Das französische Label Atypeek Music überrascht immer wieder mit Auskopplungen, die so gar nicht zusammenpassen und trotzdem auch so typisch für Atypeek. So auch das neue Album von Miles Oliver mit dem Namen “Between The Woods”.
Miles Oliver ist ein Pariser Songwriter, der zwischen elektrische und akustische Gitarre, Klavier und Loops schwingt. Eine Alchemie zwischen Lo-Fi-Rock, Folk und Poesie, die den Hörer an Violent Femmes, Nick Cave, Leonard Cohen und Johnny Cash in eng zusammenliegenden Momenten denken lässt. Einerseits sind die Songs zerbrechlich wie zartestes Porzellan und andereseits wieder voller Energie, dass man nur noch Schreien möchte.
Nach seiner Rückkehr von einer dreiwöchigen Tour durch die USA kamen Miles neue Worte, Bilder und Lieder in den Sinn. Zuerst schrieb er all diese Gefühle im Buch “Between The Words”, das er im Jahr 2019 schrieb. Miles arbeitete an einigen Songs und all diese Bilder fügten sich zu seinem vierten Album mit dem Titel “Between The Woods” zusammen. Sowohl Buch als auch Musik leben zusammen durch eine Geschichte von 12 Musikstücken und Geschichten.
“Between The Woods ist meine US-Vision, die amerikanische Kultur, die ich für mich selbst geschaffen habe: von den Wurzeln des Acapella-Blues in ‘Save Me’ und den entfremdeten Köpfen in ‘Deamontia’ bis zur 3/8 Tarot-Esoterik und dem crunchigen Schamanismus des Verlusts eines Freundes in ‘June 66’, durch die Rache der Frauen an ihren Unterdrückern in dem lauten ‘The Song I Hate’ und dem klagenden Lied für Kurt Cobains Geist in ‘Myberdeen’ bis zum melancholischen Tanz von ‘This Is A Lie’ ist jeder Track ein individuelles Porträt, eine lebendige Figur in unserer Gegenwart.”
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Nick Cave ist auch im Lockdown nicht zu stoppen – oder gerade dann nicht. Während wir kürzlich sein Streaming-Event “Alone at Alexandra Palace” als durchaus kontrovers diskutierte live-CD besprochen haben, ist er jetzt schon wieder mit einem äußerst anspruchsvollen Werk am Start. Hier als Librettist in seinem zweiten Opernprojekt mit dem belgischen Komponisten Nicholas Lens.
Nach ihrem gemeinsamen Projekt “Shell Shock” aus dem Jahr 2014 taten sich Lens und Cave während des Lockdowns zusammen für das neue Werk “L.I.T.A.N.I.E.S.” Cave schrieb zwölf Litaneien – “Bittgebete an einen göttlichen Schöpfer” –, die der Komponist Lens nach eigenen Worten in eine “bescheidene Kammeroper aus Nachtträumen” verwob.
Dabei sind 12 Stücke entstanden, die klassisch wie gleichsam modern und zeitlos sind. Sie werden von herausragenden Sänger*innen wie Clara-Lane Lens und Nicholas L. Noorenbergh vorgetragen und tragen die magische Atmosphäre einer einsamen Großstadt in der Stille des Lockdowns in sich. Lens begann, seine Heimatstadt Brüssel mit dem Fahrrad zu erkunden, sah ungewohnt leere Straßen, genoss die saubere Luft, merkte auf ob der überraschenden Ruhe und erinnerte sich schließlich an einen völlig anderen Ort: an Yamanouchi, Kamakura, eine grüne Hügellandschaft in der japanischen Kanagawa-Präfektur, wo die ältesten und ehrwürdigsten Rinzai-Zen-Tempel der Welt stehen.
“Die Idee zu L.I.T.A.N.I.E.S war tatsächlich damals dort entstanden – in der natürlichen Stille, die aus dem verregneten, leuchtend grünen Wald aufsteigt, der diese Tempel aus dem 13. Jahrhundert umgibt”, sagt Lens. “Und da mein Gedächtnis in musikalischen Phrasen arbeitet, war die Komposition von L.I.T.A.N.I.E.S meine Art, mich auch an den Frieden zu erinnern, den ich bei meinem Besuch in Japan gefunden hatte.”
Nick Cave, den Lens als Texter im Sinn hatte, musste nicht lange überredet werden: “Ich sagte sofort zu, schlug nach dem Gespräch als Erstes nach, was eine Litanei ist – eine Abfolge von religiösen Bittgebeten – und erkannte, dass ich zeit meines Lebens nichts anderes geschrieben habe.”
Die elf Instrumentalisten nahmen ihre Parts einzeln in Lens’ Haus auf, um den Pandemievorschriften zu genügen. Das Ziel ihrer Arbeit ist dennoch deutlich spürbar. Obwohl jedes musikalische Gebet für sich steht, sind sie im gemeinsamen Konzept verwoben.
Das Ergebnis ist eine ungewöhnliche Oper im modernen Sinn, die nichts mit Pathos und epischem Gehabe gemein hat. Stattdessen sind zwölf musikalische Kunstwerke entstanden – im Zusammenspiel des Kammerorchesters mit erzählenden und flehenden Stimmen. Es sind bewegende Bittgesänge in seltsamen Zeiten.
BMG kündigt die Veröffentlichung eines außergewöhnlichen Tribute-Albums für Marc Bolan an. Bolan gilt als einer der größten britischen Künstler aller Zeiten und beeinflusste das Schaffen von David Bowie bis hin zu Johnny Marr.
Marc Bolans Blütezeit waren die späten Sechziger und die Siebziger Jahre: er galt als bestverkaufter Einzelkünstler seit den Beatles und Initiator des Glam Rock. Er starb 1977 im Alter von nur 29 Jahren nach einem Autounfall in Barnes, doch sein Ruf ist seitdem immer weiter gewachsen. 50 Jahre nach Erscheinen des ersten Albums wurden T.Rex nun in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen und zahlreiche von Bolans illustren Fans haben sich versammelt, um ihrem Idol Tribut zu zollen. Für „AngelHeaded Hipster“ haben Stars wie Elton John, U2, Joan Jett, Nick Cave, Peaches und Marc Almond, einige seiner größten Hits neu interpretiert und aufgenommen, darunter „Jeepster“, „Bang A Gong (Get It On)“ und „Ride A White Swan“.
Marc Bolan war vieles: Folk-Pop-Troubadour, Glam-Rock Metal-Guru, ein Popstar, dessen Stern heller schien als jeder andere, brillanter Gitarrist, 20th Century Boy, Stilikone und Poet. Seine schillernde Persönlichkeit überschattete für manche sein musikalisches Erbe, doch mit “AngelHeaded Hipster” wird er nun zu Recht als Songwriter und Komponist für die Ewigkeit gefeiert.
Das Album entstand unter der Leitung des Musik-Veteranen Hal Willner, dem der Ruf vorauseilte, mit verschiedenen Künstlern Alchemie zu betreiben. Tragischerweise verstarb er am 7. April an COVID-19 und hinterließ eine endlose Reihe liebevoller Hommagen all derjenigen, die mit ihm gearbeitet hatten und ihn kannten. Willner war mehrere Jahrzehnte lang der Sketch-Musikproduzent von „Saturday Night Live“ und produzierte Alben für Marianne Faithfull, Lou Reed, Bill Frisell, Lucinda Williams, Allen Ginsberg, William S. Burroughs und viele andere. Er produzierte ebenfalls gefeierte Tribute-Alben großer Komponisten wie Nina Rota, Thelonious Monk, Kurt Weill und Charles Mingus. Vor seinem Tod erklärte er, warum er Bolan in diesen Kreis aufgenommen hatte:
„Ich bin in diesen Künstler eingetaucht, indem ich mir alles anhörte, mit Experten und Fans sprach, seine Kritiken und Interviews recherchierte. Dabei fand ich heraus, dass über Bolan kaum jemals als “Komponist” gesprochen wurde. Es ging nur darum, was für ein großartiger Rocker und wie innovativ er war, dass David Bowie sein Wesen übernommen hatte und Bolan in dessen Schatten stand… Also habe ich mit ihm dasselbe wie mit den anderen Komponisten gemacht, mit denen ich mich zuvor beschäftigt hatte. Ich wollte den Komponisten Bolan zeigen, mit Hilfe unserer zeitgenössischen Künstler aus verschiedenen Welten, die man sonst selten gemeinsam an einem Ort trifft.“
Das Ergebnis ist wahrhaft verblüffend. Heute erscheint mit „Cosmic Dancer“, interpretiert von Nick Cave, der erste Song aus dem Album. Er erzählt von Bolans kreativer Geburt, wobei er gleichzeitig über seine Sterblichkeit nachdenkt und ein Künstler über die Generationen hinweg mit einem anderen spricht. Cave sagt über Hal: „Hals Tod ist verheerend für das Kollektiv der Menschen, das ihn umgab. Er brachte esoterische Künstler zusammen und dazu, an seinen haarsträubenden Plänen teilzunehmen, die immer eine Kombination aus Genie, Wunder und Beinahe-Chaos waren”.
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Rachel Fox, Supervising Producer von „AngelHeaded Hipster“ und langjährige Mitarbeiterin von Willner, sagt: “Hal hatte eine einzigartige Vision von Marc Bolans Musik und die Arbeit an ‚AngelHeaded Hipster‘ machte ihm viel Spaß. Der vorzeitige Verlust unseres geliebten Freundes und unersetzlichen kreativen Motors brach uns das Herz. Hal, der ‚AngelHeaded Hipster‘ als sein ‚White Album‘ bezeichnete, wollte unbedingt, dass alle diese wunderschönen Songs hören und wieder über Bolan und T.Rex nachdenken. Dieses Album ist ein Zeugnis von Hals Geist.“
Die Höhepunkte des Albums reihen sich dicht und schnell aneinander. Jeder Interpret hat seinen „Lieblings-Marc“ gefunden, sei es auf den brennenden, majestätischen Popstar-Alben “Electric Warrior” und “The Slider”, beim Rückblick auf seine Tage mit Steve Peregrin Took in Tyrannosaurus Rex (dem Vorgänger von T.Rex, in dem Bolan seine Folk-Phase und das elektrisches Erwachen auslebte) oder beim Nachdenken über seine späteren Platten und sogar den Comeback-Hit “I Love To Boogie” aus dem letzten Album “Dandy In The Underworld” von 1976.
Peaches hat in Berlin „Solid Gold, Easy Action” elektronisch neu bearbeitet und aufgenommen und dennoch die Rockabilly-Coolness des Originals bewahrt. In New Orleans feierten U2 ihr Teenager-Idol mit „Bang A Gong (Get It On)“ und wurden dabei von Elton John am Klavier begleitet – fast 50 Jahre nachdem er Marc 1971 bei „Top Of The Pops“ traf. Trombone Shorty ist auf diesem Song ebenfalls zu hören. Father John Mistys sengendes „Main Man“ ist eine üppige, aber dennoch zärtliche Version des spacigen Tracks vom “The Slider”-Album. Und Kesha exorziert auf einem leidenschaftlichen, schweren „Children Of The Revolution“ Dämonen.
Willner arbeitete mehrere Jahre lang auf mehreren Kontinenten an „AngelHeaded Hipster“: es gab musikalische Sessions in New York, Los Angeles und New Orleans bis hin zu London, Paris und Berlin. Auf dem Album sind als besondere Gäste Donald Fagen, Mike Garson, Bill Frisell, Wayne Kramer, Van Dyke Parks und Marc Ribot zu hören sowie Arrangements von Thomas Bartlett, Steven Bernstein, Eli Brueggemann, J.G. Thirlwell und Steve Weisberg. Jedes Stück offenbart einen anderen Teil von Marc und ist eine einzigartige Wertschätzung eines vielseitigen Musikers, Schriftstellers, Dichters und Komponisten. Das Projekt wurde von Bill Curbishley und Ethan Silverman konzipiert. Kate Hyman hatte die kreative Vision, Hal Willner als Produzenten ins Boot zu holen.
„AngelHeaded Hipster” ist eine Zeile aus Allen Ginsbergs Gedicht “Howl”: “angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly connection to the starry dynamo in the machinery of night….” Er beschrieb die aufkommende Rock’n’Roll-Revolution infolge von Elvis Presley, eine Lebensessenz, die Marc förmlich in sich aufsog.
Marc Bolan starb viel zu jung, doch seine Musik lebt weiter. Sein Platz in der Rock’n‘Roll Hall Of Fame ist ihm sicher und “AngelHeaded Hipster” beweist, dass sein außergewöhnliches musikalisches Erbe durch die Musiker, die ihm folgten, fließt.
AngelHeaded Hipster: The Songs Of Marc Bolan and T.Rex – Tracklisting
Children Of The Revolution – Kesha
Cosmic Dancer – Nick Cave
Jeepster – Joan Jett
Scenescof – Devendra Banhart
Life’s A Gas – Lucinda Williams
Solid Gold, Easy Action – Peaches
Dawn Storm – Børns
Hippy Gumbo – Beth Orton
I Love To Boogie – King Khan
Beltane Walk – Gaby Moreno
Bang A Gong (Get It On) – U2 feat. Elton John
Diamond Meadows – John Cameron Mitchell
Ballrooms Of Mars – Emily Haines
Main Man – Father John Misty
Rock On – Perry Farrell
The Street and Babe Shadow – Elysian Fields
The Leopards – Gavin Friday
Metal Guru – Nena
Teenage Dream – Marc Almond
Organ Blues – Helga Davis
Planet Queen – Todd Rundgren
Great Horse – Jessie Harris
Mambo Sun – Sean Lennon and Charlotte Kemp Muhl
Pilgrim’s Tale – Victoria Williams with Julian Lennon
Bang A Gong (Get It On) Reprise – David Johansen
She Was Born To Be My Unicorn / Ride A White Swan – Maria McKee
Moya Brennan, die Sängerin und Harfenistin der irischen Folkrocker Clannad hatte ein feines Händchen und den richtigen Riecher bei der Entdeckung des irischen Duos Maighread und Stephen.
Einige werden sich jetzt schon abwenden wollen mit dem Gedanken, dass es sich bei dem Duo um Irish-Pub-Folk mit Rockeinlagen handeln könnte, andere werden ob dieser Gedankengänge jubilieren. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Bis auf einige wenige Ausnahmen auf dem 15 Songs umfassenden Album (2 Songs davon als Bonus in der Radio Edit) sind es düstere Gemälde in hellschimmerndem Dunkelgrau und tiefstem Schwarz, die den Hörer abtauchen lassen in eine Welt voller verstörender, morbider Schönheit aus Noten.
Es sind die minimalistischen Momente, die das Album tragen und wie sie Anna von Hausswolff, Nick Cave und auch Lou Reed & John Cale (auf Songs For Drella) zum Besten geben. Maighreads Stimme ist hier das Tüpfelchen auf dem i, denn ohne diese einerseits fragile und andererseits gewaltige Stimme würden viele Songs und Geschichten nicht funktionieren.
Für mich kamen dieses Duo und das Album aus dem Nichts und finden schon auf einem kleinen Thron des noch jungen Jahres Platz.
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Das ist doch mal ein schönes Konzept, das gleich zwei Seiten in den Mittelpunkt stellt: In der neuen Musikbibliothek des KiWi Verlags schreiben bekannte Persönlichkeiten über ihre musikalischen Lieblinge.
Thees Uhlmann, selbst Künstler und Frontmann von Tomte, erzählt von seiner Liebe zu den Toten Hosen. Ein Buch voller Anekdoten, das aus zutiefst subjektiver Sicht eine dreißig Jahre andauernde Liebe beschreibt und eine dicke Freundschaft, die daraus entstanden ist. Mit so viel Herzblut geschrieben, dass man ihm jedes Wort abnimmt.
Die bekannte Journalistin Anja Rützel schreibt über Take That – und spricht mir aus der Seele. Es geht um die bitteren Momente, als Robbie die Band verließ, und um die schönen, als es zur Neuformierung und Wiedervereinigung kam. Mit persönlichen Worten und dem ureigenen Herzschmerz.
Schriftsteller Tino Hanekamp liefert einen wunderbaren erzählerischen Trip zu Nick Cave, der Vergangenheit und Gegenwart vereint. Ein Roadtrip als Liebeserklärung an den großen Star.
Die Radiomoderatorin Sophie Passmann widmet sich schließlich dem kalifornischen Songwriter Frank Ocean. Sie erzählt, warum dieser den Soundtrack ihres Lebens geschrieben hat. Ihre Depressionen und den Sturz in die Extreme beschreibt sie mit schonungsloser Offenheit.
Passend zu der Lektüre kann man sich übrigens zu jedem Buch eine Spotify-Playlist als Hintergrundmusik abspielen. Der KiWi Verlag hat einfach an alles gedacht und liefert hier zunächst vier sehr schöne Büchlein im handlichen Format, die Leseratten und Musikliebhaber vereinen. Hoffentlich werden dem noch viele Bände folgen.
Mit “Step Back In Time” veröffentlicht Kylie Minogue eine Zusammenstellung ihrer größten Hits. Und dabei dürfen wir uns gerne darüber im Klaren sein, dass ihre Karriere noch lange nicht vorbei ist. Der Auftritt beim Glastonbury Festival, auf den sie so lange warten musste, spricht Bände – und ist ein wichtiger Meilenstein. Vor 14 Jahren war sie schon gesetzt und musste aufgrund ihrer Krebserkrankung absagen. Jetzt zeigte sie sich mit 51 Jahren von ihrer besten Seite, wie man anhand diverser YouTube-Dokumente erkennen kann.
Diese ultimative Zusammenstellung der beliebtesten Kylie-Tracks ist ein Spiegelbild ihrer Rekordkarriere und reicht vom weltweiten Nummer-1-Hit “I Should Be So Lucky” (1987) bis zu ihrem jüngsten Charts-Album “Golden” aus dem letzten Jahr.
Insgesamt haben Kylies Singles über 300 Wochen in der Official Singles Top 40 Charts verbracht. Sie hat weltweit mehr als 80 Millionen Alben verkauft und ihr Katalog erreicht weltweit allein bei Spotify über eine halbe Milliarde Streams. Kylie hat mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter 3 BRIT Awards, 2 MTV Music Awards und einen Grammy.
Das Ende der 90er Jahre war kommerziell wenig erfolgreich. Doch mit dem 2000er Album “Light Years” erlebte Kylie ihr mittlerweile ikonisches Comeback. Darauf enthalten waren der Nummer 1-Hit “Spinning Around” sowie die folgenden Singles “On A Night Like This” und das heißen Duett “Kids” mit Robbie Williams. Im darauf folgenden Jahr veröffentlichte sie das 5-fach Platin-Album “Fever”, das die Singles “Can’t Get You Out My Head”, “In Your Eyes”, “Love At First Sight” und “Come Into My World” enthielt, die natürlich auch auf “Step Back In Time“ enthalten sind.
“X”, Kylies Album aus 2007, markierte ihre Rückkehr nach überstandener OP und Chemotherapie. Es enthielt die von Calvin Harris produzierte Single “In My Arms”, “2 Hearts” und die UK-Top-5-Single “Wow”. Zu den Highlights von Kylies unvergleichlichen Back-Katalog gehören außerdem “Confide In Me” aus dem 1994 erschienenen fünften Studioalbum sowie ihr Duett mit Nick Cave & The Bad Seeds “Where The Wild Roses Grow” (1995).
Die 41 Songs der beiden Silberlinge folgen keiner chronologischen Reihenfolge. CD 1 widmet sich dem neuen Jahrtausend, CD 2 dem vorhergehenden. Das war es dann auch an Sortierung. Macht aber auch nichts. Wer sich zunächst dem nostalgischen Discobeat widmen will, beginnt halt mit der zweiten CD. Die moderneren Dance-Pop-Klänge der späteren Kylie-Jahre gefallen mir aber definitiv besser.
“Pop Precision Since 1987” ist der perfekte Untertitel für diese musikalische Anthologie. Mir liegt zur Review die Deluxe-2CD im Hardcover (DIN A5 Format) vor. Ein sehr schönes Teil! Auf 32 Seiten gibt es zwar keine detaillierten Infos (außer der Tracklist mit Copyright-Angaben), dafür aber eine Aufreihung von Cover- und Promo-Fotos, die Kylies Veränderung über die Jahrzehnte anschaulich machen.
Marianne Faithful hatte viele Höhen und Tiefen zu bewältigen. Sie war in den 70ern die Geliebte von Mick Jagger und wurde zur Berühmtheit im Boulevard. Eine Drogenvergangenheit machte ihr zu schaffen – aber auch eine Krebserkrankung, die sie vor mehr als zehn Jahren besiegte. Die Liste ihrer Veröffentlichungen ist lang, die Reihe ihrer Kollaborationen mit Größen wie Pulp, Metallica und Nick Cave sehr überzeugend.
Das neue Album trägt den Titel “Negative Capability” und fasst in gewissem Sinn alles zusammen, was das Leben für die inzwischen 71jährige bereit gehalten hat: Einsamkeit und Verlust, Schmerz und Wut, aber auch Zuversicht, Euphorie und Lebensfreude. Sie ist immer wieder aufgestanden, wenn sie am Boden lag.
Mit tiefer, rauer Stimme singt sie Klassiker wie “As Tears Go By” und “It’s All Over Now, Baby Blue”. Wem soll man diese Worte abnehmen, wenn nicht ihr? Ihr erster Hit und die Coverversion entwickeln aus Mariannes Mund (immer noch) hohe Authentizität.
Mit Nick Cave hat sie “The Gypsy Faerie Queen” eingesungen. Wunderschön und berührend erklingt dieses Duett. Und in “Born To Live” richtet sie einen verklärten Blick auf den Tod und hadert mit dem Terror des Bataclan-Anschlags.
Die Songs, die allesamt eine melancholische Stimmung einfangen, sind großartig und geben das perfekte Alterswerk ab. Und trotzdem hofft man, dass Marianne Faithfull ihre Geschichte noch nicht zu Ende erzählt hat. Ein außergewöhnliches Album einer außergewöhnlichen Singer/Songwriterin.
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Ich wurde gebeten, keine Fotos zu machen, also lasst mich Bilder für euch malen. Nick Cave and the Bad Seeds haben in Düsseldorf ein Konzert gespielt, das meine Erwartungen noch übertroffen hat, und ich hatte schon schwer damit gerechnet, dass es eines der besten Konzerte des Jahres werden würde.
Eine Vorband braucht Nick Cave heute nicht. Die Bühne ist noch leer und dunkel, als die ersten Töne des Abends anklingen. 15.000 Leute stehen hier in der ausverkauften Mitsubishi Electric Halle und nach dem ersten Klatschen sind sie alle ruhig und harren der Dinge, die da kommen.
Nick Cave startet gleich mit dem neuen Album und spielt über den Abend hinweg viele Songs von „Skeleton Tree“, und natürlich weiß jeder im Saal unter welchen Umständen dieses Album entstanden ist. Aber auch wenn man das nicht wüsste: die Traurigkeit sickert durch jedes Wort und tropf mit der Musik von der Bühne. Das Publikum steht da in der Pfütze, schweigt und hört diesem traurigen Mann zu. Und Nick Cave steigt ein Stück von der Bühne herunter, stellt sich immer wieder an den Rand des Publikums und hält sich an den Fans fest. Er singt sie direkt an, nimmt ihre Hände und wird ein Teil von ihnen.
Nick Cave wäre aber nicht einer der großartigsten Live-Acts, die ich je gesehen habe, könnte er die Stimmung nicht auffangen, damit wir nicht alle in das schwarze Loch fallen, das er da gräbt. Immer wieder schiebt er alte Songs dazwischen. Das große „Higgs Boson Blues“ zum Beispiel, das gar nicht mehr aufhören will, und in dem er das Publikum den Herzschlag des Songs singen lässt. Er spielt „Jubilee Street“ und versichert uns, dass es weitergeht: I’m transforming, I’m vibrating, look at me now! Er spielt „Into my Arms“ und vor mir wird gekuschelt.
Aber die Musik, das alles heute Abend, ist nicht einfach nur traurig oder wild oder nachdenklich – Nick Cave kann eben doch genau das, was ihm immer nachgesagt wird. Was da auf der Bühne geschieht, spricht direkt die dunklen Plätze in unseren Köpfen an. Die kleinen Winkel, in denen man Dinge versteckt, über die man nicht so gerne nachdenken möchte. Und er hackt sie mit diesen Texten frei und umspült sie mit dieser Musik und lässt uns nicht mit dem alleine, was da an die Oberfläche kommt.
Keiner der Songs wird heute so gespielt wie auf dem Album. Alles ist live so viel besser, weil die Musiker aufeinander reagieren und das Publikum mitnehmen. Nick Cave steht am Rand der Bühne wie ein Fernsehpriester, der sich von seinem Publikum feiern lässt und kurz davor ist, uns zu seltsamen Ritualen zu verführen. Er fasst alle an und lässt sich anfassen, er umarmt uns, hält trotzdem Distanz und springt dann ins Publikum. Zur Zugabe baut er sich einen Chor aus Jüngern hinter sich auf. Er holt sich alle auf die Bühne bis sie voll ist. Und Nick Cave steht davor und wohin man auch sieht tanzen Menschen, ganz verträumt und glücklich wie nie. Da sieht jedes Bild aus wie aus einem guten Musikvideo. Er inszeniert das Ende für uns.
Ganz am Schluss singt er „Push the Sky away“. Letzte tröstende Töne, die wir alle mit nach Hause nehmen können. Ein langsames und für seine Verhältnisse fast positives Stück. Ich hatte ja schon viel Gutes über diese Tour gehört und mich fast ein bisschen vor der Dunkelheit gefürchtet. Nick Cave hat an diesem Abend aber alle Erwartungen erfüllt und noch ganz viel mehr draufgesetzt.
Wenn Nick Cave und PJ Harvey ein Baby hätten… Das ist wohl der Vergleich, mit dem Nadine Shah zurzeit am meisten zu kämpfen hat. Aber wer sollte sich darüber schon ärgern? Dann hört man ein bisschen genauer hin und entdeckt noch viel mehr Nuancen – ein bisschen Florence Welch, ein bisschen Ellie Goulding vielleicht. Sie selbst spricht von Marianne Faithful und Nina Simone als Inspirationsquellen.
“Love Your Dum And Mad” ist das erste Album von Nadine Shah – und was für ein Album das ist. “Aching Bones” beginnt mit einer kratzigen Gitarre, einem Bass… 56 Sekunden dauert es, bis Shahs Stimme einsetzt und man weiß, dass man hier etwas Gutes vor sich hat. Ihre Musik ist dunkel, aber nicht depressiv; ruhig, aber nie langweilig. Dabei passt die Stimmung und Intensität des Albums kaum zum Zeitpunkt (30. Juli!), an dem es veröffentlicht wird. Wollen da nicht alle eher leichte Sommerliedchen? Was Tanzbares?
Nadine Shah kommt aus Nordengland, ihre Mutter ist aus Norwegen, ihr Vater aus Pakistan. So eine Prise innerer Konflikt scheint ihr also in die Wiege gelegt zu sein. Produzent und Co-Writer des Albums ist Ben Hiller, der unter anderem Blurs “Think Tank” gemacht und mit The Horrors und Depeche Mode gearbeitet hat. Es heißt, er hat nur einen Song gehört, bevor er zugesagt hat, Shah zu produzieren. Die erste Hälfte des Albums ist sehr pianolastig, danach dominieren die Industrial-Einflüsse von Hiller. Es gibt kein durchgängiges Thema; es geht um Einsamkeit, Verlust, Rache und mehrere Songs handeln von Geisteskrankheiten (“Used it all”, “Remember”, “Drearytown”, “Floating”). Trotz der Melancholie geht es um Stärke. Die Figuren wachsen an den Situationen. “Runaway” handelt von einer Frau, die gerade verlassen worden ist. Shah singt: “I have the right to half of this house, I’m fine”. Das ist emanzipierte Melancholie.
Die Inspiration für all das nimmt Shah aus Filmdialogen, sagt sie, hauptsächlich aus düsteren. Dabei ist sie gar keine besonders traurige Frau, keine Sorge. Insgesamt ist “Love Your Dum And Mad” ein starkes und inspirierendes Debutalbum. Wenn Nick Cave und PJ Harvey ein Baby hätten, würde es sicher Nadine Shah hören.
Nicht erst seit AC/DC weiß man, dass Australien weitaus mehr zu bieten hat als Koalabären, Kängurus oder das Great Barrier Reef. In Australien wird richtig gute Musik gemacht. Sinnbildlich dafür stehen solche Namen wie die Bee Gees, INXS, Rose Tattoo, Men At Work, Midnight Oil, Kylie Minogue, Silverchair oder Nick Cave. Nun ist das mit Quervergleichen ja immer so eine Sache. Sie können einer Band durchaus mehr schaden als nutzen. Tracer sind da anders. “Ich sehe das eher als ein großes Kompliment. Ärgern würde ich mich nur, wenn uns jemand mit Justin Bieber vergleichen würde”, gibt Sänger und Gitarrist Michael Brown offen zu. Man kann den Mann beruhigen. Diese Gefahr besteht definitiv nicht. Allerdings wird im Verlaufe dieses Reviews noch der ein oder andere Vergleich mehr hinzukommen.
Gemeinsam mit Dre Wise am Schlagzeug und dem neuen Bassisten Jett Heysen-Hicks veröffentlicht Brown jetzt “El Pistolero”, das zweite Album des Trios aus Adelaide. Tracer wurden bereits 2003 gegründet und neben dem Debüt “Spaces In Between” finden sich noch zwei EP’s auf ihrer Habenseite. Im vergangenen Jahr verlieh ihnen das Classic Rock Magazine den Roll Of Honour Award als “Best New Band”. Und wie man sagt, macht die Band für drei Leute noch dazu einen Haufen Lärm auf der Bühne. Soweit die Vorschußlorbeeren. Da das zweite Album aber bekanntlich häufig das Schwerste ist, holte man sich mit dem Produzenten Kevin Shirley gleich ein Schwergewicht in die Revolver Studios von Los Angeles und prügelte die 13 Songs in gerade einmal sieben Tagen ein.
Der Titelsong ist zugleich der Opener und wenn man sich das Cover betrachtet, weiß man schon ungefähr wohin die Reise geht. “El Pistolero” ist ein Rockbrett, das den Hörer sofort mitnimmt. Neben “Ballad Of El Pistolero”, “Santa Cecilia” und “Until The War Is Won” gehört es zu den vier Stücken, die von dem schrägen Robert Rodriguez-Film “Desperado” inspiriert wurden. Angesichts solch formidabler Stonerrock-Hymnen möchte man sich hinterher tatsächlich den Staub von den Stiefeln klopfen. Schnell wird klar: Dies ist kein Album für Weicheier. “El Pistolero” ist heiß, laut und genau der richtige Soundtrack für einen Grillabend mit viel Gegröhle und einem Testosteronspiegel nahe am Überlaufen. Tracer servieren dazu knackige Kreissägengitarren (“Dirty Little Secret”), eine fette Prise Post-Grunge (“Dead Garden”) und jede Menge feinsten Powerrock (“Wolf In Cheap Clothes”, “There’s A Man” oder “Now I Ride”). Die Abendgarderobe besteht aus T-Shirts von den Ramones, Black Sabbath, Soundgarden oder Queens Of The Stone Age. Dazwischen gibt es mit “Scream In Silence” eine schöne Bombastballade. Falls mal jemand auf’s Klo muss.
Zweifellos haben Tracer es geschafft, die Energie ihrer vielgepriesenen Liveshows ins Studio zu übertragen. Und ebenso zweifellos sind sie mehr als nur ein weiterer dieser typischen Retro-Acts. Wenn mich mein musikalisches Bauchgefühl nicht vollständig verlassen hat, dann werden sie mit “El Pistolero” für mächtig Furore sorgen. Auf der musikalischen Landkarte von Australien muss man für Michael Brown, Dre Wise und Jett Heysen-Hicks jedenfalls ganz schnell eine neue Pommesgabel setzen. Vorher aber kommen die Drei von Down Under noch rüber nach Europa und machen im Juni folgende deutsche Städte unsicher:
Ein Best-of-Album kurz vor Weihnachten. Das soll etwas Besonderes sein? Macht doch jeder, der im Novemberfieber ein paar Euro abstauben will. Der Blick auf die Tracklist eröffnet dann auch die zu erwartende Songauswahl (vielleicht mit Ausnahme von “Where The Wild Roses Grow”). Ein Release, den man schnell abhaken könnte. Wäre da nicht der Titel “The Abbey Road Sessions”. Warum hat sich Kylie Minogue in die heiligen Hallen Londons begeben? Steckt doch mehr dahinter als die allseits übliche Runderneuerung?
16 Titel finden sich auf der CD – und ja, sie sind alle komplett neu eingespielt. Keiner der Titel klingt mehr nach Disco, Dancehall und kreischenden Teenies. Schon das letzte Studioalbum “Aphrodite” war ein großer Schritt hin zum melodischen Pop. Die neuen Aufnahmen sind eine halbe Weltumseglung. Jeder Titel bekommt ein neues Arrangement – ein komplett neues Gewand. Bei “All Your Lovers” klingt das noch sehr einfach und nach logischer Weiterentwicklung. Auch “On A Night Like This” lässt noch die ursprüngliche balladeske Kraft spüren. Doch dann geht es weiter: Alle Titel werden mit akustischer Gitarre, Piano oder gar dem großen orchestralen Besteck unterlegt. Da muss man genau hinhören, um die Partykracher hinter den filigranen Melodien zu entdecken.
Größte Bewährungsprobe sind die Hits aus den 80ern, die Kylie berühmt gemacht haben. “The Locomotion” klingt wunderbar beschwingt und reitet auf der 50er-Retro-Welle, “Can’t Get You Out Of My Head” wartet mit einem Streicher-Stakkato auf, das an Coldplays “Viva La Vida” erinnert, und bei “I Should Be So Lucky” schließlich wurde das Teenie-Gepiepse zugunsten einer dramatischen Balldenstimme gestrichen, die den Song glanzvoll wiederauferstehen lässt.
Alles Künstliche wurde weg gelassen. Noch nie klang Kylies Stimme so kraftvoll, so organisch und so warm wie über das komplette neue Album. Sie ist schon seit langem eine durch und durch sympathische Künstlerin. Nach Krebserkrankung und Chemotherapie hat sie einen Neuanfang gemeistert, den man nur bewundern kann. Ihr bei Stefan Raab absolvierter Kölsch-Kurs in “TV total” ist legendär. Man kann sie in einem Moment ohne Starallüren erleben – und dann wieder mit einer Show, die neue Maßstäbe setzt. Mit den “Abbey Road Sessions” aber hat sie sich nochmal selbst übertroffen. Ein fantastisches Album ohne glamourösen Schnickschnack. Besser geht’s nicht.