Pippo Pollina war mir bisher vor allem als Singer/Songwriter bekannt. Er wurde 1963 in Palermo geboren, besuchte das Konservatorium und studierte Rechtswissenschaften. Er engagierte sich früh in der Antimafiabewegung und arbeitete für die von Giuseppe Fava gegründete Zeitschrift „I Siciliani“. Nach Favas Ermordung durch die Mafia verließ Pollina 1985 Sizilien, um erstmal als Straßenmusiker durch die Welt zu reisen. Inzwischen lebt er in Zürich, wurde für sein musikalisches Schaffen mehrfach ausgezeichnet, hat zahlreiche Alben aufgenommen und ist auf vielen großen Bühnen aufgetreten.
Sein Romandebüt beschreibt die Welt der Mafia, wobei er zwischen Italien und Deutschland switcht. Dabei wird deutlich, dass sich Pollina in der Materie auskennt und mit viel Hintergrundwissen glänzen kann.
Zur Story: Leonardo Conigliaro, von Familie und Freunden Nanà genannt, ist Arzt in Camporeale, einem sizilianischen Dorf, in dem die ehrenwerte Gesellschaft und die Mafia seit jeher eine bedeutende Rolle spielen. Frank Fischer, in Wolfsburg von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen, ist ein aufsteigender Stern am deutschen Journalistenhimmel und bekannt für seine Investigativrecherchen. Beide Männer sind Ende der 1950er-Jahre geboren, haben aber keinerlei weitere Berührungspunkte, bis Nanà ein lange Zeit gut gehütetes Geheimnis lüftet und eine alte Familienschuld bei ihm eingefordert wird. Im wiedervereinten Deutschland prallen Franks und Nanàs Wege unausweichlich aufeinander und verlangen eine Entscheidung, die ihre beiden Leben für immer verändert.
Von Beginn an baut Pippo die Spannung mit dem Kunstgriff auf, beide Welten aus der Sicht der Protagonisten zu beschreiben und zwischen Deutschland und Italien zu wechseln. Man fragt sich nach einer Verbindung – und wenn diese klar wird, nimmt der Roman deutlich an Fahrt auf.
Die unterschiedlichen Leben sind sehr gut und berührend geschrieben. Man merkt dem Auto an, dass er sich sowohl in Deutschland als auch in Italien gut auskennt und ordentlich recherchiert hat. Seine politische Einstellung hätte schon in den 80er Jahren lebensbedrohlich für ihn sein können. So ist es mutig, dass er seinen journalistischen Weg auch im Sinne eines erfundenen Romans konsequent weiter geht.
Das Buch ist spannend zu lesen. Durch die kurzen Kapitel bleibt man immer am Ball und die 320 Seiten vergehen wie im Flug. Die Aufmachung ist qualitativ hochwertig mit gelungenem Cover, gutem Papier und Lesebändchen. Insgesamt eine runde Sache!
Die Konzertreihe von Station K an der Alten Kaserne in Saarburg hat sich bereits seit einigen Jahren etabliert und bietet stets großartige Liveerlebnisse. Zu Corona-Zeiten haben die Open Airs eine besondere Wertigkeit entwickelt: Der rührige Christof Kramp als Geschäftsführer von Station K passt die Gegebenheiten stets korrekt und kompetent an die jeweils geltenden Bedingungen an. So sind momentan (Stand Anfang Juli 2021) Konzerte vor bis zu 500 sitzenden Zuschauern möglich. Das lauschige Konzertgelände bietet genügend Platz – und für Kontaktdatenerfassung, Maskenpflicht beim Umhergehen und genügend Abstände zwischen den Sitzplätzen ist gesorgt. Trotzdem kann ordentlich gefeiert werden! Das haben die Konzerte am 3. und 4. Juli erneut eindrucksvoll gewiesen.
Das Programm der beiden Tage stand für die Hauptpfeiler des Konzertprogramms bei Station K: Zum einen sind da spannende und virtuose Coverbands, die mehr zu bieten haben als das Standard-Trallala. Es gibt einige sorgfältig ausgewählte Tribute Bands und (wie im Fall von Zentury XX) Genrebands, die sich einem bestimmten Thema wieder. Zum anderen findet Christof Kramp immer wieder begnadete Liedermacher sowie Größen der filigranen Rock-, Pop- und Weltmusik. Hier kann der Italiener Pippo Pollina sinnbildlich für eine illustre Reihe stehen, die 2021 im Festival „Konzerte der Kulturen“ vom 13. bis 15. August gipfeln wird.
Beginnen wir aber mit ZENTURY XX und ihrem Konzert am 3. Juli:
Das Gelände war gut gefüllt und alle harrten der Dinge, die da kommen sollten. ZENTURY XX sind fünf Vollblutmusiker, die sich der Rockmusik aus den goldenen Jahrzehnten (70er, 80er und 90er Jahre) mit Leib und Seele verschrieben haben. „We Didn’t Start The Fire“ war dann auch der perfekte Opener für einen umjubelten Konzertabend.
Frank Rohles ist mit seinen unterschiedlichen Formationen ohnehin Stammgast auf der Saarburger Open Air-Bühne. Der Gitarrist, Sänger, Songwriter und Produzent ist seit mehr als 30 Jahren mit den verschiedensten Projekten und Bands auf vielen Bühnen international tätig. Vor allem wurde er bekannt durch seine Arbeit für die britische Gruppe QUEEN und Brian May, für die er im Rahmen des Musicals „We Will Rock You“ eine Goldene Schallplatte erhielt. Inzwischen hat er aus WE ROCK QUEEN eine eigene, sehr erfolgreiche Tributeshow gemacht. Sohnemann Marc Rohles ist Keyboarder und studiert zurzeit an der Pop Akademie in Mannheim. Er hat schon mit verschiedenen Bands und Künstlern europaweit auf der Bühne gestanden. Seine letzte Tour spielte er für Chris Thompson, den Original-Sänger von Manfred Mann’s Earth Band.
Sänger Michael Kutscha stammt aus Wuppertal und schaffte es bei „The Voice of Germany“ 2017 mit Coach Samu Haber bis in die Sing Offs. Bei ZENTURY XX besticht er durch eine energetische Rockstimme, die sich in allen rockigen Musikrichtungen zuhause fühlt. Vervollständigt wird das Quintett durch Kai Lemke am Bass und Henning Marien am Schlagzeug.
Weiter im Takt ging es mit Meilensteinen wie „Sledgehammer“ (Peter Gabriel), „Dreamer“ (Supertramp) und „Mighty Quinn“. Bei letzterem glänzte Marc Rohles am Keyboard und es wurde klar, wie intensiv er sich in die Musik der Earth Band reingearbeitet hat. Das war ein erster Höhepunkt schon sehr früh am Abend.
Große Teile des Publikums hielt es schon längst nicht mehr auf den Sitzplätzen. Es wurde gejubelt und gefeiert. Man hörte natürlich die Rockstandards, die viele Coverbands im Repertoire haben, aber auch filigrane Titel wie Stings „Englishman in New York“. Einige Medleys wurden geboten, beispielsweise die größten Hits von INXS, die man nicht alle Tage geboten bekommt.
Vor der 20minütigen Pause gab es mit „A Kind Of Magic“ endlich einen heiß ersehnten QUEEN-Titel, der die Magie des Abends in Musik und Worte fasste. Es war traumhaft, mal wieder ein echtes großes Konzerterlebnis zu haben – wenn auch „nur“ mit einer Coverband.
Die zweite Hälfte der insgesamt fast dreistündigen Show brachte einen fulminanten Start zwischen Funk und Rock mit Jamiroquais „Deeper Underground“, gefolgt von dem spanischen „Entre Dos Tierras“, dem Manfred Mann-Kracher „For You“ und Publikumsfavoriten wie „Word Up“ und „Purple Rain“ (Prince), wobei sich hier die Musikkenntnis des Publikums eindrucksvoll unter Beweis stellte, da der Song schon beim nur leicht angedeuteten Eröffnungsriff von Frank so abgefeiert wurde, als sei er schon komplett gespielt. Das sind die Livemomente, die wir so lange vermisst haben!
Am 4. Juli war PIPPO POLLINA zum wiederholten Male bei Station K zu Gast:
Die Zeichen am Sonntag standen den ganzen Tag über auf Starkregen. Doch wie durch ein Wunder hatte Petrus ein Einsehen und es wurde pünktlich zu Konzertbeginn fast so heimelig wie am Vortag. Zwar ein wenig kühler, aber nur ein leicht bewölkter Himmel mit einigen kleinen Wölkchen. Station K hatten mal wieder alles richtig gemacht und gar nicht erst über eine Verlegung nachgedacht.
Pippo Pollina ist im deutschsprachigen Raum einer der bekanntesten italienischen Liedermacher. Seit drei Jahrzehnten ist er mit seinen Konzertprogrammen unterwegs und füllt mittlerweile nicht mehr nur die Kleinkunstbühnen, auf denen alles begann, sondern auch die großen Häuser von der Arena in Verona bis hin zum Hallenstadion in seiner Wahlheimat Zürich. Pollina besticht durch seine unbändige Kreativität, mit der er seit mehr als 35 Jahren auch seine vielen treuen Fans immer wieder überrascht. Sei es mit lyrischen Balladen, poetischen Protestliedern oder rockigen Songs: Pollinas Sprache bleibt immer sensibel und zart.
Zunächst war er ganz allein mit einem Pianosong auf der Bühne. Was für ein fantastischer Beginn – und welch wunderschöne Atmosphäre auf dem heimeligen Konzertgelände. Das Publikum war von Beginn an selig. Und dann kam noch Roberto Petroli (Saxofon & Klarinette) dazu. Im Duo erzeugten sie wundervolle Klänge. Pippo beeindruckte durch seine smarte und sonore Stimme. Zudem gab er einige Statements und Anekdoten zum Besten. Ganz zu Anfang kniete er sich unter großem Applaus an den Bühnenrand – als Zeichen gegen Gewalt und Rassismus. Und er machte deutlich, wie wichtig er es findet, dass Künstler und Sportler mit solchen Gesten Haltung zeigen. Es folgte ein Song für Cassius Clay (Muhammad Ali), dem Pippo als einem der letzten großen Sportler mit unerschütterlicher Haltung Respekt zollte.
Das Konzertprogramm – aufgeteilt in zwei 50minütige Blöcke und einen langen Zugabenteil – war ein sehr intimes Programm mit einem fantastischen, glasklaren Sound. Alles an diesem Abend war ein Genuss. Es gab exorbitante Saxofon-Soli und einen redegewandten Sänger. Pippo erzählte von den Sizilianern und ihrer zwiespältigen Beziehung zum Meer, von seiner Heimatstadt Palermo und ihrem weltweiten Ruf als Hauptstadt des organisierten Verbrechens. Er sang Jacques Brels „Amsterdam“ in einer italienischen Version und erzählte von Brels Witwe, die ihr Okay zu dieser Version geben musste.
Es gab einen Mix aus energischen und verträumten Songs, die beide auf ihre Art das Publikum in ihren Bann zogen. Pippo schwelgte in Erinnerungen, beispielsweise an die Zusammenarbeit mit Christof Kramp über 15 Jahre hinweg, an viele wunderschöne Konzerte und an das Projekt „Süden 2“ in der Stadthalle Saarburg, einen seiner letzten großen Auftritte vor dem Lockdown. Er betrauerte die Trägheit der letzten Monate und die fehlende Magie von Konzerten vor Publikum. Zugleich erzählte er, was man in solch ruhigen Monaten tun kann, nämlich ein Buch und ein Album schreiben.
So verging ein vielfältiger Konzertabend mit sympathischen Musikern, vielen Erzählungen und noch viel mehr Musik. Das Publikum war durchmischter als bei ZENTURY XX. Pippo zieht Musikliebhaber aller Generationen an. Und es wurde deutlich: Wer ihn einmal live erlebt hat, wird auf jeden Fall wieder zum Konzert kommen. Das durfte ich aus den Gesprächen um mich herum hören. Man kann sich also schon den 7. Januar 2022 vormerken (dann erscheint das nächste Studioalbum) und den 21. Januar 2022, wenn Pippo Pollina mit dem Palermo Acoustic Quintet in der Europahalle Trier gastieren und dieses Album vorstellen wird.
Vorher aber sind noch einige Konzertereignisse in Saarburg und Umgebung angesagt. Weiter geht es quasi im „Sekundentakt“:
9.7.2021 — MAM (BAP Tribute), Alte Kaserne Saarburg
10.7.2021 — We Rock Queen, Alte Kaserne Saarburg
11.7.2021 — Picknick Konzert, Alte Kaserne Saarburg (11 Uhr)
16.7.2021 — Bläck Fööss, Alte Kaserne Saarburg
17.7.2021 — Bounce (Bon Jovi Tribute), Alte Kaserne Saarburg
23.7.2021 — Nacht der Stimmen (Tiwayo u.a.), Alte Kaserne Saarburg
24.7.2021 — Fortuna Ehrenfeld, Alte Kaserne Saarburg
25.7.2021 — Quadro Nuevo, Alte Kaserne Saarburg
29.7.2021 — CATT, Weingut Dr. Frey, Kanzem
30.7.2021 — Pauls Jets & Philipp Eisenblätter, Weingut Dr. Frey, Kanzem
31.7.2021 — Dota Duo, Weingut Karl Sonntag Nittel
1.8.2021 — Max Prosa, Weingut Karl Sonntag Nittel
1.8.2021 — Richard Bauer & Band (“Hallo Udo”), Alte Kaserne Saarburg
6.8.2021 — Milliarden, Alte Kaserne Saarburg
7.8.2021 — Maxim, Alte Kaserne Saarburg
8.8.2021 — Arno Strobel (Autorenlesung), Alte Kaserne Saarburg
20.8.2021 — Stoppok, Alte Kaserne Saarburg
27.8.2021 — StadtRand, Alte Kaserne Saarburg
28.8.2021 — We Salute You (AC/DC Tribute), Alte Kaserne Saarburg
29.8.2021 — Klaus Doldinger & Passport, Alte Kaserne Saarburg
Der Durchschnittsbürger ist mit 70 meist schon ein paar Jahre in Rente – manche Musiker geben dagegen mit 70 nochmal richtig Gas. So hat Konstantin Wecker zu diesem runden Geburtstag nicht nur ein Jubiläumsalbum und eine Biographie veröffentlicht, sondern das besondere Ereignis auch gleich mit mehreren Konzerten im Münchner Circus Krone gefeiert. Wer nicht selbst dabei sein konnte, kann sich nun über die DVD Box „Poesie und Widerstand – live“ freuen. Und diese hat es in sich: Auf zwei DVDs mit insgesamt fast vier Stunden Laufzeit ist das gesamte Jubiläumskonzert (als Zusammenschnitt der besten Aufnahmen von drei Konzertabenden) enthalten, eine dritte DVD bietet ausführliches Bonusmaterial mit weiteren musikalischen Geburtstagsgeschenken, verschiedenen Interviews und einem Making Of.
Wie schon auf dem gleichnamigen Album gibt der Münchner Liedermacher mit dem Konzertprogramm „Poesie und Widerstand“ gewissermaßen einem Überblick über sein musikalisches Schaffen. So folgen nach dem fulminanten Opener „Leben im Leben“ Titel wie „Ich singe, weil ich ein Lied hab“, „Der alte Kaiser“ oder „Liebesdank“ – alle schon viele Jahre alt und dennoch zeitlos bedeutsam. Zwischendurch erlaubt sich Wecker einige Gedichte, wird mit „Der Krieg“ und „Was keiner wagt“ auch immer wieder sehr kritisch und politisch und lässt seinen musikalischen Widerstand im ganz aktuellen Song „Den Parolen keine Chance“ gipfeln. Und er erzählt viel – zur Entstehung seiner Lieder, von seiner Familie, der er natürlich auch einige Stücke widmet, und immer wieder von seinen Überzeugungen und Träumen.
Begleitet wird Wecker von einer großartigen fünfköpfigen Band unter der Leitung seines langjährigen Weggefährten Jo Barnikel. Da einige der Musiker mehrere Instrumente beherrschen, sind die Arrangements äußerst abwechslungsreich – mal dominieren E-Gitarre, Keyboard und Schlagzeug, dann wieder wird’s mit Cello, Bratsche und Violine fast klassisch. Und zwischendurch singt Wecker auch mal nur zur eigenen unverkennbaren Pianobegleitung.
Zum zweiten Teil des Konzertes hat der Liedermacher sich dann einige Gäste eingeladen. Zunächst füllt das Kammerorchester der bayrischen Philharmonie die Bühne und lässt Titel wie „Empört euch“, „Weltenbrand oder „Ich habe einen Traum“ zu einem neuen, äußerst eindrücklichen Klangerlebnis werden. Zum italienischen Abend wird das Konzert schließlich mit den befreundeten Sängern Pippo Pollina und Dominik Plangger, die mit Wecker gemeinsam unter anderem „Questa Nueva Realtà“ , „Caruso“ und „Buonanotte Fiorellino“ interpretieren. Beim Klassiker „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ sitzt der Jubilar dann wieder alleine am Flügel, lässt bei „Gracias a la Vida“ auch mal die Band ihre sängerischen Qualitäten ausleben und beschließt das Konzert schließlich mit dem schlichten Gedicht „Jeder Augenblick ist ewig“.
Mit seinen Jubiläumskonzerten hat Konstantin Wecker sich selbst und seinen Fans ein wunderbares Geschenk zum 70. Geburtstag gemacht. Auf dieser DVD-Box eingefangen kann dieses Geschenk nun noch mehr Menschen erfreuen.