Udo Lindenberg: MTV unplugged, Runde 2 „Live vom Atlantik“
Er hat’s schon wieder getan! Udo Lindenberg gönnt sich und seinen Fans ein zweites „MTV unplugged“. Teil 1 erschien unter dem Titel „Live aus dem Hotel Atlantic“ im Jahr 2011 und hielt sich ganze 117 Wochen in den deutschen Charts – ein Rekord auch für den Panikrocker mit seinen unzähligen Veröffentlichungen. Vor allem die Neuauflage von „Cello“ im Duett mit Clueso sorgte für Dauer-Airplay im Radio.
Sieben Jahre später heißt die Fortsetzung „Live vom Atlantik“. Der Kapitän der deutschen Musikszene ist wieder in See gestochen und holt eine ganze Reihe alter und neuer Freunde mit auf die Reise. Der Release erscheint in verschiedenen Formaten – ob DVD, BluRay, CD oder Vinyl. Mir liegt zur Review die sogenannte „Zweimaster-Edition“ auf zwei CDs vor. Mitgeschnitten wurde das Konzert (wie auch die erste unplugged-Version) im Hamburger Kampnagel. Drei Abende waren es vom 4. bis 6. Juli 2018. Eine Auswahl von 27 Songs wurde hier zusammengestellt.
Tja. Wo soll man anfangen? Udo ist in Topform, wie stets im neuen Jahrtausend. Die großen Krisen der 90er Jahre sind längst vergessen. Und wer irgendwie auf die Idee kommen sollte, Teil 2 müsse naturgemäß ohne die großen Hits auskommen, irrt gewaltig. Der Deutschrock-Barde hat noch einiges in petto. Vielleicht nicht immer sofort zum Mitsingen für Otto Normalhörer, doch die Songs aus alten und jüngeren Tagen gehen so schnell ins Ohr, dass dies kein Problem ist.
„Ich träume oft davon, ein Segelboot zu klau’n“ ist ein wundervoll melancholischer Start. Dann folgt „Hoch im Norden“ – mit dem passenden nordischen Duettpartner Jan Delay, Lindenbergs Spezi seit vielen Jahren. „Du knallst in mein Leben“ ist der erste große Hit zum Abfeiern und Nathalie Dorra verfeinert den Titel „Meine erste Liebe“.
Von Andreas Bourani erwartet die Musiklandschaft schon seit Jahren Neues. Udo hat ihn für den „Radio Song“ an Bord. 1976 erstmals erschienen – jetzt aber wieder ganz weit vorne. Die nächsten vier Songs gefallen mir ganz besonders: „Kleiner Junge“ aus dem Jahr 1983 gibt es jetzt zusammen mit Reggae-Freund Gentleman. Dann schmettert die Kindertruppe Kids on Stage, die schon häufiger mit Udo unterwegs war, „Wir ziehen in den Frieden“, Klaus Doldingers „Tatort“-Melodie erklingt und Maria Furtwängler singt „Bist du vom KGB“.
Mit Udo und Alice Cooper stehen zwei alte Herren auf der Bühne, die ihre Alkoholsucht im letzten Jahrtausend erfolgreich überwunden haben um danach wieder kräftig durchzustarten. Die neue Version von „No More Mr. Nice Guy“ ist zwar überraschend brav geraten, wurde aber von Udo mit „So’n Ruf musste dir verdienen“ stellenweise solide eingedeutscht. Marteria verpasst „Bananenrepublik“ eine Verjüngungskur. Und mit Angus und Julia Stone sorgt ein australisches Geschwisterpaar für ordentlich Pep bei „Durch die schweren Zeiten“.
Zum Ende hin bekommt das legendäre Panikorchester genügend Raum, um einige Titel wie „Rock’n’Roller“ und „Good Bye Jonny“ stilgerecht zu begleiten. Und mit Jean-Jacques Kravetz endet das zweite unplugged-Album ganz hymnisch und zukunftsorientiert: „Sternenreise“ ist definitiv eines der Highlights.
Der Rundumschlag durch Udos Karriere wirkt umfassend und spürbar zeitlos, vor allem in den filigranen akustischen Arrangements. Hier kann man so manche Perle wiederentdecken. Den optischen Eindruck kenne ich nur von den inzwischen veröffentlichten Videos – es scheint aber eine sehr entspannte Atmosphäre gewesen zu sein. Muss man noch erwähnen, dass das Digipack mit dem Artwork aus Udos Likör-Feder wieder wundervoll gelungen ist? Lindenberg hat sich mit inzwischen 72 Jahre ein weiteres Mal neu erfunden. Wie ein alternder Staatsmann, der sich mit jungen Weggefährten umgibt und seine Karriere Revue passieren lässt. Aber müde wird er nicht. 2019 steht eine fulminante Tour ins Haus – und das nächste Studioalbum ist vermutlich auch längst in der Mache. Weiter geht’s.