassischen Hintergrund. Wir wählen klassische Musikstücke aus, die wir mögen. Das ist viel geworden über die Jahre. Und wir schreiben unsre eigene Musik.
Jon: Das ist sowieso das schwierigste. Du musst unter so vielen Tönen auswählen und entscheiden, welcher Ton als nächstes kommt. (Wieder großes Gelächter von den anderen.)
Und ihr versucht Stile zu kopieren, wie in „Michael Meets Mozart“, ohne aber tatsächlich deren Musik zu nutzen.
Ja, das ist wie bei einem Koch, der sein eigenes Gericht kreiert. Er bekommt Einflüsse von überall her, macht aber trotzdem sein eigenes Gericht. Und wir nutzen viele Einflüsse. Wenn du all unsre Tracks anhörst, wirst du viele verschiedene Sachen finden. Wir hatten das Gefühl, in One Direction ist manchmal die Musik von Bach versteckt. Und es hat großen Spaß gemacht, das heraus zu arbeiten. Die meisten Leute wissen das nicht, aber wenn du einen unsrer Songs hörst, all die Sounds, die komplette Sinfonie, die Percussion – das wird von Steve auf seinen Celli gemacht. Er hat viele davon in allen Varianten. Traditionelle Celli, Steel Celli, elektrische Celli. Sie können sich anhören wie Streicher, Viola, Doublebass, Schlagzeug – alles was du hörst wurde von einem Piano oder einem Cello gespielt. Mit einer Ausnahme: manchmal nutzen wir eine Kick Drum. Aber abgesehen davon ist alles von den beiden Instrumenten. Wir nutzen Als Studio. Er ist Musikproduzent und Toningenieur. Es macht großen Spaß, ein Musikstudio als Instrument zum Musikschreiben zu nutzen. (Alle lachen).
Ja, das tun wir doch. Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass wir für die Zeit bezahlen müssen. Wir experimentieren zusammen. Außerdem haben wir unsere Väter und unsere Kinder. Wir testen die Songs aus. Das nennen wir den „Disney-Test“. Ist der Song in Ordnung? Etwas, das wir unseren Kids zeigen können? Wäre es okay, wenn Kinder den Song im Original sehen, den wir covern? Das originale Video auf YouTube? Das ist eine der Herausforderungen. Denn es gibt gar nicht so viele Videos und Lyrics, die in Ordnung („clean“) sind – also familienfreundlich.
Ihr covert also nichts von Miley Cyrus?
Steven: Du hast es erfasst. Manche ihrer Songs sind wirklich gut („catchy“). „Wrecking Ball“ – hey, das ist ein klasse Song. Ich dachte: Super. Schau dir mal das Video an. Und dann so etwas. Ich hab es sofort ausgeschaltet. Für Kids – oder auch für mich – ist das nichts. (Mal wieder großes Gelächter.)
Wie Jon und Paul schon gesagt haben: Es ist nicht einfach. Wir lassen auch Songs uns auswählen, indem sie uns inspirieren. Wirklich. Das ist es – die Inspiration.
Ich finde es aber interessant, dass ihr kindgerechte Lyrics und die Darstellung im Originalvideo zum Ausgangspunkt eurer Überlegungen macht. Es gibt nicht viele Musiker, die so handeln.
Danke, dass du es so siehst. Wir haben schon viele gute Ideen deshalb verworfen. Sachen, die wirklich super funktioniert hätten.
Eure Videos sind extrem aufwendig. Manchmal sieht man ein Piano in der Wüste, auf einem Felsen oder der chinesischen Mauer. Ist das alles echt? Fliegt ihr da per Hubschrauber hin? Oder wird auch getrickst?
Paul: Du weißt ja jetzt, dass ich ein Klaviergeschäft hatte. Mein Vater hat Klaviere transportiert. Er ist super, unglaublich. Er hat nie ein Piano beschädigt. So haben wir einfach Erfahrung und Zugang zu den richtigen Techniken. Jemanden, der uns einen Flügel transportiert, wohin auch immer wir ihn haben wollen. Wir machen das selbst. Nur für die chinesische Mauer – da haben wir 30 Leute engagiert, die uns geholfen haben. Die mussten ungefähr 1000 Stufen hoch.
Steven: Es gibt nur ein Video, bei dem wir Tricktechnik, einen Greenscreen genutzt haben. Was denkst du, welches es war?
Ich denke „Cello Wars“.
Steven: Genau. Alles andere ist wirklich echt. Das ist so aufregend. Manchmal sind wir wie kleine Kinder, die eine neue Idee haben und diese umsetzen wollen. Gegen jedes Gesetz. Okay, kommen wir zur nächsten Frage: Wie heißt die Hauptstadt von Utah?
Keine Ahnung.
Und die Hauptstadt von Deutschland?
Berlin.
Bingo. (Alle lachen.)
Was ist denn euer höchstes Ziel? Was wollt ihr unbedingt noch tun? Ein Video auf dem Mond drehen?
Steven: Einen Flügel aus einem Flugzeug werfen – und Jon spielt Piano bis zum Aufschlag. Ein Dreiminutenwalzer in 20 Sekunden. Das wär’s. Unser lustigstes Video haben wir in Berlin gedreht. Es heißt auch so. Kennst du das?
Nie gesehen.
Das ist in Deutschland für YouTube gesperrt. Irgendwelche rechtliche Gründe. Du musst es auf MyVideo anschauen. Wir waren an all diesen Orten, der Siegessäule, dem Brandenburger Tor, dem Berliner Dom. Es war traumhaft. Deutschland inspiriert uns.
Eine letzte Frage. Das will meine Frau gern wissen, die selbst Harfe spielt: Wie viele Celli hat Steven?
Es sind 18. Sie alle haben verschiedene Namen und eine Persönlichkeit. Das hier ist Boris. Er geht mit auf die Promotour. Wir haben aber auch 25 Klaviere. Und in jedem Flügel steckt eine Harfe.
Vielen Dank an euch. Dass ihr hier in Saarbrücken wart und euch so viel Zeit für meine Fragen genommen habt.
Wir danken dir auch. Es war schön, dir zu begegnen. Wenn du im November in die Saarlandhalle kommst: Bring Florian und deine ganze Familie mit. Ihr werdet viel Spaß haben.
Davon bin ich überzeugt.
Ein großes Dankeschön geht an Nadja von Popp Concerts, die uns das Interview vermittelt und uns vor Ort gewohnt herzlich betreut hat.
Blackeyed Blonde wurden 1990 gegründet und galten in den 90ern im Saarland als die Metal-Helden überhaupt. Sicher nicht von jedem gemocht, doch ihr Crossover aus Rock, Metal, HipHop und Funk traf den Nerv der Zeit und sie eiferten klanglich ganz dem Sound gängiger Hardcore-Bands nach. Ihr Alleinstellungsmerkmal waren aber die saarländischen Lyrics und Textpassagen, die sich immer wieder in den Songs fanden. Es reichte nicht für den deutschlandweiten Erfolg, doch Titel wie „Boomerang“ schafften es zumindest auf den Musikkanal Viva (ja – damals wurde da tatsächlich noch Musik gespielt). Das viel zu frühe Ende kam, nachdem man im Staatstheater Saarbrücken ein Shakespeare(!)-Stück musikalisch inszeniert hatte. Ein vielleicht allzu ambitioniertes Projekt für eine Metalband, das die Bandmitglieder am Ende auseinander dividierte.
Keine Ahnung, was die Musiker in der Zwischenzeit gemacht haben. Auf jeden Fall war die Freude groß, als in den Weiten des Netzes plötzlich neue Songs auftauchten und schließlich ein Reunion- und CD-Release-Konzert für das JUZ in Saarbrücken angekündigt war. Die Karten verkauften sich wie geschnitten Brot und das Konzert wurde schließlich in die altbekannte (und doch besser geeignete) Garage verlegt.
Eine riesige Menschentraube hatte sich dort eingefunden und das weite Rund der Garage war bestens gefüllt. Interessanterweise Fans aller Altersklassen – zum Teil junge Menschen, die von der Livestärke der Band höchstens mal vage gehört haben können. Die beiden Vorbands Viavo und New Noise Project habe ich leider nur am Rande mitbekommen. Und pünktlich um 20.45 Uhr ging schon der Set von Blackeyed Blonde los.
Das Septett betrat zum Teil in gruseliger, an alte Slipknot-Zeiten erinnernder Maskierung die Bühne. Man hatte ein hohes DJ-Pult aufgestellt und die Soundkulisse kam oft vom Band. Kein Problem – Hauptsache Gitarren, Bass und Schlagzeug hauen ordentlich rein. Der Klang kam mir anfangs ziemlich dumpf vor. Aber man gewöhnt sich an alles. Zu alter bzw. neuer Besetzung kann ich nicht viel sagen. Sind doch schon ein paar Jährchen her, seit ich die Band zum letzten Mal gesehen habe.
Die Stimmung auf und vor der Bühne war bestens. Es begann mit zwei Titeln aus alten Zeiten und der bärtige Sänger hatte sein Publikum gut im Griff. Später sollte er gar ein Crowdsurfing wagen. Doch es war vor allem ein Release-Konzert und so bekam die Menge in der Folge eine stattliche Anzahl neue Songs in deutscher Sprache oder (noch skurriler) mit saarländischen Texten zu hören. Da lag nach Meinung vieler Fans schon immer die Stärke von Blackeyed Blonde und ich finde es genial, dass man nun komplett in diese Richtung gegangen ist.
Die neuen Songs sind der Knaller! Das mal vorweg. „Tanz du Sau“, was für ein spaßiger Kracher mit Text ohne jeden Tiefgang. Stimmlich ist der Sänger allererste Sahne. Rau und knackig. Es wird gerotzt was das Zeug hält und dazu bisweilen düstere Gitarrenklänge und Rap-Einlagen. Das Album wurde bis auf einen Song komplett gespielt. Vielseitig, dreckig, textlich oft unter der Gürtellinie – so wie wir BEB schon immer geliebt haben. „Saarstahl“ weckte Heimatgefühle für die Besucher aus dem kleinsten Bundesland, „Tief“ brachte fast das komplette Publikum in die Hocke und ließ es begeistert wieder aufspringen.
Ja, Blackeyed Blonde sind definitiv wieder zurück. Ich will mich jetzt auch nicht lange mit den soundtechnischen Ungeschicklichkeiten aufhalten. Das Album, das es am Abend zu erwerben gab, ist 1a produziert und lässt die alten Zeiten hochleben, als die Band noch ihren Plattenvertrag bei Gun Records hatte. Schade, dass es vor dem Crossover-Boom schon vorbei war. Da hätte noch einiges draus werden können. Jetzt sind die alten Recken fest im bürgerlichen Beruf, aber auf der Bühne merkt man nichts davon.
In Feierlaune gab es zum Abschluss den Smashhit „Boomerang“ in überlanger Version. Ein Fest für alle treuen Fans. Doch die Rufe nach dem saarländischen Song „Kämpf“ wurden immer lauter. Ein Stück, das BEB damals in die Schlagzeilen brachte und kontrovers diskutiert wurde, da es mit deutlichen Worten auf die Brutalität einiger Polizisten eingeht und vor Beschimpfungen dieser Berufsgruppe nur so strotzt. Für den Sänger immer noch ein hochemotionales Thema, denn er ließ zum Abschluss seine Hose runter und zeigte den blanken Allerwertesten.
85 Minuten lang dauerte die musikalische Sause und es hat sich allemal gelohnt, Das Zusammenraufen der Band, die neue Produktion, der Weg in die Garage. Blackeyed Blonde haben zu alter Stärke zurück gefunden und sind in Topform. Es wird weiter gehen, denn ein nächstes Konzert am 13.6. beim Asta-Open-Air an der Uni Saarbrücken ist schon angekündigt. Und ich hab endlich wieder ein BEB-T-Shirt im Schrank. Ein Hoch auf alte Zeiten!
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Setlist — Blackeyed Blonde am 23.5.2014 in der Garage Saarbrücken
Southwest
Slang
Tanz du Sau
In der Stadt
5 Bitches
Schmeiß doch weg
Schreibs auf
Wort ist Brot
Saarstahl
Tief
Boomerang
Du bist
Kämpf
Langsam aber sicher hat es sich herum gesprochen, dass die Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder – ehemals Mitglieder der legendären Band Fury In The Slaughterhouse – inzwischen deutschsprachige Musik machen. Der Weg dahin war nicht einfach: Schon im Jahr 2007 (und damit ein Jahr vor Auflösung der Band) gab es erste Soloalben der beiden. Kai veröffentlichte das Album „Alone“ mit ziemlich typischem Fury-Sound und englischen Texten, Thorsten allerdings wagte sich auf das gefährliche Feld der deutschen Musik und legte mit „360° Heimat“ ein wahres Meisterwerk hin, dessen Titelsong mich auch heute noch bei jedem Hören enorm beeindruckt. Und nach dem Ende der Band machte man zunächst mal was ganz anderes: Thorsten wurde Fotograf, Kai zum Filmemacher.
Das sie jetzt trotzdem im Kleinen Klub der Garage Saarbrücken auf der Bühne standen, ist wohl dem Umstand zu verdanken, dass beide einfach nicht von der Musik lassen können. Es wäre auch ein großer Verlust, denn die bisher erschienenen Alben sind echte Perlen auf dem weiten Feld der deutschsprachigen Musik. Hier haben die Wingenfelders ihre Heimat gefunden. Daran ändert auch die kurzzeitige Jubiläums-Reunion von Fury In The Slaughterhouse nichts
Das 2013er Album „Selbstauslöser“ stand im Mittelpunkt des Konzerts. Fast das komplette aktuelle Werk wurde gespielt. Wingenfelder legten ohne Vorband los, erschienen aber nicht als Duo, sondern brachten eine famose vierköpfige Combo mit. Die Bühne im Kleinen Klub ist nicht riesig, doch es reichte noch für eine LCD-Fläche im Hintergrund, auf der bisweilen Begleitfilme eingespielt wurden.
Die Bandbreite der Songs reichte vom Titelsong „Selbstauslöser“ über den Highspeed-Motivationssong „Petra Pan“ und das erzählerisch starke „Zu wahr um schön zu sein“ bis hin zur nostalgischen Hymne „Klassenfahrt“ und den nachdenklichen Balladen „Du bist die Nacht“ sowie „Oben am Wendehammer“. Ein leichtes Faible zur Sozialkritik ist immer vorhanden – das ging auch aus den Ansagen hervor. Kai und Thorsten erzählten vom Tourleben und besonderen Erlebnisse wie beispielsweise der Nacht mit den Bocholter Dialyse-Schwestern oder von der Tatsache, dass gerade im Osten sehr junge Menschen die Konzerte besuchen und man auf das Problem trifft „Teenies mit Songs für Mittvierziger unterhalten zu wollen“.
Viele Titel stammten auch vom ersten gemeinsamen Album „Besser zu zweit“. Das Repertoire ist inzwischen breit gefächert. „Perfekt“ beispielsweise, die allererste Single-Auskopplung, das melancholische „Dinge, die wir nicht verstehen“ und „Die Unperfekten“ als Stücke, die klangen als seien sie direkt der „Hook A Hey“-Phase von Fury entliehen und pure Gänsehaut verursachten. Wenn dann „Besser zu zweit“ als Mottosong der neuen Ära ertönte, gab es ungewollt Pipi in die Augen.
Kai und Thorsten verzauberten ihre Zuhörer mit einer Mischung aus Melancholie und Rock. Damit bewegten sie sich zielsicher in eine Richtung, wie es Revolverheld vielleicht für die etwas jüngere Generation tun. Als Bonbon an die Fury-Fraktion gab es „When I’m Dead And Gone“, „Won’t Forget These Days“, „Time To Wonder“ und „Trapped Today, Trapped Tomorrow“. Highlights, ganz klar – aber auch jeder andere Song traf den Nerv der Zuschauer.
Ich habe den Weg von Fury lange verfolgt und erinnere mich an ein Konzert in St. Wendel Anfang der 90er, als sie gar nicht mit Spielen aufhören wollten und nach regulärem Konzertende einfach noch eine unendliche Reihe Stones-Titel raus hauten. Dieses Gefühl durfte man auch in Saarbrücken wieder haben: Musik ist ihre Berufung und Livekonzerte sind keine lästige Pflicht. Da gingen Band und Zuschauer nach mehr als zwei Stunden Konzertlänge hochzufrieden nach Hause. Die aktuellen Alben kann ich Freunden handgemachter Musik wärmstens empfehlen.
Da fand sich mal wieder ein harter Doppelpack in der Garage Saarbrücken ein. Amorphis sind auf „Circle World Tour“ und haben sich als Gäste die Newcomer Starkill aus Chicago eingeladen. Die Garage war gut gefüllt, aber bei weitem nicht ausverkauft. Schade, denn beide Bands lieferten eine fulminante Show ab und brachten das Publikum (nach anfänglicher Zurückhaltung) zum Kochen.
Das Quartett Starkill wurde bereits 2008 gegründet und darf seit 2013 einen Plattenvertrag bei Century Media sein eigen nennen, dem kürzlich das Debütalbum „Fires Of Life“ folgte. In der Garage legten sie locker-flockig los und stellten in 45 Minuten Länge ihr Album vor. Was wir zu hören bekamen war melodischer Death Metal mit Growls und starker Gitarrenarbeit. Auch der Schlagzeuger legte einen klasse Job hin. Etwas befremdlich waren allerdings die sphärischen Passagen, die an epische Filmmusik erinnerten. Und versteht mich nicht falsch: Klanglich war das hervorragend, wurde aber als Sample abgespielt. Da fehlt noch der richtige Keyboarder, um die Band zu vervollständigen. Dessen Arbeit übernimmt im Studio der Vokalist. Dass er auf der Bühne anderes zu tun hat (nämlich begeistert ins Mikrofon schreien und die Mähne schwingen) sei ihm gegönnt. Alles in allem ein gelungener Start in den Abend und es war augenscheinlich, dass im Anschluss einige CDs der Band über die Merchandise-Theke gingen.
Nach kurzer Umbaupause starteten Amorphis im Bühnenbild ihres aktuellen Albums „Circle“. Der Selbstfindungsprozess der Metaller aus Finnland hat lange gedauert. Man begann weiland mit reinem Death Metal, dem sich allerdings recht zeitig auch Progressive-Rock-Elemente beimischten. Dies wurde weiter verfeinert und Amorphis verzichteten stellenweise gar auf den aggressiven Growlgesang, was sie sicher einige Fans kostete. Seit dem Einstieg von Tomi Joutsen 2005 hat man aber das Gefühl, als hätten Amorphis endlich ihren ureigenen Weg gefunden.
In den Veröffentlichungen ist eine stetige Steigerung feststellbar und „Circle“ ist eindeutig der vorläufige Höhepunkt. Die melodische Mischung aus Death Metal, Progressive Rock und folkigen Klängen, die mal orientalisch angehaucht, mal nach reinem Mittelalterrock klingen, ist absolut stimmig. Tomi Joutsen ist der perfekte Mann am Mikro. Er schwingt seine Rasta-Mähne und hält drauf, was das Zeug hält. Mit energischen Growls oder klaren Vokalpassagen – wie es gerade passt. So lief das auch in der Garage. Der stetige Wechsel im Gesangsstil machte die Klasse von Amorphis aus und es gab auch die typischen folkloristischen Einlagen im Wechsel mit sanften Pianomelodien und den gewohnt düsteren Passagen.
Die Setlist umfasste viele Phasen der Band, los ging es jedoch vor allem mit einigen „Circle“-Songs, die sich mit „Sampo“, „Against Windows“ und „My Kantele“ die Klinke in die Hand gaben. Im Mittelteil erfolgte eine Verschnaufpause mit dem „Tales“-Intro „Thousend Lakes“. Danach ging es eben so energisch weiter. 90 Minuten dauerte die Sause und fand mit dem Zugabenblock aus „Sky Is Mine“, „Black Winter Day“ und „House Of Sleep“ ihren gebührenden Abschluss. Amorphis gelingt der Spagat, Folk, Death Metal und Progressive Rock zu verbinden. Da wundert sich auch niemand, wenn plötzlich ein Marillion-Shirt inmitten der Metalheads auftaucht.
Shades Of Grey
Narow Path
Sampo
Silver Bride
Against Windows
The Wanderer
My Kantele
Thousand Lakes
Into Hiding
Nightbird’s Song
The Smoke
You I Need
Hopeless Days
Leaves Scar
—
Sky Is Mine
Black Winter Day
House Of Sleep
Lena Meyer-Landrut hat in kürzester Zeit eine Karriere durchlaufen, für die andere Künstler Jahrzehnte opfern müssen. 2009 bewarb sie sich bei Stefan Raab für die Show „Unser Star für Oslo“ und der Rest ist deutsche Musikgeschichte. Damals war sie 18 Jahre alt. Heute ist sie mit 22 immer noch ein junger Hüpfer, hat aber schon drei Alben auf den Markt gebracht, die sich allesamt an der Spitze der deutschen Charts verorten konnten. Nun kann man über die Langlebigkeit eines Titels wie „Satellite“ streiten. Heute können noch Generationen von Deutschen das Siegerlied „Ein bißchen Frieden“ von Nicole mitsummen. Ob das in dreißig Jahren auch mit „Satellite“ funktioniert wage ich zu bezweifeln.
Egal. Lena vereint die Generationen. Das war in der Saarbrücker Garage deutlich zu spüren, denn es fanden sich Zuschauer vieler Altersklassen ein. Recht viele Kinder (vor allem Mädchen) mit ihren Eltern, eine respektable Menge Jugendlicher, aber auch Vertreter der älteren Generation, die ohne Alibi-Kind erschienen waren. Alles war kinderfreundlich organisiert. Verzicht auf unnötige Vorbands, ein pünktlicher Konzertbeginn kurz nach 20 Uhr und damit ein Ende schon gut vor 22 Uhr. Die von weiter angereisten Eltern werden es dem Veranstalter danken.
Lena hüpfte putzmunter auf die Bühne, warf ein fröhliches „Hallo ihr Süßen“ in die Menge und es konnte losgehen. Den Anfang machte der Titel „To The Moon“. Lena kann inzwischen auf ein großes Repertoire eigener Songs zurück greifen. Das erlaubt ihr eine facettenreiche Zusammenstellung der Setlist. Vom modernen Pop über Funk und Retro-Sound bis zu akustischen Balladen ist alles dabei. So kann Lena ihre Vielseitigkeit zeigen und bleibt dabei trotzdem ihrem persönlichen Stil treu. Besondere Freude hat sie an den Uptempo-Nummern, die zum Tanzen anregen. Dabei bewegte sie sich in typischer Lena-Manier mit ausgebreiteten Armen auf der Bühne und ließ sich von der Musik treiben.
Die Setlist zog sich durch alle drei Alben und Kenner wissen, dass ungewöhnlich viele Songwriter an den Produktionen (vor allem beim zweiten Album) beteiligt waren. Die grandiose Band mit Keyboards, Gitarren und Kontrabass trug ihr übriges dazu bei, die Songs zum Leben zu erwecken. Zunächst bekamen die Zuschauer viele Albumtitel zu hören, die man nicht aus dem Radio kennt. Erst zur Hälfte des Sets gab es das düster-elektronische „Taken By A Stranger“ von Lenas zweitem Eurovisions-Auftritt, gekonnt durchmischt mit dem Coversong „Tainted Love“ (Soft Cell). Überhaupt präsentierte Lena einige spannende Coverversionen wie „Je Veux“ von ZAZ, „Rich Girl“ von Hall & Oates und „Life-ning“ von Snow Patrol. Damit wurde auch klar, wo ihre eigenen musikalischen Prioritäten liegen, was sie bei den Ansagen immer wieder betonte.
Natürlich warteten die Zuschauer vor allem auf „Satellite“. Als ersten Song im Zugabenblock musste man aber noch „Hit Me Baby One More Time“ (Britney Spears) über sich ergehen lassen, bevor endlich der erlösende Nummer-1-Hit erklang. Insgesamt war das Konzert sehr ausgewogen. Lenas Stimme wurde stark gefordert, das merkte man zeitweise auch. „Satellite“ beispielsweise klang bei weitem nicht so stark, wie man es aus der Fernsehpräsenz gewohnt ist. Allein Lenas sympathisches Auftreten reichte aber schon aus, um über einige stimmliche Probleme hinweg zu sehen. Sie ist ein Energiebündel, eine gute Entertainerin, hat ihr Publikum im Griff, bittet ein Mädchen zum Duett auf die Bühne, erzählt, was ihr gerade in den Sinn kommt.
Lena ist ein bezauberndes junges Talent geblieben. Wenn man sie dieser Tage in der Show „Voice Kids“ sieht, merkt man, dass sie nichts von ihrer Verrücktheit und Spontanität verloren hat. Das war in Saarbrücken ebenso spürbar. Gebt mir ein Mikro und lasst uns alle zusammen Spaß haben – diese Freude vermittelt die junge Künstlerin bei jedem Konzert.