Alles andere als Skunk-Karaoke
Wie ein starkes Mantra beginnt das Album mit „An Artist Is An Artist“. Gesprochen, gesungen, geschrien. Deborah Anne Dyer alias Skin ist in ihrem Element und haut mit Überzeugung raus, was sie zu sagen hat. Eine Selbstdarstellung, psychisch und körperlich, in der selbst die Wechseljahre und weiße Blutkörperchen eine Rolle spielen. Und das alles eingepackt in eine elektronische New Wave-Attitüde. Gewöhnungsbedürftig, weil Deborah nicht ihre grandiose Stimme in den Vordergrund stellt, aber absolut authentisch.
Weiter geht es mit „This Is Not Your Life“, ebenfalls sehr elektronisch, aber poppiger gehalten. Trotzig und laut ruft sie auch hier einen Merksatz in die Welt. Ruhiger wird es mit dem wehmütigen „Shame“ und dem melodischen „Lost and Found“. Stücke wie „Cheers“ und „Shoula Been You“ sind tief im Sound der 90er verwurzelt. Überraschend wenig Funk wird geboten. Am deutlichsten vielleicht noch in „Fell In Love With A Girl“. Doch ganz zum Schluss wird es mit der grandiosen Ballade „Meltdown“ endlich emotional und hymnisch.
„The Painful Truth“ ist der Sound von Skunk Anansie, die sich ihrer Identität und dem, was sie werden wollen, stellen. Es ist mehr als ein Albumtitel. Es ist eine Realität, die sie durchlebt haben. Eine Kombination aus Elternschaft, Krankheit und dem Weggang ihres langjährigen Managers schien sich gegen sie zu verschwören und ihre Unsicherheit zu verstärken, was Sängerin Skin, Gitarrist Ace, Bassist Cass und Schlagzeuger Mark dazu zwang, ihren Platz in der Welt als Band sowie ihre eigenen persönlichen Ambitionen in Frage zu stellen.
Für eine Weile waren sie kurz davor, Schluss zu machen. Da sie sich nicht sicher waren, was sie tun sollten, und weil sie nicht in der Lage waren, per Zoom Songs zu schreiben, zog sich der Vierer nach der Corona-Krise auf ein Bauernhaus in Devon zurück, wo sie inmitten offener Gespräche und hausgemachter Abendessen langsam begannen, ihre Gefühle in Songs zusammenzufassen.
„Wenn wir schreiben, sitzen wir zu viert in einem Raum ohne Ablenkungen oder Störungen von außen und lernen uns neu kennen. Wir hatten die Greatest Hits-Tour gemacht und erkannten, dass sich die Dinge ändern mussten. Wenn wir nicht etwas Neues und Zukunftsorientiertes tun würden, könnten wir keine wirkliche Band mehr sein. Wir machten einfach Skunk-Karaoke“, sagt Skin unverblümt.
Und „The Painful Truth“ ist alles andere als Skunk-Karaoke. Produziert von David Sitek von TV On The Radio ist es ein frisches, offenes, erhebendes und strukturiertes Album, bei dem das Talent der Band, große Popsongs zu schreiben, trotzig ungebrochen geblieben ist. Wenn überhaupt, sind ihre Hooks dieses Mal schärfer und sinken schneller ein.
Das erste Album nach neun Jahren Pause – immer noch gut, auch wenn es die schmerzhafte Wahrheit zeigt.