Die Rückkehr von Heisskalt wurde 2024 von Fans ordentlich gefeiert. Jetzt ist die Band wieder da und liefert ein strammes Programm ab: zwei Festivalsommer sind inzwischen absolviert, mit „Vom Tun und Lassen“ ist ein neues Album veröffentlicht, inklusive Release-Shows und kleiner Clubtour. Für Heisskalt sicherlich eine aufregende Zeit – und man merkt durchaus, dass es noch nicht so ganz greifbar ist, was da alles passiert ist. „Es war schon ziemlich spannend, nach unserer Pause wieder da rauszugehen. Hören die Leute überhaupt noch Rockmusik?“, überlegt Sänger Mathias Bloech während einer Ansage laut.
Und ganz offensichtlich gibt es noch genug Menschen, die auf Post-Hardcore, Alternative Rock stehen: Das Konzert im Kölner E-Werk ist nicht ganz ausverkauft, aber sehr gut besucht. Mit Nikra als Vorband hat Heisskalt eine gute Wahl getroffen – und kleiner Spoiler: Die neue Version von „Nicht anders gewollt“ ist ein Feature mit Nikra und wird an dem Abend natürlich auch live performt.
Heisskalt fahren einiges auf, an Licht, am Sound, an der Performance. Die Energie kann man mit Händen greifen, die atmosphärischen Songs werden mit der passenden Lichtshow untermauert, die Kenner auch schon von den Shows im November 2024 her kennen. Eine Mischung aus allen vier Alben und von der ersten Heisskalt-EP lassen kaum Wünsche übrig. Es wird geschunkelt mit mehr oder weniger feuchten Augen, Circle Pits werden mit späterem Abend immer größer, Moshpits dürfen nicht fehlen.
Wurde das Konzert in der Kölner Kantine vergangenes Jahr noch aufgezeichnet, ist das bei dieser Tour nicht möglich. „Da gilt es, die Sachen abzuspeichern“, so Bloech, während er auf Herz und Hirn deutet. Immerhin in Fotos wird auch dieses Konzert, diese Tour festgehalten.
Man merkt, dass die Band mit Spaß dabei ist. Mathias Bloech lässt es sich nicht nehmen, sich von der Menge tragen zu lassen. „Hast du auch zu viel Glas und zu wenig darin“, das passe ja ganz gut zu Köln, scherzt er später. Doch es wird natürlich auch Ernst: Der Rechtsruck bewegt, mache wütend, traurig und ärgere auch: „Offene Arme der gewaltigste Protest den wir haben – Will sagen bevor noch jemand hinfällt – Passt bitte aufeinander auf in dieser Scheißwelt“ heißt es in „Gipfelkreuz“ und an solchen Abenden bleibt das Gefühl, dass man in dieser Ansicht vereint ist.
Der Abend bleibt im Gedächtnis, mehr oder minder ausgepowert, mit kratziger Kehle. „Wir haben uns fürs Tun entschieden – aber all das macht nur Sinn, wenn es Leute gibt, die zuhören und zuschauen“, brechen Heisskalt zum Abschluss nicht nur eine Lanze für die eigene Musik, sondern auch für die Branche allgemein.
Das E-Werk in Saarbrücken-Burbach, die ehemalige Industriehalle auf den Saarterrassen, hatte schon viele großartige Konzerte gesehen. Von Punk bis Metal, von Capital Bra bis The BossHoss war da inzwischen einiges am Start. Und seit vielen Jahren hat sich auch das Gelände hinterm E-Werk für Open Airs etabliert. Absolut sinnvoll, findet man doch hier im Gewerbegebiet Parkplätze en masse und hat die perfekte Logistik für Veranstaltungen vor Ort. Okay – es ist jetzt nicht gerade idyllisch zwischen den Industriedenkmälern, aber Saltation Mortis hat es auch nicht wirklich was ausgemacht, hier auf ihrer „Burgentour“ Station zu machen. Es kommt auf die Konzertstimmung an. Und die war in Saarbrücken mal wieder über Wochen sehr gut.
Credit: Universal Music
Saltatio Mortis am 13.7.2025
Mein Konzertreigen bei den „SB Open Airs“ startete also mit den Mittelalterrockern aus der Pfalz, die vor zwei Jahren noch als Support von Powerwolf ran mussten, jetzt aber endlich mit einer respektablen Headlinershow aufwarten konnten. Der Set startete mit „Finsterwacht“ und eine Tänzerin im weißen Gewand bewegte sich zu den Klängen der Band. Mit solchen Schauspielereien sorgt man immer für eine besondere Festivalstimmung.
„Brunhild“ und „Odins Raben“ mussten für martialische Erzählungen herhalten, begleitet von einer großen Flammenshow. An Pyrotechnik wurde wahrlich nicht gespart. Doch es war nicht alles bombastisch. Für die Verschnaufpause zwischendurch hatte man eine zweite Bühne aufgebaut, wo es ein akustisches Zwischenspiel mit dem lateinischen „Totus Floreo“ und dem Mitsing-Klassiker „Was wollen wir trinken“ gab.
Saltatio Mortis sind schon immer mehrsprachig unterwegs und ließen mit „Pray to the Hunter“, „Valhalla Calling“ und „We Might Be Giants“ auch den englischen Vocals Raum. Zwischen Folk und Mittelaltersound wurde vor allem ordentlich gefeiert. Zu „Heimdall“ wirkte eine Feuertänzerin mit, der Spaßsong „Mittelalter“ brachte das Publikum springend in Bewegung und zu „Vogelfrei“ gab es einen großen, soliden Circle Pit, wie man ihn sonst nur von Metalbands kennt.
Nach dem Finch-Cover „Keine Regeln“ gab es ein vorläufiges Finale mit „Rattenfänger“, „Prometheus“ und „Feuer & Erz“. Nach den ersten 100 Konzertminuten musste das Publikum aber nicht lange darum bitten, die Band wieder auf die Bühne zu holen. Der Publikumsliebling „Wo sind die Clowns“ wurde ebenso abgefeiert wie „Für immer jung“. Und beim abschließenden „Spielmannsschwur“ ließen sich die Fans auch nach zwei Stunden Livepower nicht lumpen und feierten die Band ausgiebig mit einem endlos langen Zuschauerchor.
Saltatio Mortis zeigten sich in bester Verfassung und waren ein würdiger Headliner. Das 25jährige Bandjubiläum feiert man in Kürze mit der Compilation „Weltenwanderer“. Die Tracklist besteht aus 51 Stücken, die von den Fans per Online-Voting ausgewählt wurden. Lohnt sich!
LEA am 18.7.2025
Weiter ging es am darauffolgenden Freitag mit melancholischen Deutschpop von LEA. Spätestens seit ihrem zweiten Album ist LEA als Sängerin der leisen Töne bekannt. Sie legt eine unglaubliche Fülle an Emotionen in ihre Lyrics und ihre Stimme. Manchen mag das gar zu viel werden, doch ich persönlich kann mich an ihren authentischen Songs einfach nicht satt hören.
Das Bühnenbild war voller Blumen. Man konnte sich also auf viel Romantik und lyrische Dichte gefasst machen. Zudem waren unheimlich viele Kinder mit ihren Eltern vor Ort, was die sympathische Sängerin sichtlich freute. Der Set startete mit „Tausendmal“ und dann folgte direkt der Kracher „Drei Uhr nachts“, den LEA ursprünglich mit Mark Forster aufgenommen hat. Hier zeigte sich die Textsicherheit des Publikums.
„7 Stunden“ ist ebenfalls ein typischer LEA-Song, der eine berührende Geschichte erzählt. Zu „Welt“ hielt sie eine flammende Rede gegen Hass und Intoleranz, mit der Bitte, für eine bunte Welt zu kämpfen. Es folgten „Ich mag dich“ und der Partysong „Aperol im Glas“, den sie mit ihrem Support Dani Lia im Duett zu Gehör brachte.
LEA erzählt in Saarbrücken gern von ihrem ersten Auftritt 2016 im Kleinen Klub der Garage, der vor gerade mal vier Zuschauer*innen stattfand. Schon ein Jahr später war die Garage brechend voll. Beides hatte seinen Reiz für die Band und man denkt nach eigenen Worten immer gern an Saarbrücken zurück.
Auch jetzt gab es ein Konzert im Kleinen, denn es war eine B-Stage aufgebaut, die ausgiebig für ein akustisches Set genutzt wurde. Mit „Wenn du mich lässt“, dem Max Raabe-Cover „Guten Tag, liebes Glück“, ihrem größten Hit „Leiser“, dem romantischen „Treppenhaus“ und der Melancholie von „Kennst du das“ bewies LEA viel Fannähe und war auf Augenhöhe mit dem in Teilen sehr jungen Publikum, das mit selbst gemalten Schildern um ihre Aufmerksamkeit buhlte. Einige wollten mit LEA singen und sie wählte ein junges Mädchen aus, das auf eigenen Wunsch den Refrain von „Okay“ zum besten gab. Zum Abschluss des langen Acoustic Sets, bei dem LEA zeitweise am Piano saß, gab es den Paddington-Song „Das Leben ist schön“.
Zurück auf der Hauptbühne erklangen die Mitsing-Hymnen „Immer wenn wir uns sehen“ und „Heimaptplanet“ ausgeleuchtet mit einem Sternenhimmel aus Handylichter. Zum Finale hin wurde es dann durchaus rockig (zumindest für die Verhältnisse einer Deutschpoetin) und es gab den Rapsong „110“, das von einer Pyroshow begleitete „In Flammen“ und die grandiosen Titel „Schwarz“ sowie „Chaos“.
Im Zugabenblock wurde „Okay“ zum Thema Social Media und Body Awareness endlich komplett performt. Allein am Klavier spielte LEA den berührenden Track „Elefant“ für ihre Eltern und beendete das Konzert schließlich mit „Ein Liebeslied“, dem recht naiven Stück über die Liebe zwischen Igel und Stachelschwein, den es auf keinem Album von ihr gibt und den vor allem die Kinder ganz besonders lieben.
LEA hat mal wieder bewiesen, warum sie an der Spitze deutschsprachiger Songwriterinnen steht. Ihre Texte strotzen vor Melancholie und Poesie und für ihre Fans ist das genau richtig. Die Kids bewundern Lea wie eine große Schwester – und auch das erwachsene Publikum nimmt sie an einem solchen Abend mit auf die emotionale Reise.
Revolverheld am 19.7.2025
Die Gerüchte, dass Revolverheld zum 20jährigen Jubiläum ihre Instrumente an den Nagel hängen wollen, halten sich hartnäckig. Zumindest scheint sowas wie ein Sabbatjahr geplant zu sein, wenn die Tour nach dem „Best of“ Album gelaufen ist. Das soll nämlich unter dem Titel „20“ im August erscheinen. Diese Zahl prangte auch groß im Bühnenbild. Kaum zu glauben, dass der ewig junge Johannes Strate und seine Mitstreiter schon so lange Musik zusammen machen.
Ganz ohne Starallüren kam der Sänger schon zum Support EMY auf die Bühne und performte mit ihr zusammen das Duett „Leerer Stuhl“. Das brachte den beiden großen Jubel ein. Überhaupt lieferte EMY ein schönes Deutschpop-Set, ganz allein auf der Bühne mit Musik vom Band. Teile des Publikums wussten von ihrem Geburtstag und stimmten ein „Happy Birthday“ zum 23. an.
Johannes konnte dann gleich darauf in Erinnerungen schwelgen, die zwei Jahrzehnte umfassten. Er erzählte von Auftritten in Garage und E-Werk. Dazu gab es viele bekannte Songs aus der Karriere. Mit Lückenfüllern wollte man sich gar nicht erst aufhalten. Schon als erstes Stück erklang „Spinner“, gefolgt von „Keine Liebeslieder“ und „Ich werd die Welt verändern“. Jeder kennt die Texte und – zack – sind alle wieder jung.
„Immer in Bewegung“ brachte einen sehr rockigen Sound, der dann für „Halt dich an mir fest“ direkt wieder runtergefahren wurde. Die Ballade wurde wieder im Duett mit EMY interpretiert.
Nostalgische Lyrics gibt es in vielen Revolverheld-Stücken. Hier waren es „Bands deiner Jugend“, „Das kann uns keiner nehmen“ und „Sommer in Schweden“ mit ihrem schwelgenden Charakter. Zum Finale des Hauptsets erklang „Lass uns gehen“ und große bunte Bälle sorgten für ein Happening im Publikum. Der Zugabenblock bot dann pure Publikumsnähe: Johannes sang aus der Menge „Deine Nähe tut mir weh“ und ließ die Fans „Ich lass für dich das Licht an“ anstimmen. Zurück auf der Bühne gab es den Hit dann nochmal und der Kracher „Darf ich bitten“ beendete die zweistündige Show.
Zum alten Eisen gehören Revolverheld sicher nicht und live waren sie wie immer eine Bank. Bleibt zu hoffen, dass die musikalische Auszeit nicht allzu lange dauert.
Frida Gold und Samu Haber am 20.7.2025
Frida Gold, das kongeniale Duo Alina Süggeler und Andi Weizel, hatte nur 35 Minuten Zeit für seinen Set, aber ich bringe es einfach nicht übers Herz, die beiden als „Support“ zu bezeichnen. Es war lange ruhig um Frida Gold, doch bald schon soll es ein neues Album geben und die alten Hits funktionieren wie eh und je.
Es gab einen Elektrosound vom Band, aber auch handgemachte Musik mit Piano, Gitarre und Querflöte. Dazu die gewohnte Mischung aus Poesie und Pop mit einigen neuen Songs sowie Klassikern wie „Liebe ist meine Rebellion“ und „Leuchten“. Da die Zeit knapp war, wurde Letzteres vorzeitig abgebrochen, um „Wovon sollen wir träumen“ in voller Länge feiern zu können. Insgesamt ein grandioses Set voller Energie mit einer tanzfreudigen Alina.
Samu Haber startete seine Show mit einem französischen Discohit vom Band. Die vier Musiker kamen wie Gladiatoren auf die Bühne und stellten sich zu viert in einer Reihe auf, um sich als Band zu präsentieren. Vielleicht will man sich so in der Nachfolge von Sunrise Avenue positionieren. Das Publikum nahm es jedenfalls positiv auf und feierte schon den ersten Song „Me Free My Way“, der ja auch sowas wie ein Mottosong für Samus Solokarriere ist.
Stilistisch gab es ein wenig Folk, etwas Rock und viel Pop. Samu war glänzend gelaunt, tanzte mit der ersten Zuschauerreihe und machte sympathische Ansagen auf Deutsch mit seinem typischen Akzent, den man bei „Voice of Germany“ lieben gelernt hat. Es gab viel Aktuelles wie „Big Guitars“ und „Hometown Gang“. Wenn Samu seine tiefen Vocals auspackte, war er in seinem Element. Doch auch die hohen Tenortöne gelangen ihm aus dem Effeff.
Es waren auch einige Bandsongs von Sunrise Avenue zu hören. „Lifesaver“war der Erste und man spürte förmlich die Erleichterung und Begeisterung bei den Fans, die jubelten und lauthals mitsangen. Auch „Heartbreak Century“ brachte einen solchen Moment.
Samu war – wieso oft – in Erzähllaune und rekapitulierte den Nachmittag, der einige Unsicherheiten gebracht hatte. Gewitter, Sturm und Platzregen hatten für Ungemach gesorgt und auch die Technik lahm gelegt. Die Band brauchte Ersatz für ein Gitarrenelement und ein Aufruf in den sozialen Medien führte tatsächlich einen Menschen zum E-Werk, der mit dem entsprechenden Teil aushelfen konnte. Er wurde von Samu als auch vom Publikum ausgiebig gefeiert.
Traditionell gab es auch einen finnischen Song von Samu. Danach „You Destroyed My Life“ als Pianoballade. Zu „Hollywood Heels“ meldeten sich drei junge Frauen aus dem Publikum, die eine Choreografie erarbeitet hatten und mit Samu eine heiße Sohle aufs Parkett legten. Das anschließende „Hideaway“ beendete den Hauptset.
Im Zugabenteil stimmte Samu den Hit „Fairytale Gone Bad“ zunächst ganz allein mit einem Playback-Beat an. Die Fans feierten den Song mit ihm zusammen in ausgiebiger Länge. Die Ballade „Seasons“ diente zum Abkühlen bevor mit „Hollywood Hills“ der Party-Höhepunkt erreicht war. Nach zwei Stunden endete die furiose Show, die zeigte, dass Samu Haber locker solo bestehen kann – vor allem wenn er zur Freude der Fans einige Klassiker mit einstreut.
So gingen die diesjährigen SB Open Airs grandios zu Ende und wir dürfen gespannt sein, was man 2026 zu bieten hat. Infos dazu folgen in Kürze auf https://garage-sb.de/ Wir halten euch auf dem Laufenden!
Auch das Gelände am E-Werk Saarbrücken wurde am vergangenen Wochenende wieder zur Open-Air-Location. Die ersten drei Konzerte brachten Rap und HipHop für unterschiedliche Generationen nach „Saarbrooklyn“. Am 12.7. gab es die ausverkaufte Show des Berliners SIDO, am 13.7. lieferte FINCH (früher: Finch Asozial) seinen derben Deutschrap – und für den Sonntag, 14.7. waren gar die Altmeister aus Los Angeles am Start: CYPRESS HILL gaben sich die Ehre.
Bereits seit 1988 liefern die Rapper mit lateinamerikanischen Wurzeln ihre bunte Crossover-Mischung voller HipHop und Reggae. Zu Ehren der altgedienten Helden war eine illustre Schar an Fans aller Generationen angereist. Da feierten Endfünfziger gemeinsam mit Mittzwanzigern und es wurde eine große Sause.
Den Anfang machte um 20.25 Uhr der DJ mit einem kurzen Set, das in das „Star Wars Theme“ und schließlich in Metallicas „Enter Sandman“ überging. Zur Freude aller Fans wurde „Dr. Greenthumb“ als Gummifigur aufgepumpt und nahm fortan die Bühnenmitte ein. Der Totenkopf mit Cannabis-Frisur passte perfekt zur Musik und den Texten. Zudem konnte man auf dem Gelände durchaus einen süßlichen Rauch wahrnehmen. Kein Problem, wo der Konsum solcher Rauschmittel jetzt legal ist.
Muskalisch gab es die gewohnte Mischung aus elektronischen Samples mit gekonnten Oldschool-Rap-Passagen. Die hohe Stimme von B-Real und der aggressive Part von Sen Dog ergänzten sich perfekt. Das Publikum feierte den psychedelischen Sound und die funky Parts, die zum Tanzen animierten. Es gab gekonnten Reggae bei „Tequila Sunrise“ aber auch Kracher wie „Hits From The Bong“.
Die Stimmung wurde im Lauf des 90minütigen Sets immer ausgelassener und man ließ sich vermehrt zu „Cypress Hill“-Sprechchören und Jubelstürmen hinreißen. Das Quartett hat es auch in seinen Fünzigern immer noch drauf, die Massen zu begeistern und lieferte eine gnadenlose HipHop-Show alter Schule. Es war ein energetischer und sehr intensiver Gig.
Auch nächste Woche wird das E-Werk nochmal zur Kulisse einer Open-Air-Show. Das Konzert von Jason Derulo musste leider auf 2025 verschoben werden, aber am 20.7. ist Mark Forster am Start. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Konzerte dort zu besuchen. Ein cooles Gelände außerhalb der Stadt mit reichlich Parkmöglichkeiten. Ein guter Sound, der durch die umliegenden Gebäude begünstigt wird. Was will man mehr für einen gelungenen Konzertabend?
Eine Reihe von fünf Open-Air-Veranstaltungen belebte im Juli das Gelände hinter dem E-Werk Saarbrücken. Im Prinzip ein idealer Veranstaltungsort, geschützt zwischen diversen Hallen und einer höher gelegenen Straße sowie umgeben von allerlei Parkmöglichkeiten. Dass der Schotterplatz sich am Samstagabend in ein Pfützenparadies verwandelte, ist dem gewittrigen Dauerregen des Abends geschuldet. Schade, aber wenn dieses Wacken-Wetter nicht zum Metalabend passte, zu wem dann sonst?
In der Vorwoche gaben sich Johannes Oerding und die Fanta 4 ein Stelldichein, am Freitag waren Scooter zu Gast. Über eine mangelnde Bandbreite an beteiligten Künstlern braucht man sich nicht zu beklagen. Höchstens über die bis dahin vorherrschende Männerdominanz. Aber dem konnte man am Wochenende Abhilfe schaffen, beginnend mit der Hardrock- und Metalbraut DORO, die am Samstag das Publikum begeisterte.
Zwar setzte pünktlich zu Doros Erscheinen auf der Bühne der erste Platzregen ein, ansonsten aber war ihr Auftritt perfekt. Und das nicht nur für Nostalgiker. Visuell prangte sie als leichtbekleidete Schönheit im Bühnenhintergrund. Das ist vielleicht aufgrund ihres nahenden Rentenalters etwas übertrieben, aber auch im gesetzteren Alter ist Doro sowohl optisch als auch stimmlich immer noch das Sinnbild der deutschen Metalqueen. Diesen Titel hat sie sich über Jahrzehnte hart erarbeitet und kann ihn bis heute erfolgreich verteidigen.
Es gab viele Stücke aus der Warlock-Ära, beispielsweise „I Rule The Ruins“, „Earthshaker Rock“ und „Burning The Witches“. Aufgrund dieser Songauswahl und der Power in der Performance wurde Doro von Beginn an abgefeiert. „Blood, Sweat and Rock ’n’ Roll“ hieß die Devise. Besondere Stimmung kam auf, als die deutschsprachigen Klassiker „Für immer“ und „All We Are“ erklangen. Da kam auch endlich die Sonne wieder raus und mit Regenbogen über der Bühne wurde der Mitsingpart zum generationenübergreifenden Gemeinschaftserlebnis. Kein Wunder, dass nach dem Priest-Cover „Breaking The Law“ auch noch die zusammenschweißende Hymne „All For Metal“ geschmettert wurde. Alles in allem ein Metalkonzert alten Kalibers. Hymnisch und durchdringend bis zum Schluss.
Man hätte meinen können, dass Saltatio Mortis es danach schwer haben würde, fiel ihr Mittelalter-Rock doch etwas aus der Reihe, was diesen Metalabend anging. Doch die Band um Jörg Roth (Alea der Bescheidene) stammt aus Karlsruhe und hatte somit in Saarbrücken fast schon ein Heimspiel. Gute Idee, sie direkt vor die Lokalmatadoren von Powerwolf zu platzieren. Es gab ein martialisches Intro im Scooter-Style und mit „Alive Now“ startete die Show im Metalsound, ergänzt um Leier und Dudelsack. Mit dieser Kombi konnten Saltatio Mortis perfekt glänzen.
Musikalisch gab es immer auch akustische Elemente, so dass der Folk nicht zu kurz kam. Die Balance zwischen Rock und Metal war stets gegeben. Man sang über „Loki“ und fragte „Wo sind die Clowns?“. Dazu durfte das Publikum mit den Protagonisten „Ich schwöre, ich bin ein Taugenichts“ skandieren. Die Setlist war mehr als grandios und ein Traditional wie „Drunken Sailer“ setzte das i-Tüpfelchen drauf. So bringt man eine Arena zum Mitgrölen.
Der Frontmann sprang zum Stagediving ins Publikum und ganz metalcore-like erzeugte man zum Electric Callboy-Cover „Hypa Hypa“ einen respektablen Circle Pit. Bei „Für immer jung“ ließ man einen Großteil der Zuschauer ihre Liebsten auf den Schultern tragen und zum Abschluss gab’s den „Spielmannsschwur“. Am Ende wurde die Band von einem lautstarken Chor standesgemäß abgefeiert. Fazit: alles richtig gemacht!
Aber natürlich sollte Powerwolf den Höhepunkt des Abends bilden. Nicht nur was den Härtegrad angeht – als Lokalmatadoren mussten sie auch zeigen, wer hier das Heimrecht hat. Gekonnt zelebrierte das Quintett seine Messe des Metal. Vor kurzem habe ich Ghost in der Rockhal gesehen und Parallelen sind hier nicht von der Hand zu weisen. Ist ja auch kein Problem, wenn die Qualität stimmt.
Ein gregorianisches Intro und Mönche mit Fackeln eröffneten das Szenario. Von „Faster Than The Flame“ bis „Werewolves Of Armenia“ ging es dann durch die Bandgeschichte. Lateinische Textzeilen durchmischten die Songs, es gab eine gewaltige Pyroshow und die Maskierung der Mitstreiter um Attila Dorn tat ihr Übriges dazu. Den Segen gab es aber nicht nur von der Bühne, sondern leider auch in Form nicht enden wollender Regengüsse vom Himmel. Die Zuschauer*innen ließen sich aber davon nicht entmutigen, sondern feierten um so ausgelassener mit. Die „Army Of The Night“ und die wilden Wölfe ließen in ihrer Performance nicht nach, schließlich war man – wie passend – „Sainted By The Storm“. Ein grandioser Abschluss für den Samstag.
Sonntags sollte es dann um Klassen ruhiger zugehen. Zum weiblich getragenen Line-Up hatten sich vor allem Frauen mit ihren mitgeschleppten Männern und massenweise Kinder eingefunden. Im Lauf des Abends wurden Hunderte Kids auf den Schulter getragen, um vielleicht das erste Konzert ihres Lebens zu erleben. Der Glanz in den Augen berührte auch die anderen Anwesenden.
Bevor aber Lea ihren Part ablieferte, war als Support Lina Maly am Zug. Mit ihren gerade mal 26 Jahren ist die Liedermacherin aus Elmshorn schon eine feste Größe in der Szene intelligenter deutschsprachiger Popmusik. Ihren halbstündigen Set spielte sie mit reduzierter Band, vergaß aber nicht, Werbung für den 28.10.2023 zu machen, wo sie dann in einem Headliner-Konzert mit kompletter Band im nahen Saarburg zu Gast sein wird. Linas melancholische Songs passten stilistisch perfekt zur Musik von Lea und waren somit die perfekte Einstimmung.
Dann aber – um 20.30 Uhr – kam der große Moment. Die Bühne war zunächst noch hinter einem Vorhang versteckt und LEA startete allein im Vordergrund mit dem passenden „Sommer“. Schon der zweite Song war „Treppenhaus“ und zum fallenden Vorhang sangen Kinderstimmen tausendfach begeistert den Refrain mit. So läuft ein grandioser Auftakt zu einer fantastischen Show.
Ich will nicht verhehlen, dass Lea in meinen Augen die perfekte Singer/Songwriterin aus deutschen Landen ist und meiner Meinung nach mit „Bülowstrasse“ ganz aktuell das beste und gefühlvollste Deutschpop-Album seit Andreas Bourani („Hey“) abgeliefert hat. Sie legt eine unglaubliche Fülle an Emotionen in ihre Lyrics und ihre Stimme. Manchen mag das gar zu viel werden, doch ich persönlich – und damit bin ich nicht allein – kann mich an ihren authentischen Songs einfach nicht satt hören. Zudem hat sie es gewagt, in einer Zeit, da Musik meist nur noch in Einzelsongs per Stream gehört wird, ein Konzeptalbum über Jugendliche in Berlin abzuliefern. Es macht immer wieder Spaß, dieses Album am Stück zu hören, doch Songs wie „Pass auf mich auf“ funktionieren auch als für sich stehende Songs.
Gemeinsam mit Lina Maly hat Lea für dieses Album auch den Song „Nieselregen“ geschrieben, den beide nun zusammen performten. „Drei Uhr Nachts“ brachte auch ohne Mark Forster die Zuschauer*innen komplett zum Ausrasten. Ein Stück mit enorm viel Groove. Nach „Küsse wie Gift“ gab es ein Drum-Duell auf der Bühne, das Lea nutzt, um durch die Zuschauer einen Platz neben dem FOH zu erreichen, wo sie ganz auf Tuchfühlung gehen konnte. Hier erzählte sie vom ersten Gig in Saarbrücken, wo 2016 ganze vier Menschen erschienen sind.
Nach dem großen Bandsound von der Bühne, zelebrierte Lea nun viele melancholische Stücke zu sanften Pianoklängen oder akustischer Gitarre. Mit viel Emotion gab es „Sommersprossen“ vom aktuellen Album. „Mutprobe“ wurde gleich zweimal geboten, zunächst im Duett mit Zuschauerin Lena, die sich diesen Song aus dem Publikum gewünscht hatte, und dann nochmal komplett mit Band. Als weitere neue Songs gab es „Fuchs“ in einer wunderschönen Pianoversion und auch „Aperol im Glas“ funktionierte zunächst als Ballade, bevor es mit rockigem Beat auf der Bühne in die zweite Hälfte ging.
„In Flammen“ wurde zur elektronischen und fast schon psychedelischen Performance. So zeigte Lea, dass es nicht immer melancholische Balladen sein müssen. „Beifahrersitz“ wurde ganz akustisch zur Gitarre vorgetragen, es gab ein Medley aus Hits wie“Leiser“ und „Zu dir“. „Schwarz“ nahm das Publikum mit eindringlichen Worten mit, dann erklang „110“ und zum Abschluss des regulären Sets die Hymne „Okay“ mit der wichtigen Botschaft an die junge Generation, dass jeder so okay ist, wie er ist. In einer Influencer-Glitzerwelt besonders wichtig.
Die Gitarrenballade „Wenn du mich lässt“ und das kuriose „Liebeslied“, das es bisher noch auf kein Lea-Album geschafft hat aber live immer gern gespielt wird, beendeten nach 110 Minuten ein wundervolles Konzert. Lea hat mal wieder bewiesen, warum sie an der Spitze deutschsprachiger Songwriterinnen steht. Ihre Texte strotzen vor Melancholie und Poesie und für ihre Fans ist das genau richtig. Die Kids bewundern Lea wie eine große Schwester – und auch das erwachsene Publikum nimmt sie an einem solchen Abend mit auf die emotionale Reise. Der Abschluss der „Open Airs am E-Werk“ an diesem lauen Sommerabend war einfach perfekt. Bleibt zu hoffen, dass es 2024 ebenso genial weitergeht.
Setlist – LEA, 16.7.2023, Open Air am E-Werk Saarbrücken
Sommer
Treppenhaus
Pass auf mich auf
Pessimist
Drei Uhr Nachts
Eigentlich
Küsse wie Gift
Elefant
Mutprobe (Refrain)
Sommersprossen
Mutprobe
Fuchs
Aperol im Glas
7 Stunden
In Flammen
Beifahrersitz
Immer wenn wir uns sehn
Leiser / Zu dir / Wohin willst du (Medley)
Schwarz
110
Okay
Bereits vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums „How To Save A Life“ vor neun Jahren galten The Fray als MySpace-Phänomen und lebender Beweis dafür, wie man sich alleine durch eine fleißige Internet-Präsenz bekannt machen kann. Inzwischen nennt das Quartett aus Denver vier Grammy-Nominierungen und drei Billboard-Awards in der Kategorie „Online“ sein Eigen. Am 21. Februar erschien ihr viertes Album „Helios“, das in den USA immerhin Platz acht der Charts erreichte. Der Titel war wohl mit Bedacht gewählt, schließlich war Helios in der griechischen Mythologie kein geringerer als der Sonnengott persönlich. Im März waren The Fray zuletzt in Köln zu Gast, nun kehren sie für fünf Konzerte nach Deutschland zurück. Die Domstadt ist dabei die erste Station, der bis zum 12. Oktober noch weitere Konzerte in Hamburg, Berlin, Frankfurt und München folgen.
Das E-Werk ist an diesem vermutlich letzten schönen Spätsommertag des Jahres restlos ausverkauft. Als Support heizen die Raglans aus Dublin den Kölnern mit ihrem rotzigen Rock/Pop-Gemisch eine halbe Stunde lang ordentlich ein. Die vier Iren haben in ihrer Heimat gerade ihr selbstbetiteltes Debütalbum veröffentlicht und ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft noch eine Menge Gutes von den Jungs hören werden. Jedenfalls zählen sie eindeutig zu den besseren Vorgruppen. Die Umbaupause nutzen wir, um uns mit einem neuen Kaltgetränk zu versorgen und im gemütlichen Raucherbereich des E-Werks frische Nikotinluft zu schnuppern.
Um kurz nach 21 Uhr ist es dann Zeit für The Fray. Was folgt sind anderthalb Stunden grosse Gefühle. Das fängt schon beim Opener „Closer To Me“ an und erreicht seinen ersten Höhepunkt, als Frontmann und Sänger Isaac Slade während „Heartbeat“ auf Tuchfühlung zu den Fans in der ersten Reihe geht. Das verschlissene Neil Young T-Shirt, das er dabei trägt, macht ihn doppelt sympathisch. Sein eigentlicher Platz ist jedoch der am Piano. So zum Beispiel bei „Rainy Zurich“, das von Gitarrist Joe King nicht minder eindrucksvoll gesungen wird. Den schwarzen Flügel zweckentfremdet Slade zwischendurch allerdings auch mal als Podest und hüpft darauf herum – wenn auch vorsichtig. Mit Kommentaren zwischen den Songs spart er ebenso und lässt lieber die Musik für sich sprechen. Und die bietet Schlagzeuger Ben Wysocki sogar Platz für eine ausgiebige Samba-Einlage. Der einzige längere Dialog geht dem wunderbaren „How To Save A Life“ zum Abschluss des Mainsets voraus, als Slade vom Babyboom in der Band erzählt und den Song seiner Frau und seinem Sohn widmet. Das ganze E-Werk singt ergriffen mit.
Zur ersten Zugabe „Break Your Plans“ zeigt Isaac Slade sein phosphorizierendes Armband und fordert die Fans auf es ihm gleich zu tun und die Feuerzeuge zu schwenken. Er erntet natürlich ein Meer aus beleuchteten Handydisplays. Was waren das noch für herrliche Zeiten, als die Konzerthallen nicht wie eine überdimensionale Smartphonewerbung aussahen, sondern noch nach verbrannten Fingerkuppen und Wunderkerzen stanken. Lang lang ist’s her… in der Gegenwart biegen The Fray mit „Never Say Never“ sowie „Shadow And A Dancer“ auf die Zielgerade ein und hinterlassen schließlich ein restlos begeistertes Kölner Publikum. Keine Frage, hier ist eine Band am Werk, die offensichtlich eine Menge Spass an dem hat, was sie da tut. Dabei schafft sie es, die eigene Leichtigkeit auch musikalisch auf die Bühne zu bringen und für jede Menge positiver Gefühlswallungen zu sorgen. Die Aufgabe von Helios war es übrigens, den Sonnenwagen über den Himmel zu lenken, der von vier Hengsten gezogen wurde. Heute abend haben The Fray ihren Sonnenwagen in Köln geparkt.
Wer daran gezweifelt hatte, dass die Editors ein besonderes Live-Erlebnis sind, konnte sich am Sonntag im Kölner E-Werk eines Besseren belehren lassen.
Das letzte Album „The Weight of your Love“ war von der Fachpresse eher kritisch beäugt worden und einzelne Stimmen zweifelten schon, ob nun auch bei den Editors der Weg zum Mainstreamrock geebnet wurde. Doch obwohl sie in so viele Fettnäpfchen hätten treten können (Stadionrock! Weltschmerz! Die große Liebe!), spielten sie routiniert und wahnsinnig intensiv das Publikum auf ihre Seite.
Gleich zu Beginn war klar, was die Zuschauer erwarten konnten: wildes Tanzen, große Gesten, Stroboskop-Wellen, und das alles im ersten Song! Energiegeladen und charismatisch, bei „Eat Raw Meat = Blood Drool“ das erste mal auf dem Piano kletternd, hatte Tom das Publikum in der Hand. Wenn er es wollte, raunten wir den Text, tanzten beschwingt, hielten minutenlang die Arme oben, oder hörten einfach ehrfürchtig zu. Dabei brauchte er gar nicht viele Worte, sondern war der Geschichtenerzähler, der fast ausschließlich die Texte für sich sprechen ließ.
Bei „Formaldehyde“ explodiert die Halle das erste Mal, was sofort durch „A ton of love“ sogar noch getoppt wurde. Danach ging es mit den bekanntesten Stücken und auch kleinen Nummern weiter. Die Editors spielten in über zwei Stunden das E-Werk platt. Sie sind eine der wenigen Bands, bei denen ich sage: MEHR! GRÖßER! Ich will sie in der Arena sehen und mit noch mehr Power von tausenden Leuten diese Texte hören. Ganz ohne Ausverkauf und weichgespühltem Stadionrock.
Großartig, egal in welcher Größe, war es auf jeden Fall.
Über ein Jahr mussten die Fans der Band Tocotronic nun auf ein neues Album, und somit auch auf eine neue Tour warten.
Nach einem ausgedehnten „Sabbat-Jahr“ (wie es die Jungs in Newslettern auch immer wieder gern und liebevoll betont haben) meldeten sie sich nicht nur mit einem neuen Album („Wie wir leben wollen“) sondern auch gleich mit sämtlichen Konzertterminen in der Bundesrepublik zurück.
Kein Wunder also, dass viele der Konzerte irre schnell ausverkauft waren und die anderen Gigs mehr als gut besucht. So auch an jenem Donnerstagabend im gemütlichen Kölner E-Werk.Doch es gab gleich mehrere Gründe zu feiern, so war es nicht nur irgendeine neue Tour und irgendein neues Album, sondern auch ein 20 jähriger Geburtstag, der dazu feiern war: den der Band selbst.
Nachdem erst einmal die deutsch/schwedische Indietronic-Band „It’s a Musical“ für das Erwärmen der Beine, Gedanken und Klatschapparate gesorgt hat, betraten die sehnlichst erwarteten Jungs die Bühne: Ein etwas in die Jahre gekommener Dirk von Lowtzow – kaum wiederzuerkennen im Graue-Strähnchen-Look- aber ansonsten vier gut gelaunte Männer, die sichtlich Lust hatten, ein wenig zu musizieren, feiern und sich feiern zu lassen.
Den Auftakt gibt es von der neuen Platte mit dem Song „Im Keller“, wobei sich die neuen Songs in ihrer Häufigkeit tatsächlich nicht gerade überschlugen.Natürlich gab es „Auf dem Pfad der Dämmerung“, „Abschaffen“ oder „Die Revolte ist in mir“ zu hören, für die eingefleischten Fans dürften die Highlights aber andere gewesen sein.
Mit auffällig sympathischen und menschenoffenen Kommentaren leitet Dirk von Lowtzow von „This boy is Tocotronic“ hin zu „Jackpot“ bis über eine verrückte, etwas zeitlupenartige Version von „Drüben auf dem Hügel“, und für viele sicher eine wahre Überraschung, eher selten gespielte Songs wie „Alles wird in Flammen stehen“.
Ein bunter Strauß an Melodien aus 20 Jahren Tocotronic, alle herrlich untermalt durch bunte Bilder, Zeichnungen oder das dazugehörige Video, abgespielt auf großer Leinwand hinter der Band. Optisch und akustisch ein wahres Feuerwerk der tocotronischen Emotionen. Und da auch eine dritte Zugabe noch drin war, dürfte ganz sicher keiner mit traurigem Gesicht nach Hause gefahren sein, im Gegenteil, sie haben uns entschädigt, für ein ganzes Jahr Toco-frei. Und wie!
Mit „vulgären Versen“ sind sie zurück, und obwohl wir natürlich immer wieder auch auf dem Grund des Swimmingpools auf sie warten würden, bis sie den „Pfad der Dämmerung“ hinter sich gelassen haben, um ihrer inneren Revolte Luft zu machen, so hoffen wir doch sehr, dass es kein weiteres Jahr dauert, bis man sie wieder auf den Bühnen im Land stehen sieht, denn eins steht fest: Tocotronic-Konzerte zaubern eine Atmosphäre und bieten bei Weitem mehr, als man auf Platte nur erahnen kann.
Herzlichen Glückwunsch, zu einem grandiosen Konzert und zu 20 Jahren Denken und Denker sein.