Es war ein lebenslanger Traum, den sich Lang Lang erfüllte, als er Johann Sebastian Bachs “Goldberg-Variationen” aufnahm. Das Album bietet dem Hörer gleich zwei Darbietungen des Stücks: Die erste wurde in einem einzigen Take live bei einem Konzert in der Leipziger Thomaskirche aufgenommen, wo Bach fast 30 Jahre tätig war und auch begraben ist. Die zweite entstand kurz darauf in der Abgeschiedenheit eines Studios. Die beiden Einspielungen sind zusammen als Teil einer Super-Deluxe-Edition erhältlich, in der als Weltneuheit Studio- und Liveaufnahme gleichzeitig erscheinen.
„Ich bin jetzt 38 Jahre alt. Das ist nicht alt, aber die Zeit war reif für einen weiteren Entwicklungsschritt“, sagt Lang Lang. „Mit den Goldberg-Variationen habe ich mich auf neues Terrain begeben und mich komplett in dieses Projekt vertieft. Als Künstler ist es mein Ziel, immer bewusster, wissender und letztlich inspirierender zu werden. Es ist ein stetiger Prozess. Und ich glaube, dass diese Arbeit mich ein Stück weitergebracht hat.“
Erst nach 20 Jahren war der Moment gekommen, um Bachs großartige Aria und die 30 Variationen aufzunehmen. Anfang März dieses Jahres, kurz vor den Studiositzungen, gab er das Konzert in Leipzig. „Es war unglaublich berührend für mich, in der Thomaskirche zu spielen, in der Bach begraben ist“, sagt er. „Noch nie habe ich mich einem Komponisten so nah gefühlt. Die Liveaufnahme ist sehr spontan. Im Studio dagegen ist mein Spiel ein anderes, äußerst überlegt und reflektiert. Beim Konzert durchlebt man das 100-minütige Werk als Ganzes. Das Studio erlaubt die Arbeit an einzelnen Teilen im Detail. Das wirkt sich natürlich erheblich auf das musikalische Ergebnis aus.“
Es fällt mir schwer zu sagen, welche der beiden Varianten die stärkere ist. Wenn ich mich entscheiden muss, dann wohl die Liveversion – vermutlich wegen des emotionalen Bezugs zur Thomaskirche, den man zu spüren glaubt. Lang Lang spielt wie vom anderen Stern – emotional und energisch zugleich. Die Klangqualität ist (wie immer bei der Deutschen Grammophon) außerordentlich gut.
Sehr schön finde ich die Aufmachung als Digipack mit Hardcover und umfangreichen Liner Notes. Neben vielen Fotos des Pianisten gibt es informative Texte in englischer, deutscher und französischer Sprache. So würdigt man zwei Virtuosen: Den vermutlich besten Pianisten der Neuzeit und den alten Meister aus Leipzig.